Vor 65 Jahren, am 28. August 1941, unterzeichnete das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion einen Erlass, der die Deportation der Deutschstämmigen nach Kasachstan und Sibirien zur Folge hatte. Heute leben von den ehemals eineinhalb Millionen Deutschstämmigen noch 220.000 in Kasachstan.

Das schwärzeste Kapitel in der Geschichte der Deutschstämmigen beginnt in den Kriegsmonaten des Sommers 1941. Im Juni hatte Hitler der Sowjetunion den Krieg erklärt. In dem Ukas 21-160 ordnet das Politbüro der Kommunistischen Partei am 28. August 1941 an, die Russlanddeutschen der Wolgaregion nach Kasachstan und Sibirien zu deportieren. Sie wurden der Kollaboration mit dem Gegner verdächtigt.

Ab diesem Zeitpunkt beginnt das Martyrium der Deutschen im Osten: „Meine Eltern waren damals beide 16 Jahre alt, die Mutter stammte von der Krim, der Vater aus dem Nordkaukasus“, erzählt Alexander Dederer. Er ist Vorsitzender der Assoziation der Deutschen Kasachstans in Almaty. Auf die Reise durfte jeder nur ein kleines Paket mitnehmen. „Die Großeltern haben die Kühe gefüttert und das Meiste zu Hause gelassen, sie dachten, dass sie bald zurückkommen werden“, erinnert sich Dederer an die Erzählungen seiner Vorfahren. Mehr als 800.000 wurden damals deportiert, ein Großteil von ihnen in der kasachischen Steppe angesiedelt.

23 Jahre später, im August 1964, rehabilitierten die Sowjets die deutsche Minderheit, 1966 gründete sich die Minderheitenzeitung „Freundschaft“ in Zelinograd. Eugen Hildebrand war einer der ersten Mitarbeiter des Blattes. „Mein Vater war 1941 denunziert worden und mußte nach einer Hausdurchsuchung ins Gefängnis“, erzählt er.

1979 scheiterte die Idee zur Bildung eines Autonomen Gebiets der Deutschen in Kasachstan. In der Gegend von Zelinograd, der heutigen Hauptstadt Astana, lebte eine große Anzahl Deutschstämmiger. Doch die einheimische kasachische Bevölkerung verhinderte ein eigenständiges Gebiet der Deutschen.

Heute leben noch rund 220.000 Deutschstämmige in Kasachstan, vor allem im Norden des Landes und um Almaty, der ehemaligen Hauptstadt des neuntgrößten Landes der Erde.
Nach der Deportation war für die Meisten der Schrecken jedoch noch nicht zu Ende. Viele Kasachstandeutsche mussten in der Zeit von 1941 bis 1956 Zwangsarbeiten in Arbeitslagern verrichten. „Meine Eltern haben sich im Arbeitslager kennen gelernt“, erzählt Dederer, der dort 1954 geboren wurde. Die Assoziation „Wiedergeburt“ vertritt heute die Interessen der Deutschstämmigen in der ehemaligen Kasachischen Sowjetrepublik.

Ende der 80er Jahre wanderten die meisten Kasachstandeutschen aus Kasachstan nach Deutschland aus, der Großteil von ihnen in den 90er Jahren.

Doch die große Ausreisewelle ist vorrüber: Seit 2005 müssen Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern vor der Einreise Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen, seit Frühjahr 2006 auch Stief- und Schwiegerkinder von Spätaussiedlern. Mit ihrem Beschluß setzten sich die Innenminister gegen den Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, den Parlamentarischen Staatssekretär Christoph Bergner, durch. Er hatte gefordert, die Deutschtests als Einreisevorraussetzung wieder abzuschaffen.

Die Sprachtests haben sich als effektive Zuwanderungsbremse erwiesen: 2005 gingen nur noch 21.306 Aufnahmeanträge Aussiedlungswilliger bei deutschen Behörden ein, etwa 38 Prozent weniger als 2004. Und gerade mal 8.000 Aussiedler verließen die Staaten der GUS im Jahr 2006 gen Deutschland.

Der 24jährige Helmut Tiede und seine Familie gehören zu den Aussiedlern der ersten Generation. Die Tiedes verließen das 300 Kilometer nördlich von Almaty gelegene Taldykorgan in Kasachstan bereits 1988. Der deutsche Student ist für den Sommer in die ehemalige Heimat zurückgekehrt: „Da meine Großeltern so viel von ihren Leiden seit der Deportation erzählt haben, ist es für mich spannend, hier auf Spurensuche zu gehen. Aber noch viel mehr möchte ich wissen, wo meine Eltern aufgewachsen sind“, sagt er. Am Wochenende will Helmut Tiede sein Elternhaus suchen und zurück in das kasachische Dorf fahren, das er als Sechsjähriger verlassen hat.

Von Cornelia Riedel

25/08/06

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