Das Kinotheater „Arman“ füllt derzeit seine Sitze mit ungewöhnlichen Vorführungen. Am 5. Februar wurde der Kurzfilm „Sex, Angst und Hamburger“ erstmals in Almaty gezeigt. Im vergangenen Jahr war die Tragikkomödie als erste kasachische Produktion auf den Internationalen Filmfestspielen von Venedig zu sehen.
Der Saal war voll, mit zumeist jungen Menschen. Die meisten von ihnen hat man schon einmal gesehen, wenn man sich ab und an abseits der klassischen Kunstszene bewegt oder Diskussionsveranstaltungen besucht, bei denen es einfach um Bürgerbeteiligung und zivilgesellschaftliches Engagement geht. Es ist eine am Ende gar nicht mal so große Gruppe gut ausgebildeter junger Menschen, oft mit Auslandserfahrung, die Kasachstan nicht verlassen, sondern von innen heraus verändern wollen.
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Die Geschichte des Films ist schnell erzählt: Der 30-jährige Iskander ist Food-Fotograf, der sowohl beruflich als auch in seiner privaten Beziehung in einer Krise steckt. Als gerade eine Kundin, Anat, in seinem Studio ist, wird die rote Terrorwarnstufe in Almaty ausgerufen. Keiner soll das Haus verlassen. Und während draußen Menschen erschossen werden, kommt es drinnen, wie es kommen musste: Die beiden haben Sex – oder versuchen es zumindest. So richtig klappt es nämlich nicht, und am Ende muss Anat sich selbst befriedigen. Immerhin lernt Iskander, keine Angst vor Fehlern zu haben und gewinnt an Selbstbewusstsein, was schließlich auch von seiner Freundin Laura anerkannt wird.
Der Regisseur Eldar Schibanow wollte nach eigenen Angaben zeigen, wie eine Krise das Leben verändern kann. Tatsächlich gab es im Juli 2016 eine Schießerei in Almaty, die offiziell als Terroranschlag eingestuft wurde. Sechs Menschen starben bei dem Angriff auf eine Polizeistation im Stadtzentrum. Auf dieses Ereignis bezieht sich Schibanow: „Keiner war bereit dafür, weder Polizisten noch Bürger. Für jeden spaltete sich die Realität in eine vor und eine nach dem Anschlag. Es hat uns verändert.“
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Filmisch ist an dem Werk nicht viel auszusetzen. Die Zerrissenheit von Iskander, dargestellt von Tschingis Kapin, und die Lust von Anat, gespielt von Aisulu, kommen beim Zuschauer an. Das Verwirrende ist hierbei, dass Kasachstaner anscheinend kein Problem damit haben, tote Menschen zu filmen. 2016 schickten mir Bekannte aus Kasachstan Videos der Schießerei in Almaty, in denen die erschossenen Polizisten zu sehen sind. Die Szenen finden sich auch im Film. In Deutschland habe ich solche Aufnahmen zum Glück noch nicht erhalten. Doch auch in hiesigen Medien, insbesondere den russischsprachigen, werden Opfer oft ohne Scham gezeigt. Meistens sind noch nicht einmal die Gesichter unkenntlich gemacht. In Deutschland gibt es derweil Debatten, ob man überhaupt vollständige Namen von Opfern und Tätern in Medien nennen sollte.
Passend dazu, ist auch die Szene, in der Laura zurückkommt und lakonisch sagt: „Im Hof liegt ein Toter.“ Was hingegen ein großes Problem hierzulande zu sein scheint: Menschen, die auf der Leinwand Sex haben. In diesen Momenten ging ein Raunen durch den Saal. Das Unbehagen konnte man förmlich spüren. Dabei sind die Szenen nichts, was man nicht auch schon einmal in einem mittelmäßigen deutschen Fernsehkrimi gesehen haben könnte.
„Iskander und Anat geht es mehr um den Sex als die Angst, und zwischendurch sind Hamburger zu sehen“, fasst das Internetportal Vlast.kz den Film zusammen. Oder in anderen Worten: Tote Menschen sind okay, Sex nicht.