Die Begriffe „Sparen“ und „Investieren“ sind zwei zentrale Konzepte, wenn es um die Verwaltung von Geld geht, doch sie sprechen unterschiedliche Bedürfnisse und Denkweisen an. Während der Begriff Sparen – oder populär im Kontext persönlicher Finanzen: „Sparrate“, um auf die Regelmäßigkeit hinzuweisen – für viele Menschen intuitiver und leichter verständlich ist, kommt es beim langfristigen Vermögensaufbau und der Absicherung gegen die schleichende Entwertung von Geld auf die „Investitionsrate“ an. Dies ist nicht nur eine Frage der Terminologie, sondern auch ein psychologisches und mathematisches Problem.

Sparen heißt Sicherheit

Für viele Menschen, insbesondere für konservative Anleger in Kasachstan sowie in Ländern mit stabileren Wirtschaftsmodellen, ist der Begriff Sparen leicht verständlich. Sparen bedeutet für sie eine regelmäßige Handlung, bei der ein Teil des Einkommens zurückgelegt wird – sei es auf einem einfachen Bankkonto oder als Festgeld. Sparen spricht das Bedürfnis nach Sicherheit an und ist tief in der Psyche des Menschen verankert.

In vielen Kulturen ist Sparen ein Zeichen für Disziplin, Weitsicht und Verantwortungsbewusstsein und wer will, kann sich die Sparraten unterschiedlicher Länder einmal genauer ansehen – so sparen die Deutschen im Durchschnitt zum Beispiel stärker und konsumieren weniger, wenn die wirtschaftliche Unsicherheit größer wird. Andererseits kann ein vermehrter Konsum auch zur Bewältigung von Stress und Unsicherheit dienen. Erspartes stellt sicher, dass man in schwierigen Zeiten, wie bei Arbeitslosigkeit oder unvorhergesehenen Ausgaben, ein Polster hat. Die Sparrate ist also der Betrag, der regelmäßig zur Seite gelegt wird, um sich eine gewisse Sicherheit zu verschaffen.

Psychologie des Sparens

Die Psychologie des Sparens basiert auf einer tief verwurzelten menschlichen Angst vor Verlust und Unsicherheit. Psychologisch ist das Sparen ein defensiver Mechanismus, um sich vor den Unwägbarkeiten des Lebens zu schützen. Es ist gleichzeitig ein aktiver Schutz vor dem finanziellen Gegner, der in Form von Inflation, Arbeitslosigkeit oder unerwarteten Ausgaben (zur Absicherung dagegen siehe auch meine Kolumne zum Notgroschen) auf einen zukommen kann.

Die klassische Psychologie des Sparens führt in diesem Kontext zu einem Abschirmungseffekt: Man schirmt sich vor den Risiken und den unsicheren, abstrakten Märkten ab und bleibt in einem sicheren, relativ stabilen Bereich – mit Geld auf einem Sparkonto, investiert in einem sicheren Immobilienmarkt. Dies ist nicht nur eine Frage des praktischen Umgangs mit Geld, sondern auch ein zutiefst emotionaler Prozess. Das Erhöhen der Sparrate sorgt für ein Gefühl der Sicherheit, weil der Mensch sein Sicherheitsgefühl direkt mit seinen eigenen Handlungen verknüpft: Ich habe gespart, also habe ich Kontrolle über meine finanzielle Zukunft.

Investieren zum Vermögenserhalt und -aufbau

Doch während Sparen ein Gefühl der Sicherheit bietet, ist es langfristig nicht ausreichend, um das eigene Vermögen gegen die schleichende Entwertung durch Inflation und die Dynamik der Wirtschaft mit ihren steigenden Preisen zu schützen. Hier kommt das „Investieren“ ins Spiel. Investieren bedeutet, das Kapital aktiv in den Wirtschaftskreislauf einzubringen. Dies kann durch den Kauf von Aktien, Immobilien oder durch die Investition in Unternehmens- und Staatsanleihen erfolgen (mehr zu dieser Mischung siehe auch meine Kolumne über Diversifizierung). Aber während Sparen einfach und überschaubar erscheint, ist das Investieren eine komplexe und risikobehaftete Angelegenheit, die ein gewisses Maß an Wissen erfordert, um mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Die Angst vor Verlusten und Unsicherheit

Psychologisch gesehen ist Investieren ein aktiver Prozess, der neben Wissen auch Risikobereitschaft und – das ist ganz wichtig – Geduld erfordert. In einem wirtschaftlich unsicheren Umfeld oder für unerfahrene Anleger kann dies eine große Herausforderung darstellen. Studien der Verhaltensökonomie zeigen, dass Menschen häufig eine Verlustaversion zeigen: Sie vermeiden Risiken, auch wenn die potenziellen Gewinne größer sind als die Verluste. Das bedeutet, dass Anleger oft ungern in riskantere Vermögenswerte investieren, weil sie lieber auf die Sicherheit von flüssigem Geld setzen. Sie haben dabei weniger Angst, eine niedrigere Rendite zu erzielen, als durch risikobehaftete Anlagen einen Verlust zu erleiden.

Eine weitere psychologische Hürde ist der Status-quo-Bias – das Festhalten an gewohnten Verhaltensweisen und Strategien, weil Veränderung als unsicher empfunden wird. Gerade in Kasachstan, wo die nationalen Kapitalmärkte kaum entwickelt sind und der Zugang zu internationalen Börsen aufwändig ist, ist dies der Fall. Für viele Anleger bedeutet dies, dass sie beim Sparen bleiben, weil sie die Sicherheit und Stabilität dieser Methode kennen. Sie sind weniger bereit, den Schritt zu wagen und zumindest einen Teil des Ersparten in risikoreichere Anlagen zu investieren, obwohl Investitionen langfristig der einzige Weg zum Vermögensaufbau sind.

Vom passiven Sparen zum aktiven Anlegen

Aus mathematischer Sicht lässt sich die Bedeutung der Investitionsrate anhand des Zinseszinseffekts verdeutlichen. Angenommen, ein Investor spart jährlich 10.000 KZT und erhält eine Rendite von 15%. Am Ende des ersten Jahres hat er 11.500 KZT auf dem Konto. Im zweiten Jahr erhält er jedoch nicht nur erneut 15% auf die angelegten 10.000 KZT des ersten Jahres, sondern auch 15% auf die bereits gutgeschriebenen 1.500 KZT Zinsen, zusammen also 1.500 + 225 = 1.725 KZT – die Gesamtmenge wächst exponentiell. Wurden im zweiten Jahr wiederum 10.000 KZT zu 15% angelegt, beträgt das Gesamtvermögen nach zwei Jahren 24.725 KZT. Dieser Zinseszinseffekt ist einer der mächtigsten Hebel für Wohlstand und zeigt, warum das Investieren auf lange Sicht weitaus rentabler ist als das bloße Sparen, ohne das Geld anzulegen.

In Kasachstan ist die Anlage in Festgeldern in kasachischen Tenge derzeit lukrativ – eine Anomalie im Vergleich zu den internationalen Finanzmärkten (siehe dazu auch meine Kolumne zu den hohen Zinsen). Da für 2025 eine Inflationsrate von rund 12% erwartet wird – also mit steigender Tendenz im Vergleich zum Vorjahr –, ist unklar, ob dies eine gute langfristige Strategie sein kann, die die Inflation schlägt. Wer zum Beispiel mehr Vertrauen in den US-Dollar hat, muss feststellen, dass die aktuell von kasachischen Banken angebotenen 1% Zinsen unter der erwarteten Dollar-Inflation von 2,6% liegen. Obwohl das Vermögen in US-Dollar nominal steigt, verliert ein Anleger nach einem Jahr an Kaufkraft.
Durch Investieren, z.B. in Aktien oder Immobilien, kann der Anleger nicht nur den Wert seines Geldes (die Kaufkraft) erhalten, sondern potenziell sogar steigern. Zwar sind alle Anlageformen mit einem Risiko verbunden, doch bei konservativem Vorgehen übersteigen die langfristigen Gewinne in der Regel das Risiko. Vor allem, wenn man die Entwicklung des Immobilienmarktes oder die – langfristig betrachtet höheren – Renditen von Aktien betrachtet.

Nur Mut zur Investition!

Obwohl der Begriff Sparen für viele Menschen – besonders für konservative Anleger – eine verständliche und psychologisch beruhigende Wahl ist, bietet er keine langfristige Lösung für den Schutz vor Inflation oder Aufbau von Wohlstand. Investieren ist der Schlüssel, um das Vermögen zu erhalten und langfristig zu vergrößern, indem es der Wirtschaft zur Verfügung gestellt wird. Psychologisch gesehen fordert das Investieren zwar eine größere Risikobereitschaft und die Überwindung der Verlustangst, aber durch kluge Investitionen kann ein Verbraucher die schleichende Entwertung des Geldes durch Inflation bekämpfen und vom langfristigen Wachstum der Märkte profitieren.

Die Mathematik des Zinseszinseffekts und das Verständnis für die exponentielle Wertsteigerung von Investitionen machen klar: Um nicht nur die Kaufkraft zu erhalten, sondern auch wirklich zu wachsen, braucht es mehr als das bloße Sparen. Es braucht Investition. Wer regelmäßig spart – z.B. eine Sparrate von 10% seines regelmäßigen Einkommens hat – sollte nach der Absicherung fundamentaler Risiken wie Gesundheit und zivilrechtliche Haftung darüber nachdenken, einen Teil in eine regelmäßige Investitionsrate umzuwandeln. Selbst eine kleine Investitionsrate kann langfristig große Wirkung entfalten.

Über den Autor: Tobias Stüdemann interessiert sich, seit er im Alter von 10 Jahren ein Sparbuch eröffnet hat, für finanzielle Themen, investiert seit über 20 Jahren und engagiert sich für finanzielle Bildung mit Hilfe von Kolumnen, Kursen und Konsultationen. Dieser Artikel ist keine Investmentberatung. Fragen, Kritik, Anregungen: daz.finanzkolumne@gmx.de

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