Der Jahreswechsel ist immer Anlass für Betrachtungen des abgelaufenen Jahres und für die Diskussion von Erwartungen an das neue „365-Tage-Rennen“. Schaut man sich kurz den Verlauf des Jahres 2007 an, so ist erst einmal zu sagen, dass es, global gesehen, ein gutes Jahr war.

Die Weltwirtschaft hat sich weiter prächtig entwickelt, das Produktionswachstum hat mit mehr als vier Prozent in hohem Maße zugelegt, der internationale Warenaustausch hat sich mehr als doppelt so schnell gesteigert wie die Produktion. In der zweiten Jahreshälfte gab es dann zwar eine Eintrübung der Konjunkturaussichten, bedingt durch die Immobilienkrise in den USA. Bisher aber haben die damit verbundenen Prozesse noch keine allzu großen Schleifspuren hinterlassen.

Dennoch gibt es erste Anzeichen, dass die Konjunktur in den USA ihren zyklischen Höhepunkt überschritten haben dürfte. Das ist eigentlich keine Katastrophe, schließlich bedeutet das nicht automatisch das Entstehen einer Rezession oder gar Krise. Ein etwas langsameres Wachstum ist aus mancherlei Hinsicht oftmals sogar wünschenswerter als eine gar zu lange Zeit unter Volldampf arbeitende Konjunkturlokomotive. Hinsichtlich der USA aber gibt es doch strategisch-strukturelle, also längerfristig bestehende Probleme, die das Recht auf Sorgenfalten geben. Es geht vor allem um den schwachen Dollar und um die starken Ungleichgewichte in zwei entscheidenden Finanzbilanzen des Landes: dem Staatshaushalt beziehungsweise den Staatsschulden und der Außenhandelsbilanz. Letztere hat ein, man muss schon sagen, traditionell extrem großes Defizit (die Devisenausgaben für Importe sind wesentlich größer als die Deviseneinnahmen aus Exporten) trotz des schwachen Dollars nicht abbauen können. Das ist Ausdruck für eine unzureichende oder gar fehlende Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Waren auf dem heimischen Markt – aus welchen Gründen auch immer. Zu den Folgen gehören wachsende Arbeitslosigkeit in den USA, die Zunahme schlechtbezahlter Jobs und der Rückgang der Einkommen. Die USA aber sind und bleiben auf absehbare Zeit jedoch der größte Nachfrage- und Importmarkt und noch hängt von diesem Markt sehr viel in der Weltwirtschaft ab. In den letzten Wochen hat sich der Kreis der Themen im US-Wahlkampf auch deutlich gewandelt: der Irakkrieg ist weit in den Hintergrund getreten, die wirtschaftlichen Probleme, vor allem der Mittelklasse, sind zum Topthema geworden.

Für Kasachstan war das Jahr 2007 auf den ersten Blick wieder ein sehr erfolgreiches. Real ist der Wert der erzeugten Waren und Dienstleistungen um etwa zehn Prozent gestiegen und hat damit zum wiederholten Male Traumgrößen erreicht. Allerdings ist auch hier nicht alles Gold, was glänzt. Zum einen hat es keinerlei spürbare Fortschritte bei der Lösung des strukturellen Grundproblems der hiesigen Wirtschaft, der sehr einseitigen Orientierung auf Öl und Metalle, gegeben. Folglich besteht weiterhin eine drastische Abhängigkeit von diesen. Im Moment mag das makroökonomisch noch nicht negativ wirken, weil die Nachfrage gerade nach diesen Rohstoffen auf den Weltmärkten hoch ist und wohl auch bleiben wird. Strategisch gesehen ist dieser Zustand jedoch auf jeden Fall unerwünscht, die Ergebnisse der Strategien, um das zu ändern, lassen jedoch auf sich warten.

An neuen, erst in 2007 entstandenen Problemen, sind vor allem zwei zu nennen. Zum einen die Liquiditätskrise im hiesigen Bankensektor. Diese veranlasste die Regierung zu einem auf mehrere Jahre angelegten Hilfsplan im für Kasachstan doch enormen Umfang von vier Milliarden US-Dollar. Die Tatsache, dass in diesem Bereich Probleme entstehen könnten, konnte man vor einem Jahr durchaus ahnen. Schließlich war bereits damals die Auslandskreditaufnahme der heimischen Geschäftsbanken mit fast 50 Milliarden US-Dollar ausgesprochen hoch. Nun leidet vor allem der Bausektor, der sich in den letzten Jahren aber auch mit schwindelerregenden, gerade wegen ihrer Höhe nicht gesunden Zuwachsraten, hervorgetan hat. Nach dem steilen Anstieg folgt nun ein tiefer Fall. Es sei denn, der Staat greift helfend ein. Das zweite Problem ist die plötzlich (?) wiedererwachte Inflation, die sich am Jahresende bedrohlich der 20-Prozent-Marke näherte. Die darauf ziemlich eilig vorgestellten Programme von Nationalbank und Regierung drücken auch bei einer wohlwollenden Bewertung ein ziemlich großes Maß an Hilflosigkeit aus.
Was wird nun das Jahr 2008 den Kasachstanern in wirtschaftlicher Hinsicht bringen? Natürlich weiß das niemand genau, und dennoch versuchen sich alle an solchen Aussagen. Also auch ich.

Das Wirtschaftswachstum wird sich wohl deutlich abschwächen – auf vielleicht sechs bis sieben Prozent. Ursache dafür ist vor allem die Liquiditätskrise des Bankensektors, die die Investitionstätigkeit spürbar negativ beeinflussen wird. Die Auswirkungen der Bankenkrise werden wohl auch im gesamten Jahr 2008 noch spürbar sein, trotz des Zweckoptimismus der Regierung. Den Rückgang des Wirtschaftswachstums bewerte ich eher positiv, weil so die Gefahr der Überhitzung geringer wird und sich u. a. auch die Inflation leichter bekämpfen lassen wird.

Die Nachfrage nach den traditionellen Exporterzeugnissen Kasachstans wird hoch bleiben und folglich auch die Aufwertungstendenz der Tenge zum Dollar. Wenn die Nationalbank den Tengekurs weiter stützen wird (durch Aufkauf nicht nachgefragter Dollar) wird die Inflation hoch bleiben, allerdings nicht in den bisherigen Dimensionen. Infolge des Mangels an Fachkräften werden auch die Löhne schnell steigen, allerdings schneller als die Produktivität. Das heizt wiederum die Inflation an. Ja und ansonsten kann man eigentlich nur abwarten und die Daumen drücken, dass alles gut wird. Na dann tun wir das mal!

Bodo Lochmann

11/01/08

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