In Europa ist alles so nah beieinander. Und drum kann man auch fix mal eben sonst wohin fahren; in nur wenigen Stunden hat man mindestens eine Landes- und einige Landschaftsgrenzen überschritten und ist ganz woanders.
Und weil in Deutschland alles nach Plan läuft und man auch alles im Internet nachgucken kann, findet man dort auch sämtliche Verkehrsverbindungen, quasi von der Haustür bis zum Zielort. Und dann kann die Reise losgehen. Einfach so? Nicht ganz so einfach. Denn es braucht ja eine Fahrkarte. Und wenn man die Vorzüge des Planes genießen will, muss man auf mindestens zwei Dinge verzichten: die Spontanität und die Flexibilität. Denn ohne das richtige Ticket darf man heutzutage nirgendwo mehr einsteigen. Selbst die netten und nachsichtigen Schaffner dürfen nun nicht mehr nachlösen. Schluss aus! Das gefällt mir zwar nicht, aber als erfahrene Bahnfahrerin und als gewissenhafte Demokratin kümmere ich mich von nun ab eben vorher. Doch das nützt meist auch nichts, wie zuletzt. Und das war so: Ich wollte in die Eifel, in die Natur. Das macht ca. zwei Stunden Fahrt mit der Bimmelbahn, und schon ist man mittendrin. Ich finde im Internet eine Verbindung direkt von mir bis in den Ort, wo ich hin wollte, obwohl er so klitzeklein ist, und das Ganze ohne einen einzigen Umstieg. Damit ist die Sache geritzt, fand ich. Galt es nur noch, die Frage der Fahrkarte zu klären. Mit meinem Monatsticket kann ich ein gutes Stück des Weges fahren. Achtung, jetzt kommt der Haken: Nur in meinem Tarifgebiet. Was noch nicht der eigentliche Haken ist, sondern die entscheidende Frage lautet: Was passiert, wenn ich mit dem Zug unmerklich mein Tarifgebiet überschreite? Klarer Fall – ab dann fahre ich schwarz. Straftat. Um das zu vermeiden, gibt es schlaue Lösungen. Doch die finde ich nicht auf der Infotafel, dafür aber eine „schlaue Telefonnummer für alle Fragen“. Die rufe ich gleich mal an und schildere mein Problem. „Wo wollen Sie hin? Kyllburg? Wo ist das denn? Kenn ich nicht!“ – So viel Schlauheit, dass alle Damen der Verkehrsverbünde alle Orte in ihren Tarifgebieten kennen, hatte ich auch gar nicht erwartet. Ich hatte vielmehr mit einer schlauen Software gerechnet.
„Mit ihrem Ticket kommen Sie aber nur bis Blankenburg oder so.“ Wenn ich eine Antwort mit dem Restrisiko „oder so“ hätte haben wollen, hätte ich meinen Friseur gefragt. In Deutschland gibt es kein „oder so“, weiß ich als erfahrene Bürgerin. Ich soll zur Deutschen Bahn. Die Stelle ist aber genau nicht da, wo ich wohne. Und da ich ja eigentlich gleich vor der Haustür in den Zug steigen könnte und man ja eigentlich alles am Automaten ziehen kann, weigere ich mich schlicht, zum Hauptbahnhof zu fahren. Bei so viel Sturheit schaltet die schlaue Ansprechpartnerin ihre schlaue Kollegin ein, sie tüfteln nun zu zweit, und die Lösung lautet: Ich brauche ein Bahnticket von Dahlem nach Kyllburg. Gut, aber wo zieh ich das? „An unseren Automaten jedenfalls nicht!“ Und die Automaten der Deutschen Bahn kennen die Damen auch nicht. Ob ich ein Ticket ziehen kann, bleibt ungewiss, weil aber eines gewiss ist, dass man nämlich nicht ohne richtiges Ticket fahren darf, kommt hier der Alternativvorschlag: In Gerolstein aussteigen und dort ein Anschlussticket ziehen. Das Dumme daran ist, gebe ich zu bedenken: Ich habe einen Zug, der nicht nur vor meiner Haustür abfährt, sondern auch noch durchfährt, so dass ich gar nicht umsteigen muss. Nun soll ich in Gerolstein, was 20 Minuten von meinem Zielort entfernt liegt, aussteigen, um ein Ticket zu lösen, um dann zwei Stunden (was eigentlich die gesamte Reisezeit wäre, würde ich im Zug bleiben dürfen) später den restlichen Fitzel meiner Reise zu tätigen?! Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage! Na, dann kann mir die schlaue Telefonnummer auch nicht weiterhelfen. Am Ende helfe ich mir selbst und ziehe nach bestem Wissen und Gewissen irgendein Ticket. Jedenfalls habe ich mich bemüht!
Julia Siebert
24/11/06