Erstmals seit 1992 werden am 11. Februar in Turkmenistan wieder Wahlen stattfinden. Nach dem Tod von Saparmurat Nijasow, besser bekannt unter dem Namen Turkmenbaschi, haben die Turkmenen wieder die Chance, unter mehreren Kandidaten auszuwählen. Doch internationale Organisationen und westliche Parteien sind sich uneins, ob dies wirklich einen Demokratisierungsschub für die zentralasiatische Republik am Kaspischen Meer bringen wird.
Gar nicht überirdisch beendete am 21. Dezember 2006 eine Herzattacke die seit 1992 andauernde Herrschaft des turkmenischen Despoten Saparmurat Nijasow. Sein Ende innerhalb seiner Amtszeit war insofern vorprogrammiert, da der auch unter dem Namen Turkmenbaschi bekannte Präsident seine Macht bis ins Absurde gesteigert hatte und sich über das letzte Referendum im Volksrat, dem höchsten Staatsgremium Turkmenistans, zum Präsidenten auf Lebzeiten ernennen ließ. Nijasow, der 1992 zum Präsidenten Turkmenistans gewählt wurde, hatte bis zuletzt Opposition, Pressefreiheit und Demokratie systematisch ausgehebelt und sich mehrmals abseits der Urnen über Referenden im Volksrat seine Amtszeit verlängern lassen. Seine Isolationspolitik führte letztlich sogar soweit, dass selbst die traditionell engen Beziehungen zwischen der Ex-Sowjetrepublik und Moskau gekappt wurden.
Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit
Ein schlechtes Zeugnis stellt die internationale Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) Turkmenistan in ihrem Jahresbericht aus. In einer Rangliste der Pressefreiheit nimmt Turkmenistan noch hinter Eritrea und knapp vor dem Schluss-licht Nordkorea den 167. und somit vorletzten Platz ein. ROG ortet im Staat am Kaspischen Meer eine systematische Verletzung des Artikels 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der das Recht auf Information und freie Meinungsäußerung garantiert. Da es nur staatliche Medien gebe, existiere Pressefreiheit in Turkmenistan faktisch überhaupt nicht. Journalisten seien psychologischem Druck, Einschüchterungen und Überwachung durch das Regime ausgesetzt, das so versucht, jegliche Kritik zum Verstummen zu bringen. Wer gegen die Richtlinien der Zensur verstößt, riskiert eine langjährige Haftstrafe oder gar sein Leben. Außerdem bekämen ausländische Journalisten, nach Aussagen von ROG, prinzipiell keine Visa.
Mindestens genauso schlecht ist es in Turkmenistan um die Rechtsstaatlichkeit und die Transparenz bestellt. Der Korruptions-Index 2006 der Organisation Transparency International führt Turkmenistan als eines der korruptesten Länder der Welt. Nur an fünftletzter Stelle findet sich Turkmenistan in schlechter Gesellschaft mit Sierra Leone, Pakistan und anderen Ländern wieder.
Schweres Erbe
Um überhaupt Wahlen in der zentralasiatischen Republik ansetzen zu können, war seitens des Volksrats zunächst einmal eine Verfassungsänderung und die Verabschiedung eines Präsidenten-Wahlgesetzes notwendig. Zu Lebzeiten Turkmenbaschis hatte es ein solches nämlich nicht gegeben – genauso wenig wie Präsidentenwahlen. Für die Zulassung zur Wahl muss ein Kandidat von mindestens einem Drittel der über 2.500 Mitglieder des Volksrats mittels Handzeichen bestätigt werden. Zwar ist die Nominierung der zwölf Präsidentschaftskandidaten für die bevorstehenden Wahlen in Turkmenistan schon als ein bisher nicht dagewesener Akt der Demokratie zu werten; westliche Beobachter bleiben jedoch skeptisch, ob sich in der Republik tatsächlich etwas zum Besseren verändern wird.
Ebenso skeptisch zeigte sich die Bevölkerung des Polizeistaats in einer heimlichen Befragung der Menschenrechtorganisation „Eurasian Transition Group“. In der Umfrage, in der mehr als 1.000 Bürger nach ihrer Einstellung zur Wahl befragt wurden, äußerten lediglich 13 Prozent die Erwartung, dass ihre Stimme bei der Wahl tatsächlich gezählt würde. Ebenso wenige glauben, dass sich der aussichtsreichste Kandidat und neue starke Mann, Gurbanguly Berdymuchammedow, auf legale Weise das Amt des Interimspräsidenten gesichert habe. Diesem Misstrauen gingen grobe Verfassungsbrüche der jetzigen Staatsführung voran. Anstatt des Parlamentschefs, der eigentlich für das Amt des Interimspräsidenten vorgesehen gewesen wäre, sicherte sich der Vizepremier Berdymuchammedow den Job. Im Gegenzug wanderte der Parlamentsvorsitzende ins Gefängnis. Außerdem wurde die Regelung, dass der Interimspräsident nicht für das höchste Amt kandidieren darf, ausgehebelt, weil sich Berdymuchammedow unter den zwölf Aspiranten auf das Präsidentenamt wiederfindet und als einziger Kandidat im Volksrat einstimmig bestätigt wurde. Jerkin Tukumow, der Direktor des Zentralasiatischen Fonds zur Entwicklung der Demokratie aus Kasachstan, bezweifelt allerdings, dass dies bereits eine Vorentscheidung zugunsten des jetzigen Interimspräsidenten ist. Im Moment herrsche noch ein gewisser Konsens unter der turkmenischen Elite, was aber nicht bedeute, dass der Machtkampf schon zu Ende sei. „Ich denke, er fängt in diesem Moment erst richtig an“, so der Politologe, der einen der Hintergründe dafür im Personenkult des Turkmenbaschi ortet. Dieser hatte nämlich die dominierenden Stämme des Landes fast völlig von der Führung verdrängt und alle Macht auf seine Person konzentriert.
Die Opposition bittet um Unterstützung
Unter Nijasow nicht geduldet und deshalb weitgehend im Exil lebend, zeigt sich die Opposition nach dem Tod des turkmenischen Despoten trotz aller Misslichkeiten hoffnungsvoll. In ihrer ehemaligen Heimat etwas zu verändern, dürfte allerdings schwierig werden. Zum einen hat die Interimsregierung den im Exil lebenden Politikern die Rückkehr verweigert und zum anderen dürfen nach dem gegenwärtigen Grundgesetz in Turkmenistan nur Personen kandidieren, die in den letzten 15 Jahren in dem Staat am Kaspischen Meer gelebt haben.
Schon unmittelbar nach dem Tod von Präsident Saparmurat Nijasow hatte die turkmenische Opposition an die Weltgemeinschaft appelliert, für demokratische Wahlen in Turkmenistan zu sorgen und sie von internationalen Beobachtern überwachen zu lassen. Die Politiker in der Welt sollten die Forderung nach einer offenen, demokratischen Wahl unterstützen, an der sich die Opposition beteiligen könne, sagte der Führer der turkmenischen Exilopposition, Nurmuhammed Chanamow, bei einer Pressekonferenz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Außerdem verständigte man sich darauf, bei der Wahl gemeinsam anzutreten. Ein Kandidat wurde in Kiew aber noch nicht benannt. Der Oppositionelle Chary Ischanijasow appellierte unterdes in der „Berliner Zeitung” an das Ausland, durch Druck auf die Regierung in Aschgabad den geflohenen Nijasow-Gegnern die Heimkehr zu ermöglichen. „Wenn die ins Exil vertriebene Opposition nicht an diesen Wahlen teilnehmen kann, wird es eine einzige Inszenierung werden.” Ischanijasow hatte Turkmenistan bis 2002 als Diplomat in Deutschland vertreten, dann aber mit Nijasow gebrochen.
Inzwischen konnten sich die Oppositionellen auch auf den Vorsitzenden der Organisation Watan („Heimat“) Chudaiberdy Orasow als gemeinsamen Kandidaten einigen. Orasow bestätigte dies gegenüber Interfax. Er hält sich gegenwärtig in Schweden auf, will aber alsbald in den mittelasiatischen Wüstenstaat zurückkehren.
Wenig Echo aus dem Westen
Während sich die turkmenischen Exilpolitiker zuversichtlich zeigen, doch noch an den Wahlen teilnehmen zu können und den Westen um Unterstützung gebeten haben, setzte die europäische Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) keine Signale, die positiv stimmen. Die Demokratie-Kontrolleure von der OSZE kündigten Anfang Februar an, kein öffentliches Urteil über den Wahlverlauf fällen zu können. Es bleibe zu wenig Zeit, sich ein umfassendes Bild von der Lage zu machen, lautete die Begründung. Damit dürfte eine Hoffnung der Opposition, dass die Präsidentschaftswahl von internationalen Beobachtern überwacht wird, zerstört sein.
Unterstützung widerfuhr den Nijasow-Gegnern vom „Bündnis 90–Die Grünen“. In einem Eilantrag forderten die grünen Vertreter im Bundestag nicht nur die OSZE auf, die Präsidentschaftswahlen zu überwachen, sondern richteten auch einen Aufruf an die Bundesregierung und die westlichen Politiker, einen harten Kurs gegenüber Turkmenistan zu verfolgen. Unter anderem verlangt der Antrag von der Bundesregierung, das Konto einzufrieren, das die turkmenische Regierung nach Recherchen von Nichtregierungsorganisationen bei der Deutschen Bank hält und auf das die Gewinne aus den turkmenischen Gasexporten eingehen. Des Weiteren sind nach dem Wortlaut des Antrags alle Politiker aufgefordert, sich nicht länger gegenüber der turkmenischen Führung anzubiedern, um so an die Bodenschätze des Wüstenstaats zu gelangen.
Interessenskonflikt zwischen Moral und Energie
Wenigstens zwei Politiker haben diese grüne Forderung bereits verletzt. Russlands Ministerpräsident Michail Fradkow und der ukrainische Staatschef Viktor Juschtschenko haben an den Trauerfeiern für Nijasow teilgenommen. Außerdem hat sich der im Westen als Reformer gefeierte Juschtschenko einen weiteren Fauxpas erlaubt, als er im Januar seinen Botschafter in Wien schasste. Dieser hatte, entgegen den Protesten der neuen Machthaber in Aschgabad, turkmenische Oppositionelle zu einer Konferenz nach Kiew eingeladen. Im Interessenkonflikt zwischen Menschenrechten und billigem Gas entschied sich Juschtschenko offenkundig für letzteres. Es bleibt abzuwarten, wie viele seinem Beispiel noch folgen werden. (DAZ/Agenturen)
Von Christoph Salzl
09/02/07