Im Gespräch mit Alina Kan, die als ethnische Deutsche Kasachisch unterrichtet und damit in kurzer Zeit Bekanntheit in den kasachischen Medien erlangt hat.

Kasachisch erlebt zur Zeit eine Renaissance und gewinnt in Kasachstan immer mehr an Bedeutung. Doch nicht nur bei den Kasachen selbst, sondern auch bei den vielen Einwohnern mit russischen, koreanischen, deutschen und anderen Wurzeln gewinnt die Sprache an Interesse. Ein Beispiel hierfür ist die Kasachstandeutsche Alina Kan. Sie ist nicht nur von der Sprache begeistert, sondern hat ihre Leidenschaft auch zum Beruf gemacht. In den sozialen Medien und ihrem kostenfreien Konversationsclub „Сөйле“ (Sprich) unterrichtet sie Kasachisch.

Ihre Videos bei TikTok und Instagram erreichten bereits nach kurzer Zeit Millionen Aufrufe und machten sie in der Medienlandschaft Kasachstans berühmt. Neben zahlreichen Auftritten im Fernsehen wurde sie zuletzt auch von Präsident Tokajew mit dem Schapagat-Orden für gemeinnützige Tätigkeiten ausgezeichnet. In unserem Interview mit der DAZ verrät uns Alina Kan, was sie mit der kasachischen Sprache verbindet und warum das Interesse daran steigt. Außerdem gibt sie einige Ratschläge, wie man generell Sprachen am besten lernt.

Frau Kan, wie ist Ihr Interesse an der kasachischen Sprache geweckt worden? Wie fingen Sie an, diese Sprache zu lieben?

Ich wuchs bei meinen Großeltern in einem Dorf auf, da meine Mutter diese Welt sehr früh verlassen hat. Ich war drei oder vier Jahre alt, und irgendwie musste man die Zeit verbringen und spielen. Fast überall wurde Kasachisch gesprochen. Zu dieser Zeit gab es noch keine Handys und kein Internet, keine Übersetzer. Ich hatte zwei Nachbarjungen in meinem Alter. Sie sagten mir etwas, und ich verstand es nicht. Dieser Dialog fand über den Zaun hinweg statt. Sie sagten zum Beispiel zu mir „Alina, zhur ojnajyk!“ (Alina, lass uns spielen!), und ich dachte mir: „Alina? Also sprechen sie mich an… Ich werde das wiederholen“. Und so lernte ich die korrekte Aussprache. Anschließend brachten sie mir visuell verschiedene Begriffe bei. Wenn man einem Menschen ein Element zeigt und es benennt, merkt man es sich schneller.

Und so ging ich bereits mit einem kleinen Wortschatz in die erste Klasse. Ich erinnere mich noch an die erste Kasachischstunde und die Lehrerin. Sie fing an, zu unterrichten, und das weckte mein Interesse an der kasachischen Sprache. Von der ersten bis zur elften Klasse beherrschte ich vollständig die Grammatik. In der Schule liebte ich insbesondere den Kasachischunterricht; nicht, dass ich andere Unterrichtsfächer nicht gemocht habe, aber solch ein Interesse hatte ich nur an der kasachischen Sprache.

Wie kamen Sie zu dem Entschluss, ausgerechnet zu unterrichten?

Auf unterbewusster Ebene war das in der vierten Klasse, als ich eine andere Kasachischlehrerin bekam. Eine 26-jährige Frau, sie hieß Gulshan Muchtarowna Asanbajewa. Es gefiel mir sehr, wie sie unterrichtete. Ich dachte mir, ich möchte genau so unterrichten. Als ich Studentin war, nahm ich mir einige Schüler, und das hat dann super funktioniert. Wahrscheinlich war es immer mein Traum, den Menschen etwas zu geben. Ich wollte immer einen Nutzen bringen; für meine Heimat, da ich eine starke Patriotin meines Landes bin.

Ihre Unterrichtsstunden im Konversationsclub in Almaty sind absolut kostenfrei. Wie kamen Sie zu der Entscheidung kostenlos zu unterrichten?

Das war nicht nur meine Entscheidung; in Kasachstan gibt es die Bewegung „Menin elim menin tilim“ (Mein Land, meine Sprache); ein Projekt, an dem ich mich auch beteilige. Ich empfinde es als richtig, Leute kostenlos zu unterrichten. Für jeden gibt es damit die Möglichkeit, Kasachisch zu lernen. Ich finde es gut; wenn ein Land seine Sprache gut kennt, kann es nicht besiegt werden, denn durch die Kenntnis der Sprache sind die Menschen geeint.

Sind die Menschen, die an Ihren Unterrichtsstunden teilnehmen, Staatsbürger Kasachstans, oder eher Ausländer und Flüchtlinge?

Ausländer und Flüchtlinge gibt es auch, aber es ist ein sehr geringer Anteil. Im Durchschnitt kommen 50-60 Menschen in eine Unterrichtsstunde. Unter ihnen sind 30-40 Prozent Kasachen, die ihre Muttersprache nicht kennen oder ihre Kenntnisse verbessern möchten. Der Rest sind Menschen anderer Nationalitäten, die friedlich in unserem Land leben und gerne Kasachisch lernen möchten.

Jedem, der in meinen Unterricht kommt, stelle ich zunächst die Frage: „Wieso bist du hergekommen?“ Denn ich denke, dass es bei diesem Menschen ein Ziel geben sollte: Wozu brauchst du das? Möchtest du es selbst, oder ist das unumgänglich für deine Arbeit? Die meisten antworten, dass sie selbst die Sprache lernen möchten.

Wie kam es dazu, dass in Kasachstan ein nicht kleiner Teil der Menschen seine Landessprache nicht spricht? Worin sehen Sie den Grund dafür? Und wo sehen Sie die kasachische Sprache in den nächsten zehn Jahren?

Früher in der UdSSR war alles auf Russisch; die Verwandten und Großeltern sprachen auf Russisch und die russische Sprache hatte Priorität. Das setzte sich lange Zeit so fort und ist auch heute noch so. In den letzten zwei Jahren jedoch stieg in Kasachstan das Interesse der Menschen an der kasachischen Sprache enorm an. Alle begreifen, dass wir ein großes, unabhängiges Land sind und unsere Sprache festigen müssen. Ich denke, in zehn Jahren wird ein großer Teil der in Kasachstan lebenden Menschen die offizielle Sprache Kasachisch beherrschen. Dies wird zu einer Festigung der interethnischen Beziehungen führen; die kasachische Sprache wird zudem von anderen Ländern geschätzt werden.

Sie haben es wahrscheinlich gemerkt; nachdem die Sowjetunion zerfallen ist und die Staaten sich aufteilten, stellten diese die Forderung, dass jeder seine Landessprache beherrschen muss. In Kasachstan gab es das nicht. Jetzt kommt es allmählich dazu. Ich bin sehr froh darüber.

Kommen wir auf Ihre Unterrichtsstunden zurück. Welche Unterrichtsmethoden wenden Sie an? In einigen Ihrer Videos ist zu sehen wie Sie gemeinsam Volkslieder singen und einen humorvollen Umgang pflegen.

Dadurch, dass ich selbst Kasachisch gelernt habe – also nicht damit aufgewachsen bin – lehre ich mit den Methoden, die auch mir beigebracht wurden. Das Einfachste dabei ist, dass der Mensch mehr sprechen muss, als nur die Grammatik zu lernen. Natürlich geht es ohne Grammatik nicht, aber sie sollte nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen. Wenn wir Lieder singen, nehmen wir die Sprache durch das Hören wahr. Eine Sprache schreiben und lesen, sie durch Hören wahrzunehmen und zu verstehen sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Daher singen wir Volkslieder und lernen die Traditionen und Bräuche des kasachischen Volkes.

Sie sind in der letzten Zeit zu einer bekannten Persönlichkeit in Kasachstan geworden. Planen Sie, Ihren Kasachischunterricht in Zukunft auszubauen?

Ja, natürlich. Ich finde, dass ich aktuell das Leben meiner Träume lebe. Ich empfinde dem kasachischen Volk gegenüber eine große Dankbarkeit und plane, für mein Land einen großen Beitrag zu leisten. Ich habe vor, meine Kurse zu erweitern und zu vergrößern. In Zukunft werde ich bestimmt meine eigene Plattform zum Kasachisch lernen haben. Zurzeit gibt es eigentlich sehr viele wie mich, also Vertreter anderer Nationalitäten die Kasachisch unterrichten. Aber ich finde, dass jeder Mensch individuell ist und seine eigenen Lehrmethoden hat. Es gibt viele Menschen, die beispielsweise meine Lehrmethoden für sich selbst sehr einfach finden. Und daher plane ich auch, meinen Unterricht weiter auszubauen.

Haben Sie irgendwelche Ratschläge an diejenigen, die interessiert daran sind, Kasachisch zu lernen, aber nicht wissen, ob und wie es ihnen gelingt?

Das Allererste ist die Praxis. Das Gehirn eines Menschen ist wie ein Schwamm; ein Schwamm nimmt Wasser in sich auf. Nehmen wir an, das Wasser sind Informationen. Am Ende ist der Schwamm vollgesaugt und kann keine Informationen mehr aufnehmen. Der Mensch weiß dann sehr viel, kann es aber nicht anwenden. Wozu braucht er das dann? Man muss das alles also immer verarbeiten. Zum Beispiel: Du hast heute einen Satz gelernt, geh in den Laden und wende ihn an. Sogar „Salemetsis be!“ (Hallo!). Geh einfach hin und begrüße jemanden. Du musst deine Barriere überwinden und immer weitersprechen. So wird dein Schwamm das Wasser zirkulieren. So wie das Wasser im Schwamm einsickert, so werden sich Informationen auch in unserem Gehirn einspeichern. Das ist der wichtigste Ratschlag.

Und hört auch zu, wie andere reden; jemand hat im Bus etwas gesagt, beispielsweise „Zhol akysy neshe tenge turady?“ (Wie viel Tenge kostet die Fahrt?) Wie habe ich es gelernt? – Ich stand einfach da und habe es wiederholt. Und gerade jetzt, wo die kasachische Sprache sich stetig entwickelt und ständig neue Sätze dazukommen, muss man stets weiterlernen. Man darf nicht auf einer Etappe stehenbleiben. Und das Wichtigste – wahrscheinlich kein Ratschlag, sondern eher eine Lehre – die Sprache und das Volk zu lieben. Wenn du allem mit Liebe begegnest, wird auch alles klappen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Darius Diehl. Übersetzung: Annabel Rosin

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