Kasachstan steht an einem Wendepunkt: Nach Jahren der wirtschaftlichen Öffnung und starken Internationalisierung sucht das Land nun nach mehr Eigenständigkeit. Zwischen russischen Tech-Giganten, globalen Plattformen und neuen Regierungsauflagen versucht die kasachstanische Wirtschaft, die Balance zwischen Wachstum und Kontrolle über den eigenen Markt zu finden.

Kasachstan gilt seit Jahren als wirtschaftliches Schwergewicht in Zentralasien. Mit seinen Öl-, Gas- und Rohstoffreserven hat das Land eine solide Basis, um Investoren anzuziehen und die eigene Wirtschaftskraft zu steigern. Insbesondere die Energiekrise nach der Pandemie trieb die Preise für Öl, Gas und Uran in die Höhe, wovon Kasachstan stark profitierte.

Obwohl der Energiesektor nach wie vor den größten Teil der kasachstanischen Profite ausmacht, rücken in den letzten Jahren Bereiche wie Technologie, Logistik und Dienstleistungen zunehmend in den Mittelpunkt, mit einem rasanten Wachstum der IT- und der Start-up-Szene, die inzwischen sehr international aufgestellt ist.

Russische Großunternehmen traten ebenfalls in diesen Sektor ein und prägen ihn inzwischen deutlich mit. Vor allem nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Jahr 2022 zog Kasachstan zahlreiche russische Unternehmer an, die Sanktionen umgehen wollten, was Almaty zu einem Zielpunkt für neue Investitionen werden ließ. Laut Kursiv stieg die Zahl russischer Unternehmen um 49% an: von 11.500 im Januar 2022 auf 17.100 im November 2022.

Seit 2024 ist die Zahl der russischen Unternehmen in Kasachstan zwar wieder auf den Vorkriegsstand gesunken, dennoch hat der wachsende Einfluss internationaler Unternehmen in kasachstanischen Unternehmerkreisen zu Debatten geführt, wieviel Kontrolle Kasachstan über seinen eigenen Markt behalten sollte? Nun versucht die Regierung Kasachstans durch neue politische Maßnahmen und durch Forderungen auch an internationale Partner die Balance im Wettbewerb neu auszutarieren und das einheimische Unternehmertum zu stärken.

Von der Diversifizierung zur neuen Abhängigkeit

Diesen Sommer wurde im kasachstanischen Parlament darüber diskutiert, welche Rolle internationale Unternehmen im Land spielen sollen. Kasachstan – insbesondere Almaty – hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Standort für ausländische Firmen entwickelt. Plattformen wie Yandex Go, Uber, Glovo oder InDrive erzielen dort erhebliche Gewinne.

Doch die Frage, wie lokale Unternehmen in diesem Umfeld bestehen können, wird zunehmend in Kreisen der Politik diskutiert. Der stellvertretende Ministerpräsident Roman Sklyar griff das Thema im Parlament auf und stellte eine Liste kasachstanischer Firmen vor, die als Alternativen zu internationalen Plattformen dienen könnten, berichtete Bizmedia. Der Astana Hub – das nationale Technologie- und Innovationszentrum – entwickelt derzeit mehrere Taxi- und Logistikprojekte, die langfristig mit den globalen Giganten konkurrieren sollen.

Doch das bleibt eine große Herausforderung: Russische Firmen, vor allem in den Bereichen Technologie, Telekommunikation und Logistik, bleiben weiterhin eine führende Macht in diesen Sektoren. Der Ökonom Arman Beisembayev nannte gleich mehrere russische Unternehmen, die auf dem Markt Kasachstans dominieren: „Beeline [Telekommunikationsfirma] hält etwa 40% des kasachstanischen Marktes. Auch im Rohstoffsektor sind russische Unternehmen präsent, z. B. EuroChem, das Phosphorite in der Region Schambyl abbaut und dort sogar städtebauliche Projekte entwickelt.”

Insbesondere das russische Technologieunternehmen Yandex hat sich über die Jahre stabil in den Markt verankert. Yandex versorgt fast 90 % der Taxiservices und breitet sich in weiteren Sphären aus: etwa im Bereich E-Scooter-Sharing, Lieferdienste und digitale Streaming-Angebote. Das Unternehmen hat sich damit zu einem der sichtbarsten Akteure der urbanen Infrastruktur in Almaty entwickelt, mit einer beträchtlichen Anzahl täglicher Nutzer. Und er fügt hinzu: „Yandex ist praktisch ein Monopolist geworden. Es diktiert jetzt die Preise“.

Beisembayev sieht das alles jedoch nicht als ein großes Problem an, sondern als einen Weg, lokale Arbeiter in die Firma zu integrieren.

Yandex betreibt selbst keine Fahrzeuge – es bietet lediglich eine digitale Plattform, die Bestellungen sammelt und an lokale Fahrer bzw. Unternehmen weitergibt. Daher empfinden lokale Unternehmen die Dominanz von Yandex nicht als direktes Problem. Sie sind in das Yandex-System integriert, schließen eigene Verträge, und die Einnahmen werden geteilt.

Doch laut Bizmedia kritisieren Politiker weiterhin, dass Firmen wie Yandex zwar zur wirtschaftlichen Aktivität beitragen, jedoch würden diese Unternehmen zu wenig in die nationale Infrastruktur investieren. Auch die Arbeitsbedingungen, besonders in Taxidiensten, haben Kritik erhalten: Die Plattformen schaffen zwar Arbeitsmöglichkeiten, gleichzeitig drängen aber viele Fahrer in abhängige Beschäftigungsverhältnisse. Die Provisionen beginnen bei 16 Prozent, während Taxiunternehmen wie Yandex zusätzlich 2–4 Prozent einbehalten – ein Großteil der Einnahmen fließt somit an die Vermittler.

Was ursprünglich nach einer Diversifizierung aussah – neue Unternehmen, neue Dienstleistungen, neue Investitionen – führte in der Praxis zu einer neuen Form von Abhängigkeit. Für lokale Unternehmen ist es schwierig, mit den etablierten Akteuren mitzuhalten. Nun will die Regierung mit neuen Geschäftsmaßnahmen mithelfen.

Regulierung und Suche nach Balance

Die kasachstanische Regierung hat inzwischen begonnen, auf diese Entwicklungen zu reagieren und ein Gleichgewicht zwischen internationalen Geschäften und heimischen Produzenten zu pflegen. In diesem Jahr wurden schrittweise strengere Auflagen für ausländische Unternehmen eingeführt, die nun stärker mit lokalen Partnern kooperieren sollen. Dies zeigt sich auch in den neu verhandelten Verträgen.

„Es ist Teil eines Maßnahmenpakets zum Schutz des lokalen Arbeitsmarktes und ein Versuch, Unternehmen dazu zu bringen, in Humankapital zu investieren“, erklärt Beisembayev.

Die Politiker verlangen, dass Aufträge möglichst im Land selbst ausgeführt werden – durch kasachstanische Hersteller, Firmen und Arbeitskräfte. Falls geeignete Fachkräfte fehlen, so müssen die Unternehmen sie vor Ort ausbilden, um langfristig die Qualifikation und Wettbewerbsfähigkeit des kasachstanischen Arbeitsmarkts zu erhöhen.

Seit dem 1. September 2025 gelten neue konkrete Verfahren für die Beschäftigung ausländischer Staatsbürger im Land. Arbeitgeber müssen freie Stellen zuerst mindestens 15 Kalendertage auf den staatlichen Stellenmarkt veröffentlichen, bevor sie einen Antrag für Ausländer stellen dürfen. Zudem wurden die Quoten in kleinen Unternehmen neu definiert: Mindestens 70% der Führungspositionen und 90% der Fachkräfte müssen mit kasachstanischen Staatsbürgern besetzt sein.

Nach dem rasanten Wandel der vergangenen Jahre hat Kasachstan beide Seiten erlebt: den Aufschwung durch ausländische Investitionen – und den Druck, für lokale Unternehmen mitzuhalten. Ob die neuen Vorgaben, die mehr Einheimische in die Wirtschaft einbinden sollen, den Markt beleben oder Investoren eher abschrecken, wird sich erst noch zeigen.

Katarina Kukla

Teilen mit:

Hinterlasse eine Antwort

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein