In vielen Dingen ist das Leben in Kasachstan und Deutschland sehr verschieden. Der DAZ-Deutschland-Knigge greift ab sofort in unregelmäßiger Folge die kleinen Herausforderungen des Lebens zwischen hier und dort auf.

„Die Mülltonnen rechtzeitig rausstellen, der Müllplan hängt an der Glasscheibe“, hatte mir meine Vermieterin auf einen Zettel geschrieben, bevor sie mir ihre Wohnung zur Untermiete überließ. Ein Müllplan. Und das nach zwei Jahren Russland und zwei Jahren Kasachstan – nach einer langen Zeit, in der mir mein Müll einfach ganz egal sein durfte.

Ich war ja schon ungemein stolz, wenn ich ihn nicht einfach vor dem Haus abgestellt oder irgendwo neben anderen Bergen von Unrat platziert hatte! Nun stand ich vor der Herausforderung, all dem, was ich eigentlich nur so schnell wie möglich loswerden wollte, noch einmal richtig viel Aufmerksamkeit schenken zu müssen. Ich sollte meinen Müll GEPLANT entsorgen, anstelle ihn einfach wegzuwerfen. „Müll trennen“ nennen die Deutschen das.

Bananenschalen, Joghurtbecher, abgebrühte Teebeutel und gebrauchte Plastiktüten müssen seitdem durchs Riedelsche dreigliedrige Raster im Kopf: Gelber Sack, Grüne Tonne oder Graue Restmülltonne? Das sind jetzt meine Müllkategorien. Denn das Weggeworfene soll noch mal benutzt werden. Man trennt den Abfall nach Sorten, um die Materialien für neue Produkte aufzubereiten und wiederverwerten zu können.

„Alles Quatsch, das schmeißen die sowieso zusammen und verbrennen es, Du brauchst nicht trennen“, sagt mein Vater, als ich ihn um Rat frage. Doch ich will vorbildlich sein und schaue mir meine Abfälle genauer an: Einziger Helfer in der Abfallnot – mein Müllplan – ein Jahreskalender mit lustigen kleinen aufgedruckten Mülltonnen und Müllsäcken. Alle Verpackungen aus Kunststoff, Metall und Verbundmaterial soll ich in den Gelben Sack werfen, alle Abfälle aus Papier und Pappe in die Grüne Tonne. Was übrig ist, kommt zum Restmüll. Zeitungen, Kassenzettel und alter Notizblock – kein Problem, ab damit in die Grüne Tonne. Auch die Folienverpackung der Supermarkt-Tomaten und der leere Milch-Tetrapack verschwinden schwuppdiwupp im Gelben Sack. Doch was ist mit der Verpackung meiner neuen Fahrradbeleuchtung, die aus durchsichtigem Plastik besteht, das an einer Pappe irgendwie extrem festgemacht ist und sich partout nicht voneinander lösen lässt? Wohin mit dem Käsepapier, welches mit so einer dicken Folie beschichtet ist, dass ich es nicht mal auseinander reißen kann, geschweige denn trennen? „Verbundmaterial“ heißt das Zauberwort, das ich in meinem Abfallkalender finde. So heißen nämlich die Verpackungen, die aus mehreren Materialien bestehen.

Nach ein paar Wochen läuft das Ordnen im Kopf schon wie geschmiert und all das Ungewollte landet wohlsortiert in einem meiner drei (!) Mülleimer zu Hause – die Abfallbehälter im Bad und unterm Schreibtisch nicht mitgerechnet. Und auch all die Glasflaschen und Gläser, die ich noch in Extra-Behälter um die Ecke tragen muss, erwähne ich nur am Rande. Bis hierher klappt mein neues Müllsystem also. Nur habe ich die Müllrechnung ohne meine Mitmieter im Haus gemacht: Die scheinen den Müll zwar korrekt zu trennen und füllen bergeweise schwere Zeitschriften just am Vorabend des grünen Tönnchens auf dem Kalender in die Papiertonne. Doch ansonsten scheint das Prinzip „Kasachstan“ zu regieren: Müll aus der Wohnung – aus den Augen, aus dem Sinn: Ist der Abfall erstmal in der Tonne, ist er schnurzpiepegal. Denn wenn laut Abfallplan Grüne-Tonne- oder Gelber-Sack-Tag ist, werden die Abfälle abgeholt und Tonnen oder Säcke müssen eigentlich vors Haus gestellt werden. Also hieve ich schon seit Wochen abends die Tonne vom Hinterhof durch den Hausflur ein Treppchen rauf und wieder runter vors Haus auf die Straße und räume sie abends wieder dahin zurück. Als ich nach Hause komme, hat sich offensichtlich wenigstens dieses Mal einer meiner Mitmieter darauf besonnen, dass wir in Deutschland sind: Die luftig-leichte leere Grüne Tonne steht bereits wieder an ihrem Platz im Hinterhof.

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Von Cornelia Riedel

30/11/07

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