Der kasachstanische Automarkt wächst seit Jahren stetig. Im Jahr 2024 verkauften offizielle Händler rund 205.100 Neuwagen, ein Plus von 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr, das mit etwa 198.600 Fahrzeugen bereits ein Rekordjahr war. Hinter diesem Wachstum verbergen sich jedoch tiefgreifende Veränderungen: Das Käuferprofil wandelt sich, die Markenlandschaft verschiebt sich – und deutsche Hersteller verlieren zunehmend an Boden.

Von Januar bis Juli 2025 stieg der Import neuer und gebrauchter Fahrzeuge nach Kasachstan um 59,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Den größten Anteil an diesem Wachstum haben Autos aus China: Rund 94.600 Fahrzeuge wurden importiert – ein Zuwachs von 247,5 Prozent. Unter den zwanzig meistverkauften Marken des ersten Quartals 2025 stammen bereits zehn aus China. 2024 belegten chinesische Hersteller wie Chery, JAC, Haval oder Jetour die Plätze vier bis zehn in der Rangliste. Ihr Marktanteil bei Neuwagen liegt inzwischen bei rund 39 Prozent.

Deutsche Automarken: Prestige hat seinen Preis

Chinesische Hersteller setzen auf attraktive Finanzierungsmodelle, Sonderaktionen, Bonusprogramme, eine rasch anwachsende Modellpalette und intensive Marketingkampagnen. Käufer schätzen, dass sie für vergleichbares Geld oft mehr Ausstattung, modernen Komfort, ausgefeilte Multimedia-Systeme und günstigere Wartungsbedingungen erhalten als bei europäischen Marken.

Volkswagen, Mercedes-Benz, BMW und Audi galten in Kasachstan lange als Inbegriff von Qualität, Zuverlässigkeit und Status. Doch diese Position wird zunehmend herausgefordert. Hohe Preise – verschärft durch Wechselkursrisiken, Zölle und gestiegene Logistikkosten – machen deutsche Fahrzeuge für viele unerschwinglich. Gleichzeitig bieten chinesische Modelle günstigere Alternativen mit ähnlichem Ausstattungsniveau.

Durch längere Garantien, besseren Service und eine wachsende Präsenz vor Ort versuchen sie, das alte Vorurteil mangelnder Qualität zu entkräften. Zudem verschieben sich die Prioritäten vieler Käufer, besonders jene der jüngeren: Statt auf Markenprestige achten sie stärker auf Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Warum die chinesischen Hersteller so erfolgreich sind

Produktstrategie: Chinesische Unternehmen passen ihre Modelle gezielt an die Bedürfnisse des Marktes an – kleinere, sparsamere Motoren, praktische Ausstattungsdetails und zunehmend auch Hybrid- und Elektroantriebe mit niedrigen Betriebskosten.

Flexibilität bei Logistik und Vertrieb: Neue Niederlassungen entstehen in kurzer Zeit, begleitet von aggressiven Rabattaktionen, Trade-in-Programmen und günstigen Finanzierungsangeboten. So erobern chinesische Marken den Massenmarkt.

Staatliche Unterstützung: Steuer- und Zollerleichterungen sowie Kooperationen mit lokalen Montagewerken senken die Endpreise erheblich.

Verändertes Konsumentenverhalten: Käufer beurteilen die Fahrzeugangebote zunehmend nach dem Verhältnis von Preis, Qualität und Service. Das alte Image „billig, aber unzuverlässig“ verliert an Bedeutung, zumal Service und Garantieleistungen inzwischen meist auf solidem Niveau liegen.

Vollständige Verdrängung?

Ein vollständiger Rückzug der deutschen Marken ist jedoch nicht absehbar. Sie behalten ihre Stärke im Premiumsegment, wo Marke, Prestige und Langlebigkeit zählen. Auch bei bestimmten Fahrzeugtypen – etwa Luxuslimousinen oder hochwertigen SUVs –
sind die Kunden weiterhin bereit, mehr zu bezahlen. Zudem spielt der europäische Markenruf für viele Käufer nach wie vor eine Rolle. Doch im mittleren Segment, wo deutsche Hersteller früher dominierend waren, ist der Rückgang deutlich spürbar.

Die hohe Preisempfindlichkeit der Käufer, Inflation, steigende Zinsen und Währungsschwankungen erschweren den Absatz teurer Fahrzeuge. Hinzu kommen hohe Logistik- und Zollkosten sowie längere Lieferzeiten. Gleichzeitig setzen chinesische Anbieter auf aggressive Marketingstrategien, attraktive Finanzierungsmodelle und großzügige Trade-in-Angebote. Das Imageproblem älterer deutscher Modelle – die sich langsamer modernisieren und teils nicht mehr den aktuellen digitalen und ökologischen Standards entsprechen – verschärft die Situation zusätzlich.

Deutsche Hersteller könnten gegensteuern, indem sie ihre Produktion stärker lokalisieren, Modelle an lokale Bedingungen anpassen, Hybrid- und Elektroversionen ausbauen und den Service verbessern. Chinesische Marken werden derweil ihren Vormarsch in den Segmenten „kompakter SUV“, „Einstiegsmodell“ und „Elektrofahrzeug“ fortsetzen. Auch koreanische, japanische, russische und türkische Marken werden versuchen, Zwischenpositionen auf dem Markt zu besetzen.

Ein ernstzunehmender Konkurrent

Für die Käufer bedeutet das: Sie werden anspruchsvoller – in puncto Qualität, Haltbarkeit und Serviceinfrastruktur. Chinesische Marken, die diese Erwartungen nicht erfüllen, riskieren einen Rückschlag.

Chinesische Autos sind längst keine „Billigalternative“ mehr für jene, die sich keinen „Deutschen“ leisten können. Sie sind ernstzunehmende Konkurrenten geworden, die einen neuen Standard setzen: gute Ausstattung, faire Preise und solide Servicebedingungen. Deutsche Hersteller behalten ihren Glanz im Premiumsegment, verlieren aber ihre Vormachtstellung im Massenmarkt. Diese Entwicklung spiegelt einen globalen Trend wider – den Wandel der Produktionszentren, den Wertewandel der Marken und eine neue Generation von Konsumenten, für die Technologie, Komfort und Preis wichtiger sind als das Prestige eines Logos.

Die Zukunft des kasachstanischen Automarkts wird vom Gleichgewicht zwischen Qualität, Preis und lokaler Präsenz abhängen. Wenn deutsche Marken es schaffen, sich anzupassen, ihre Kosten zu senken und Vertrauen zurückzugewinnen, können sie ihre Position behaupten. Gelingt ihnen das nicht, wird die chinesische Welle sich endgültig als neue Realität auf den Straßen Kasachstans etablieren.

Ruslan Mussirep

Teilen mit:

Hinterlasse eine Antwort

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein