Es gibt sie noch: Urwildpferde in Kasachstan. Dabei stammen sie nicht aus der Region, sondern aus dem Münchner Zoo Hellabrunn. Im Juli 2003 brachte der Zoo acht Pferde nach Kasachstan und 2008 sechs weitere, um sie im Nationalpark Altyn Emel anzusiedeln. Was ist aus ihnen geworden?

Urwildpferde, auch Przewalski-Pferde genannt, unterscheiden sich genetisch vom Hauspferd. Das Urwildpferd ist stämmiger und kleiner. Seine Mähne ist dichter. In den 1960er Jahren galten sie als „ausgestorben“, auch in Kasachstan, wo sie früher verbreitet vorkamen. In Zoos haben sie überlebt. Heute gehören sie zu den bedrohten Pferdearten. Zahlreiche Initiativen bemühen sich, die Pferde wieder in der freien Wildbahn anzusiedeln.

Eine dieser Initiativen riefen der Münchner Zoo Hellabrunn in Kooperation mit dem Zoo Almaty ins Leben. Sie wählten den Nationalpark Altyn Emel als Zielgebiet für das Wiederansiedlungsprojekt aus. Die Voraussetzungen schienen gut: das Gebiet ist als Nationalpark ein geschütztes. Inspektoren kontrollieren es regelmäßig. Die Geographie ist abwechslungsreich, des Weiteren ist dieser Park von zwei Seiten durch Berge und einen Fluss begrenzt, so haben Wilderer praktische keine Chance.

Es wurden dort auch bereits erfolgreich seltene Tiertarten angesiedelt, so der asiatische Esel von einer Aralsee-Insel, der aufgrund seiner Ähnlichkeit zum Pferd oft als Halbesel bezeichnet wird. Die Halbesel galten ebenfalls als ausgestorben. 32 Stuten und vier Hengste wurden damals in Altyn Emel wieder angesiedelt. Heute leben über 2000 Halbesel im Park.

Das Projekt mit den Przewalski-Pferden war weniger erfolgreich. Rustam Chabibrachmanow, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Nationalpark Altyn Emel, hat die Pferde lange Zeit betreut. Er ist mit der Zusammenarbeit mit den Deutschen unzufrieden: „Man hat uns die Pferde gebracht und dem Park viel Erfolg gewünscht“. Dabei habe es zu dem Zeitpunkt kaum Spezialisten für die seltene Pferdeart in Kasachstan gegeben. Das Projekt war ein Experiment: Die Pferde hatten ihr Leben lang im Münchner Zoo gelebt. Als Zootiere mussten sie sich erst einmal an die kasachische Sonne gewöhnen, auch an das Gras oder gar die Wölfe. Sie mussten an alles herangeführt werden – selbständiges Essen sowie Herdenverhalten. Ein Leittier musste sich ebenfalls herausbilden. Des Weiteren zeigten die jungen Pferde zu Beginn noch kein Herdenverhalten. Für das Überleben in freier Wildbahn ist dies jedoch unersetzlich. Aufgrund verschiedener widriger Bedingungen als auch fehlender wissenschaftlicher Erfahrungen mit dieser Pferderasse im Nationalpark sind einige der Tiere leider den neuen Umständen erlegen. Trotz langsamer Vermehrung ist das Überleben der kleinen Herden in Gefahr.

Nach Chabibrachmanow hätte man demnach von allen vertraglich beteiligten Seiten regelmäßige Kontrollen und Absprachen gebraucht, um vielen Problemen vorbeugen zu können. Diese Bemühungen hatte man vor allem von Deutschland erwartet, da die Pferde bis vor einiger Zeit als Eigentum des Münchener Zoos galten.

Immer wieder hat der Nationalpark Altyn Emel mehr Wildpferde angefragt, im Besonderen Stuten, um die Reproduktion anzukurbeln. Um eine (selbstständig existierende) Populationsbildung zu gewährleisten benötigt man eine höhere Anzahl an Tieren. Nur dann gibt es ausreichend Möglichkeiten zur Paarbildung und infolgedessen, geht die Vermehrung voran. Statt weiterer Tiere sandte der Münchner Zoo zunächst deutsche Spezialisten. „Sie befanden, das Gebiet des Nationalparks sei zu klein für eine stabile Population, und die Pferde seien mit Brucellose infiziert. Letzteres stimmte jedoch nicht, wie die Analyse unseres Arztes aus Almaty später befand“, argumentiert Chabibrachmanow. Das Gerücht verbreite sich nichtsdestotrotz. Es kamen keine neuen Urwildpferde mehr nach Altyn Emel.

Die kasachischen Wissenschaftler sind sich einig, dass der Park nach wie vor ein geeigneter Standort für die Initiative ist. Doch das Projekt mit den Wildpferden in Altyn Emel hat wenig Perspektiven. Investitionen aus Deutschland haben ihr Interesse bereits auf ein neues Gebiet gelenkt: Altyn Dala. Im Büro von Chabibrachmanow steht eine Spendenbox für die Urwildpferde in Altyn Emel. Er schreibt weiterhin Briefe, sucht den Dialog mit den Zoos, die neue Pferde senden könnten. Vor kurzem hat sich auch der WWF (Worldwide Fund for Nature) für das Projekt interessiert und Hilfe angeboten.

Für Chabibrachmanow ist das Projekt auch eine Herzenssache. Als die Tiere in Altyn Emel ankamen, verbrachte er jeden Tag mit ihnen. Er ging schlafen, wann die Tiere schlafen gingen. Chabibrachmanow nimmt ein Foto von der Wand. Es zeigt, wie Chianti mit ihrem Kopf auf dem Rücken Balus schläft. Balu war der Liebling von allen – auch der von Chabibrachmanow. Der Grund: Wie Balu aus dem Dschungelbuch hatte er ein ruhiges und liebenswürdiges Gemüt. Der Urwildhengst Balu ist bereits gestorben.

Insgesamt hat der Park momentan noch zehn Pferde, die Hälfte sind Jungtiere. Man hofft weiterhin auf Neuzugang und verhandelt allen Schwierigkeiten zum Trotz nach allen Seiten. Den Traum von der Reintroduktion der Przewalski-Pferde auf kasachischem Boden will der Park und Rustam Chabibrachmanow noch nicht aufgeben. Bedenklich bleibt: die wenigen Nachkommen sind alle männlich.

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