Die Berge sind schön und gefährlich. Wie schön und gefährlich, zeigen auch die zahllosen Bergfilme, die ohne Leiden und Tod nicht auskommen. In Wirklichkeit aber sterben Bergsteiger in den Bergen nicht so zwangsläufig wie auf der Leinwand. Im ersten Teil unserer neuen Serie widmet sich unser Autor Anton Turovinin der Geschichte des Bergsteigens, geprägt von der Diskussion zwischen „Traditionalisten“ und „Sportlern“.

Wir beginnen unsere Geschichte mit dem Goldenen Zeitalter des Alpinismus. Dieses dauerte elf Jahre, von 1854 bis 1865. Äußerlich ist diese Periode durch die Besteigung aller bedeutenden Gipfel in den Alpen und durch die Gründung erster Bergsteigervereine in England, Österreich, der Schweiz und Italien gekennzeichnet. Wichtiger ist aber, dass Bergsteigen als solches seinen eigenen Wert bekommen hat. Davor bestiegen Menschen Berggipfel, um irgendwelche wissenschaftlichen, landwirtschaftlichen oder militärischen Aufgaben zu erfüllen.

Das Goldene Zeitalter des Alpinismus

Selbst am Anfang des Goldenen Zeitalters schleppten die Besteiger wissenschaftliche Geräte mit sich. In kurzer Zeit wurden die Akzente aber verschoben. So endete das Goldene Zeitalter mit der Erstbesteigung des Matterhorns, wobei die britische und die italienische Seilschaft, die den Berg gleichzeitig stürmten, nur ein Ziel hatten – nämlich den Gipfel als Erste zu erreichen. Im Goldenen Zeitalter des Alpinismus herrschten die Briten auf den alpinen Gipfeln und dienten allen anderen als Beispiel. Der rastlose britische Entdeckungsgeist stürzte sich nach dem Abschluss der Weltexpansion in voller Wucht auf neue Herausforderungen, die er diesmal in den Höhen fand.

Etwas später wurden der Deutsche Alpenverein (1869) und der Französische Alpenverein (1874) gegründet. Eine der wichtigsten Aufgaben der kontinentalen Alpenvereine war das Erschließen der Alpen für den Tourismus durch den Bau von Hütten und Bergwegen, die Veröffentlichung von Büchern und Karten. Wer hätte damals geahnt, dass der Schutz der Alpen gerade vor ihrer Übererschließung im 20. Jahrhundert zu einer noch wichtigeren Aufgabe werden würde?

Die ersten Bergführer und Bergführervereine

Wer waren eigentlich diese Leute, die sich damals in den Alpen bewegten? Schon vor dem Goldenen Zeitalter kamen wohlhabende Industrielle, Gelehrte, Geistliche und Adelige, um die Natur der Alpen zu genießen. Zu ihren Diensten wurden Bergführer aus der lokalen Bevölkerung eingestellt. Diese waren einfache Bergbauern, Hirten, Jäger, die sich in der Gegend gut auskannten, und die in der Sommerzeit durch die Tourbegleitungen ein sattes Nebeneinkommen hatten. Sie trugen auch das Gepäck und kochten für ihre Gäste.

Da die Routen nicht sehr kompliziert waren, brauchten die ersten Bergführer keine besonderen Voraussetzungen. Die wachsende Nachfrage nach Bergführern, deren Qualifikation nicht immer genügend war, führte zur Entstehung von Bergführervereinen, die die Qualifikationsanforderungen an Bergführer, die einheitlichen Normen für die Erbringung ihrer Dienstleistungen und deren Preise regelten. Der erste Verein „Compagnie des Guides de Chamonix“ wurde bereits 1821 gegründet. Heutzutage ist ein „Staatlich Geprüfter Berg- und Skiführer“ ein hochqualifizierter und sehr gut bezahlter Job.

„Traditionalisten“ gegen „Sportler“

Die Geschichte des Bergsteigens wurde immer auch von der Diskussion zwischen „Traditionalisten“ und „Sportlern“ begleitet. In den 60-70er Jahren war das Yosemite Valley in Kalifornien das Epizentrum des Kletterns, das mit Sex, Drogen und Rock-n-Roll zum Lebensstil der da verweilenden hippieähnlichen „Dirtbags“ wurde. Von dort verbreitete sich diese Art des Kletterns nach Europa, wo es sich vom „zweifelhaften Lebensstil“ zum konventionellen Sport wandelte.

Da die gegenseitige Ablehnung zwischen traditionalistischen Alpenvereinen und Sportkletterern zu heftig war, entwickelte sich Sportklettern erst unabhängig. Dabei verbreitete es sich aber so rasant, dass die Leitung des Deutschen Alpenvereins (DAV) sich diese sprudelnde Klientelquelle nicht mehr entgehen lassen wollte. Sie übernahm daher das Sportklettern. Kurz danach, 1995, trat der DAV dem Deutschen Sportbund (DSB) bei, wurde damit in die deutsche Leistungssportlandschaft integriert und passte sich an die Strukturen des DSB an.

Die „Traditionalisten“ sind aber nicht ausgestorben, konnten sogar einen Gegenzug führen. 2019 wurde der Alpinismus mit einer Definition in absolut traditionalistischem Sinne in die „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ der UNESCO aufgenommen. Durch Merkmale wie die Überwindung natürlicher, nicht künstlicher Hindernisse, Wissen über die Hochgebirgsumgebung, spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten, die Risikoabschätzung, den „Geist der Seilschaft“ usw. entspricht dieser Alpinismus den Vorstellungen des breiten Publikums aus Kunstwerken, Büchern, Filmen, Bildern, und grenzt sich vom geführten Bergsteigen und von den zahlreichen Disziplinen ab, die sich aus spezifischen Übungen für Bergsteiger entwickelt haben, wie z. B. verschiedene Arten des Kletterns, Skyrunning oder Skitouren. Die Diskussion, oder der Glaubenskrieg, läuft also weiter.

Die Alplager in der Sowjetunion

In der Sowjetunion entstand Bergsteigen in den 20er Jahren mit staatlicher Unterstützung als angewandter Breitensport. Seit den 30er Jahren wurde das Bergsteigen in die Leistungssportorganisation eingegliedert. Wettbewerbe in der Disziplin Sportklettern fanden seit dem Ende der 40er Jahre statt. Noch heute führt die Russische Bergsteigerföderation Wettbewerbe in 16 Disziplinen durch. Neben den organisatorischen Formen, wie z. B. den Sektionen, die es auch in allen anderen Sportarten als Primärzellen gab, hielt damals beim Bergsteigen die Sonderform „Alplager“ Einzug, wo die Bergsteiger leben und trainieren konnten.

Alplager waren nur für Sektionsmitglieder zugänglich. Zum Bergsteigen konnte man nur über eine Sektion kommen. Bergführer gab es damals nicht. Die Bergsteiger hatten ein festgelegtes Programm, das sie zu vorbestimmten Zielen führte. Das System ließ nicht viel Platz für Freiheit, hat sich jedoch als so effektiv erwiesen, dass es in den Ländern des postsowjetischen Raums wiederbelebt wurde. Mit einer wesentlichen Neuerung: Der Staat finanziert das Bergsteigen nicht mehr. Dadurch schrumpfte die Zahl der Bergsteiger drastisch. Real funktionierende Bergsteigerföderationen gibt es heute nur noch in Russland, der Ukraine und in Kasachstan.

>> Fortsetzung folgt. Lesen Sie in der kommenden Ausgabe, was heute vom sowjetischen Erbe geblieben ist und wie die alpinistische Ausbildung in den Alplagern von Kasachstan und Kirgisistan abläuft.

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