Im Jahr 2025 erlebte der Fußball in Kasachstan eine der tiefgreifendsten Veränderungen seiner Geschichte. Nach Jahrzehnten staatlicher Finanzierung wurde entschieden, die Vereine in private Hände zu übergeben. Ziel ist es, die Clubs nicht länger als soziale Last, sondern als Geschäftsaktiv zu betrachten, das Einnahmen erwirtschaften und den Kinder- und Jugendfußball fördern kann.

Am 30. Oktober 2025 wurde der FC Qaisar aus Kyzylorda als erster Club offiziell an einen privaten Investor übergeben. Damit beginnt eine neue Ära, die von den höchsten Führungsetagen des Landes unterstützt wird.

Warum wurde privatisiert?

In seiner jährlichen Ansprache vom 8. September 2025 rief Staatspräsident Kassym-Schomart Tokajew dazu auf, die Privatisierung der Fußballvereine zu beschleunigen, wobei er betonte, dass auch der Fußball nichts weiter als eine Wirtschaftsbranche sei. Das System der staatlichen Finanzierung hatte seine Ineffizienz gezeigt: Die Clubs waren abhängig von Staatshaushaltsmitteln und nicht von Einnahmen aus Ticketverkäufen, TV-Rechten oder Sponsoren. Im Jahr 2025 wurden fast 32 Milliarden Tenge aus dem Staatshaushalt für Fußball bereitgestellt.

Viele Vereine verfügten jedoch über kein stabiles Geschäftsmodell. Die Einnahmen deckten die Ausgaben kaum und die Entwicklung von Jugendspielern und der Sportstätten-Infrastruktur blieb schwach. Experten sind sich einig, dass die Vereine ohne die Einbindung von Unternehmen langfristig nicht überleben würden. Die Lösung lautet deshalb, die Clubs an Unternehmer zu übergeben, die investieren, die Infrastruktur entwickeln, Spieler-Akademien aufbauen sowie Sponsoren, Fans und kommerzielle Einnahmen anziehen können.

Die ersten praktischen Schritte zur Privatisierung sind bereits sichtbar. In Kasachstan tauchen Vereine auf, die offiziell in private Verwaltung übergehen. Einer der ersten war Qaisar, der in diesem Jahr einen privaten Eigentümer erhielt und damit faktisch eine neue Ära im Management professioneller Teams eröffnete. Ihm folgten mehrere Clubs, die sich in der finalen Phase der Übergabe befinden – darunter Qyzyl-Zhar SK, der Hauptstadtclub Jenis und der Karagandiner Schachtjor.

Nach offiziellen Angaben wurden bislang fünf der vierzehn Profivereine an private Investoren übergeben. Darüber hinaus werden Privatisierungsoptionen für Taras, Elimai und Irtysch geprüft sowie für weitere Projekte, bei denen die Verhandlungen noch laufen. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, könnte die nationale Liga in den kommenden Jahren erstmals zu einem Modell heranwachsen, in dem eine Mehrheit der Clubs von privaten Unternehmen und nicht von staatlichen Regionalverwaltungen geführt wird. Insgesamt sind bereits mehrere Vereine privatisiert worden und das Volumen der in diesem Zusammenhang angekündigten Investitionen übersteigt 45 Milliarden Tenge.

Wohin fließt das Geld?

Investoren wollen die Mittel in den Bau und Ausbau von Fußballakademien, in die Entwicklung des Kinder- und Jugendfußballs und in die Infrastruktur investieren. Bei Qaisar sind dafür 12 Milliarden Tenge vorgesehen, bei Jenis 16 Milliarden und bei Schachtjor werden 12 Milliarden für eine Akademie bereitgestellt. Schachtjor plant darüber hinaus, weitere 6 Milliarden für den Jugendfußball zu verwenden, während bei Qyzyl-Zhar jährlich mindestens 1 Milliarde Tenge vom Investor kommen soll.

Außerdem sollen modernes Management, Transparenz und die Einbindung privater Sponsoren etabliert werden, so wie es bei europäischen Vereinen üblich ist. Ein Beispiel ist der Club Elimai, der in eine nichtkommerzielle Aktiengesellschaft umgewandelt wurde und nun Aktien ausgibt, wodurch nicht nur ein einzelner Investor, sondern eine Partnerschaft aus Wirtschaft, Gesellschaft und Staat möglich wird. So wird die Privatisierung als Weg zu einer nachhaltigen Finanzierung, zum langfristigen Infrastrukturaufbau und zu einer soliden Basis junger Spieler wahrgenommen.

Warum ist das Beispiel von FC Kairat wichtig?

Zwar steht Kairat aus Almaty derzeit nicht auf der Liste der bereits verkauften Clubs, doch seine internationalen Erfolge zeigen, dass ein kasachischer Verein erhebliche Einnahmen erzielen kann, wenn nur die Strategie stimmt. Damit liefert Kairat ein Argument, dass Privatisierung und Kommerzialisierung Wirkung zeigen können: Durch seine Auftritte in europäischen Wettbewerben – ob in der Qualifikation oder in der Gruppenphase der Champions League bzw. Conference League – steigt das Interesse von Fans, Sponsoren und Medien. Das erhöht die Ticketnachfrage, steigert das Merchandising und macht den Verein ebenso wie die Stadt für ein breites Publikum attraktiver.

Kairat zeigt, dass ein kasachischer Verein international konkurrenzfähig sein und damit externe Einnahmen generieren kann, die bei rein staatlicher Finanzierung nicht möglich sind. Wenn aber Kairat nachhaltig arbeiten und zugleich Infrastruktur entwickeln kann, dann können auch privat geführte Clubs diesen Weg bei guter Leitung beschreiten.

Welche Vorteile entstehen für Liga, Vereine und Regionen?

Zunächst bietet das Modell eine Professionalisierung der Führung, denn Unternehmen sind an Gewinn und nachhaltiger Entwicklung interessiert, investieren in Akademien, Marketing, Sponsoring, Merchandising und Partnerschaften. Finanzielle Stabilität und langfristige Investitionen werden möglich, insbesondere in die Infrastruktur und in den Kinder- und Jugendfußball, was früher stets von wechselnden Haushaltslagen abhing.

Die Konkurrenzfähigkeit steigt, wenn die Vereine mehr finanzielle Mittel und auch eine verstärkte Motivation erhalten, besser werden zu wollen, was möglicherweise im Ergebnis das Niveau der gesamten Liga hebt. Außerdem entlastet die Privatisierung den Staatshaushalt und schafft Spielräume für Investitionen in Breitensport, Kinderfußball und regionale Infrastruktur.

Es gibt aber auch Risiken. Ein Verein kann vollständig von einem einzigen Eigentümer abhängig werden, dessen Interessen sich ändern könnten, was im schlimmsten Fall zu Mittelabzug oder sinkendem Interesse führt, vor allem wenn der Club keine Gewinne erzielt. Ohne starke Fanbasis, Sponsoren und TV-Rechte bleibt die kommerzielle Grundlage fragil; der Club könnte wieder zur Last werden, nur diesmal für einen anderen Besitzer.

Das Beispiel anderer Länder zeigt, dass wirtschaftliche Führung nicht automatisch Erfolg bedeutet. Reiche Clubs könnten den kleineren davonziehen und Ungleichheit erzeugen. Außerdem bleibt die soziale Verantwortung: Fans und Regionen sehen den heimischen Club oft als Teil der öffentlichen Infrastruktur und könnten einen privatisierten Verein nicht mehr als den „ihrigen“ wahrnehmen.

Wie beeinflusst das die internationale Wettbewerbsfähigkeit?

Erfolgt die Privatisierung in Verbindung mit guter Entwicklung – Infrastruktur, Akademien, Marketing, Sponsoren –, könnte Kasachstan bessere Ergebnisse in europäischen Wettbewerben erzielen. Clubs bekämen Ressourcen zur Verstärkung der Kader, zu einer besseren Nachwuchsarbeit und einer professionelleren Vorbereitung auf die jeweils nächste Spielzeit. Die Attraktivität für ausländische Investoren würde wachsen, ebenso die Vermarktungschancen. Einnahmen von Sponsoren und TV-Rechten würden unabhängiger vom Staat. Langfristig entstünden starke Nachwuchsspieler, die international mithalten können. All dies könnte das Niveau und den Status der Liga auf internationaler Ebene heben.

Wie geht es weiter? Wichtig ist, wie die Privatisierungsbedingungen gestaltet werden: mit Ausschreibungen, Kontrollmechanismen und Investitionsauflagen, damit die Vereine nicht zu minimal verwalteten „Aktiva“ werden. Ebenso entscheidend sind Mechanismen zum Schutz von Fans und Regionen, damit Clubs nicht zu abgeschotteten Geschäftsprojekten werden.

Letztendlich ist es die Frage, wie sich Kommerz und sportlicher Geist ausbalancieren lassen, damit der Fußball volksnah, zugänglich und sozial relevant bleibt. Ebenso wichtig ist, wie der Fußballverband und die Behörden die Erfüllung der Investorenversprechen zu Akademien und Nachwuchsentwicklung kontrollieren. Und schließlich stellt sich auch die Frage, wie realistisch die Kommerzialisierung für Vereine in kleineren Städte ist, deren Fanbasis und potenzielle Sponsoren begrenzt sind.

Die aktuelle Privatisierungswelle ist eine Chance, den kasachstanischen Fußball auf ein neues Niveau zu bringen. Sie bietet die Möglichkeit, die Clubs von einer Haushaltslast zu nachhaltigen Geschäftsorganisationen zu entwickeln, die sportliche Infrastruktur zu verbessern und Jugend-Fördersysteme aufzubauen, was den Vereinen endlich die Chance geben soll, nicht nur national, sondern auch international mitzuhalten.

Viel hängt jedoch davon ab, wie ernst die Investoren ihren Aufgaben nachgehen, ob sie ihre Versprechen einhalten und tragfähige Geschäftsmodelle schaffen. Andernfalls droht die Privatisierung zu einem bloßen Besitzerwechsel ohne qualitative Verbesserung zu werden. Wenn es aber gelingt, dann kann Kasachstan moderne Clubs, eine gute Nachwuchsarbeit, eine finanziell stabile Liga und realistische Chancen auf internationalen Erfolg gewinnen.

Ruslan Mussirep

Teilen mit:

Hinterlasse eine Antwort

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein