Es waren fast 30 Jahre, in denen Nursultan Nasarbajew Kasachstan regierte. Am 19. März 2019, um 19.00 Uhr gab er überraschend seinen Rücktritt bekannt. Live im Fernsehen unterschrieb er die Rücktrittserklärung. Heute, um 12.00 Uhr hat Qassym-Schomart Toqajew das Amt des Präsidenten übernommen.

Der Schritt Nasarbajews kam für viele überraschend, jedoch nicht gänzlich unerwartet. Seit einiger Zeit wurden in Kasachstan bereits Maßnahmen getroffen, die auf einen Machtwechsel hindeuteten. So wurde Nasarbajew 2010 vom Parlament der Titel „Jelbasy“ („Führer der Nation“) verliehen, mit dem er weiterhin als Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats agieren kann. Dieser wurde im vergangenen Jahr zu einem Verfassungsorgan aufgewertet und koordiniert unter anderem die Arbeit der Geheimdienste. Außerdem bleibt Nasarbajew Vorsitzender der Regierungspartei „Nur Otan“ und Mitglied im Verfassungsrat.

Nasarbajew ist der letzte Machthaber, der noch zu Sowjetzeiten sein Amt übernommen hat – und der erste, der in Zentralasien freiwillig zurücktritt. In den sozialen Medien wurde die Entscheidung heiß diskutiert. Nicht wenige meinen, dass es ein schlauer Schritt ist – vor allem, wenn man sich die Nachbarstaaten anschaut.

In seiner Fernsehansprache am Montagabend erinnerte er an die schwierigen Zeiten nach dem Zerfall der Sowjetunion und an die Entwicklung, die Kasachstan seitdem durchlaufen hat. Tatsächlich steht das Land im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten relativ gut da. Größere interethnische Auseinandersetzungen blieben Kasachstan erspart. Doch trotzdem brodelt es seit einiger Zeit in der Gesellschaft. Die Unzufriedenheit wuchs angesichts stagnierender Einkommen, steigenden Lebenshaltungskosten und grassierender Korruption.

Nach dem Mord an Denis Ten im vergangenen Jahr sorgte Anfang Februar ein Feuer in Astana, bei dem fünf Mädchen im Alter zwischen drei Monaten und 13 Jahren ums Leben kamen, für Proteste gegen die Regierung. Infolgedessen hatte sich Nasarbajew dazu gezwungen gesehen, die Regierung zu entlassen, da sie seiner Meinung nach nicht genug für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung getan hatte.

Nasarbajews Nachfolger – vorerst als Interimspräsident – ist der bisherige Senatssprecher Qassym-Schomart Toqajew. Der 65-Jährige gehört schon lange zum politischen Establishments Kasachstans, war Außenminister und Premierminister. Außerdem spricht er fließend Englisch und Chinesisch. „Ich glaube, dass Toqajew die Person ist, der wir die Regierung Kasachstans anvertrauen können“, sagte Nasarbajew während seiner Ansprache.

Toqajews erste Worte in seinem neuen Amt waren ein Dank an seinen Vorgänger. „Kasachstan verdankt all seine Leistungen, Erfolge und vor allem seine heilige Unabhängigkeit dem Ersten Präsidenten.“ Dementsprechend schlug er vor, Astana, was im Kasachischen einfach nur „Hauptstadt“ bedeutet, in „Nursultan“ umzubenennen.

Nursultan Nasarbajew war 1989 zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik ernannt und 1990 zu deren Präsidenten gewählt worden. Nach der Unabhängigkeit 1991 wurde er im Amt bestätigt. Seine Entscheidung zurückzutreten, zeugt davon, dass er den Machtwechsel in Kasachstan selbst begleiten will.

Toqajew bleibt vorerst so lange im Amt, bis es zu Wahlen kommt. Wann genau, die Kasachstaner für einen neuen Präsidenten stimmen können, wurde bisher nicht bekannt gegeben. Ursprünglich waren die nächsten Präsidentschaftswahlen für Dezember 2020 vorgesehen. Doch so lange werden die Machthaber wohl kaum warten können. Vorerst scheint etwas Druck von dem brodelnden Kessel genommen worden zu sein, doch das kann sich schnell wieder ändern.

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