Selbst in Zentralasien hat man schon von der „Gelben Linie“ in Saratow gehört. Die Initiative wird von Freiwilligen mit Unterstützung des Amts für Jugendangelegenheiten durchgeführt und soll die Aufmerksamkeit auf das kulturelle und architektonische Erbe deutscher Volkszugehörigkeit in der Stadt Saratow lenken.

Einer der Autoren der „Gelben Linie“ Anton Bogner ist Absolvent der Staatlichen Technischen Universität Gagarin mit einem Abschluss in Architektur von Wohngebäuden und öffentlichen Gebäuden. Im fünften Jahr seines Studiums verteidigte er ein Projekt zur Entwicklung des Fahrradverkehrs in Saratow. Anton ist der Gründer der Radfahrergemeinschaft und der Gemeinschaft „Urban patrul“, die sich auf Urbanismus und einen ausgewogenen Ansatz für die Stadtentwicklung spezialisiert hat. Das Hauptbetätigungsfeld des jungen Architekten ist die Gestaltung von Gebäuden und öffentlichen Räumen in Verbindung mit dem Verkehr. Außerdem hilft Anton aktiv bei der Restaurierung des alten Kirchengebäudes, das sich in der ehemaligen deutschen Siedlung Marienthal in der Region Saratow befindet.

In diesem Artikel geht es darum, anhand einer touristischen Route über den Beitrag der Deutschen zur Entwicklung von Städten und Dörfern zu sprechen, sie mit hellen und farbenfrohen Sehenswürdigkeiten im Zusammenhang mit deutscher Architektur, Geschichte und Kultur bekannt zu machen, und auch zum Bildungs- und Lernprozess junger Menschen beizutragen.

Herr Bogner, was ist die Gelbe Linie, und wie sind Sie auf die Idee gekommen, diese erstaunliche und ungewöhnliche Route zu schaffen?

Es handelt sich um ein Projekt für eine touristische Route durch das historische Zentrum von Saratow, die von Pylonen der Stadtnavigation begleitet wird, von denen aus es einen Link zur Website gibt. Dort gibt es eine Menge Informationen über die Stadt. Wir haben die Route gemeinsam mit Maria Semjonowa im Jahr 2021 erfunden. Heute ist die Gelbe Linie ein einzigartiges Produkt, das eine Reiseroute, Stadtnavigationspylone, einen dreisprachigen Audioguide, Kurzinformationen über die Stadt und ihre Infrastruktur sowie eine elektronische Architekturbibliothek mit mehr als zweihundert Fassaden des historischen Stadtzentrums und einer ortsgeschichtlichen Beschreibung zu jedem Gebäude umfasst. Gemeinsam mit Alexander Wanin arbeiten wir weiter an der Ergänzung der Website.

Besteht der Wunsch, auch eine mobile App dieser Art auf den Markt zu bringen? Sie würde eine Reihe von Abläufen erheblich vereinfachen, Zeit sparen, indem sie zeigt, wie man am besten eine Reiseroute zusammenstellt, Beschreibungen und Fotos von lokalen Sehenswürdigkeiten enthält und als persönlicher Reiseführer oder Reisebüro fungiert. In Europa gibt es zum Beispiel kaum eine Reise zu Fuß, mit dem Auto oder dem Fahrrad, die nicht mit speziellen mobilen Apps durchgeführt wird.

Da stimme ich zu. In der Tat ist es heute unmöglich, sich das Leben und Wohnen ohne Smartphones und alle Arten von Apps für mobile Geräte vorzustellen. Solche Apps mit Reise- und Besichtigungsrouten sind besonders bei jungen Menschen beliebt. Wir haben Vorschläge für die Entwicklung einer zusätzlichen mobilen Anwendung erhalten, aber dafür sind, das will ich nicht verschweigen, erhebliche Finanzmittel erforderlich. Ein einfacher Zuschuss wird die Entwicklung eines solchen Produkts nicht abdecken. Es ist kein billiges Unterfangen.

Wie sieht das Content Marketing für Ihr Reiseprogramm aus? Was sind seine Ziele und Aufgaben?

Ziel des Projekts ist es, den Einwohnern die Architektur, Kultur, Gastronomie und Besonderheiten der Stadt näher zu bringen. Vom Pylonen aus kann man mit Hilfe eines QR-Codes auf die Website gehen und detaillierte Informationen darüber erfahren. Gleichzeitig kann man darauf selbst anhand von Miniaturfassaden die interessanten Baudenkmäler betrachten. Übrigens ist Saratow berühmt für seine historischen Gebäude – es ist eine einzigartige Stadt in Bezug auf das architektonische Erbe aus der Zeit von Katharina der Großen.

Und die ersten Siedler. Für viele Kasachstandeutsche ist Saratow untrennbar mit der Heimat ihrer Vorfahren – der Wolgaregion – verbunden. Auch meine Wurzeln mütterlicherseits stammen von dort, aus der Region Saratow. Warum wurde diese Stadt für die Route ausgewählt?

Viele unserer Teammitglieder stammen aus Saratow. Ich zum Beispiel habe hier eine Zeit lang gelebt und studiert. Saratow hat mich schon immer interessiert: Zehn Jahre lang habe ich die Verkehrs- und Stadtinfrastruktur untersucht, eine Reihe von Projekten und Entscheidungen zur Modernisierung der Stadt getroffen und zahlreiche Kultur- und Freizeitveranstaltungen organisiert.

Wer ist die Zielgruppe für die Gelbe Linie? An wen richtet sich die Strecke?

Es sind Touristen und Einwohner der Stadt. Die Saratower selbst kennen die Geschichte Saratows nicht sehr gut, deshalb freuen wir uns, sie ihnen näher zu bringen. Und die Touristen, denke ich, werden daran interessiert sein, etwas über den Einfluss der europäischen Kolonisten auf das Leben und die Kultur der Stadt zu erfahren. Saratow ist eine sehr interessante Stadt und auf jeden Fall einen Besuch wert. Die Tatsache, dass Ilf und Petrow ihr Arbatow von dort kopiert haben, ist interessant.

Auf welche Schwierigkeiten stießen Sie bei der Umsetzung Ihrer Idee in die Praxis?
Es gab tatsächlich viele Schwierigkeiten – die Rekrutierung von Freiwilligen, die Analyse aller Punkte und vieles mehr. Ich musste die meisten Prozesse organisieren und dieses komplexe Produkt erstellen, denn fast der gesamte visuelle Inhalt wurde von mir und einigen anderen Personen, die mir halfen, erstellt. Ich habe auch die Karte des historischen Zentrums entworfen.

Ich habe zwei Monate gebraucht, um die Ergonomie der Pylone zu verstehen. Während der einjährigen Arbeit hat sich das Layout mehrmals geändert – ich musste mehr als einmal Tests in der Umgebung mit dem Layout machen. Darüber hinaus wurden die Fassaden gezeichnet. Dabei hatte ich natürlich Hilfe, aber das meiste habe ich allein gezeichnet. Und das werde ich auch weiterhin tun, wenn die Förderung abgeschlossen ist. Wir haben jetzt 200 Fassaden im Bereich Architektur erreicht, und das Projekt umfasst auch andere Bereiche mit visuellen Inhalten über unsere Stadt.

Ich weiß, dass Sie die gelben Markierungen aufgeben mussten. Warum, wenn es kein Geheimnis ist?

Die Markierungen lösten eine große Resonanz in der Bevölkerung aus – die Anwohner wollten nicht, dass Piktogramme auf den Asphalt oder die Fliesen gezeichnet werden, auch nicht in Miniatur. Den vollständigen Bericht können Sie in unserer Gruppe in den sozialen Netzwerken lesen. Es gibt ein Team von etwa hundert Leuten, aber viele der Arbeiten wurden von mir selbst organisiert und durchgeführt. Sergei Solowjow half mir bei der Erstellung der Website. Ursprünglich war Maria Semjonowa für den Inhalt zuständig, aber jetzt kümmere ich mich darum, eine hohe visuelle Qualität zu erreichen.

Welche historischen Informationsmaterialien haben Sie bei der Erstellung der Touristenroute verwendet?

Am Anfang haben wir sie nicht verwendet; der Fokus lag auf Straßen mit schöner, anspruchsvoller Architektur. Später sind wir jedoch weiter gegangen, und ich habe angefangen, neben der Route jene Gebäude zu zeichnen, die eine interessante, ungewöhnliche Gestaltung oder Geschichte haben. Alexander Wanin ist für den gesamten historischen Inhalt verantwortlich. Wir bereiten alles gemeinsam vor: Ich zeichne die Fassaden und bereite den visuellen Inhalt vor, und Alexander schreibt den Text und füllt ihn mit Informationen, wobei er eine von mir entworfene Vorlage verwendet, die das Auffinden von Informationen über das Gebäude erleichtert. Die Stadtverwaltung hat ein großes Problem mit historisch korrektem Material, ebenso wie die offiziellen Vorschriften.

Darüber hinaus nutzen wir eine einzigartige Website, die Anton Heistwert erstellt hat. Sie enthält eine Menge historischer Fotos und Beschreibungen. So können wir das ursprüngliche Aussehen der Stadtfassaden wiederherstellen. Ein Teil der Quellen sind einzigartige Materialien von Alexander Wanin. Er ist Doktorand der Geschichtsabteilung der Staatlichen Tschernyschewski-Universität, spezialisiert auf Architektur und Stadtforschung sowie Lokalgeschichte. Die Idee, alles in Abschnitte zu unterteilen: Architektur, Skulpturen, Höfe, Museen, Märkte usw., kam mir während der Arbeit. So kann man alles, was einen interessiert, in einer Minute finden. Die Website befindet sich noch im Aufbau, aber wir können schon jetzt mit Sicherheit sagen, dass es in der GUS keine ähnlichen Unternehmungen mit solchem Inhalt gibt.

Möchten Sie das Netz der geografischen Punkte auf der Streckenkarte erweitern, um weiter durch Russland und die GUS zu fahren?

Das hängt alles von den kommerziellen Vorschlägen ab. Es ist ein teures Projekt, und ich habe viel Zeit und Geld investiert, um das zu erreichen, was ich erreichen wollte. Ich danke meinen Kollegen und Gleichgesinnten, die mir geholfen haben, solch komplizierte Ideen mit den wenigen Mitteln, die wir hatten, zu verwirklichen. Es sei darauf hingewiesen, dass nicht nur andere russische Städte, sondern auch die GUS-Staaten Interesse an der Einrichtung einer solchen Touristenroute haben. Ich führe zum Beispiel gerade Gespräche mit Schymkent, aber es gibt noch viele Unklarheiten. Alles hängt von den Haushaltsmitteln und der Entscheidung der örtlichen Führung ab.

Marina Angaldt

Übersetzung ins Deutsche: Annabel Rosin

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