Wenn man als Frolleinchen handwerkelt, werdens die Herren nicht müd, ihre lang angesammelten Erfahrungen und Kenntnisse der Handwerkskunst zu verraten. Das ist toll, und ich sauge die überlebenswichtigen Hinweise in väterlicher Fürsorge auf wie ein Schwamm. Das Problem ist nur: Je mehr man hört, desto weniger weiß man.
Bei den Grundlagen war noch alles eindeutig. Man muss sich schützen und stets Obacht geben. Immer die Schutzhelme und Schutzbrillen aufsetzen, am besten noch Schutzhandschuhe, Schutzschuhe und Schnittschutzhosen anziehen. Allein, es gibt diese nie in Fräuleingröße, drum schlackert alles, drum geht es eigentlich nicht mehr sicher zu, da man die großen, schnellen, gefährlichen Geräte in fester Hand halten soll. Und sowieso muss man die Werkzeuge, insbesondere die Flex und Kettensäge, mit dem gehörigen Respekt behandeln, sich aufs Ziel konzentrieren und nicht ablenken lassen. Alles klar.
Mit welchen Werkzeugen man welche Materialien bearbeiten kann und soll, ist auch relativ unstrittig. Doch so langsam verlasse ich das oberflächliche Gefummel, um mich ins tiefgründige Handwerk zu begeben. Wie damals in der Fahrschule, als ich zunächst auf dem Verkehrsübungsplatz zögerlich die Karre in Bewegung setzen lernte und bereits bei 30km/h begeistert war ob der rasanten Geschwindigkeit, uuuuh, was für ein Sauseschritt! Juhu, ich fahre! Doch dann kam der echte, reale Verkehr und die Landstraße und die Autobahn. Oh je! Ähnlich ist es heute. Nach dem ersten „Juhu, eine Schweißnaht!“, die zwar etwas krumm und spratzig war, aber bei geringem Gewicht hielt, geht’s jetzt auf die öffentliche Straße mit Gegenverkehr und höheren Geschwindigkeitsklassen.
Die Schweißnähte sollen nicht nur irgendwie ein wenig halten, sondern schön aussehen und bombenfest sein. Dies erweist sich als eine komplexe Wissenschaft, und wie in allen Wissenschaften scheiden sich auch hier die Geister. In meinem Umfeld enttarne ich täglich mehr redliche Gesellen, die das Schweißhandwerk beherrschen. Und jeder hat seine eigene Meinung, wie die Schweißnaht gesetzt werden muss. Das ist schon richtig so, denn man soll ja immer und überall die eigene Handschrift entwickeln, seinen eigenen Weg finden und sich eine eigene Meinung bilden. Das werde auch ich tun, und eines Tages wird meine Nachwelt meine unverwechselbaren Schweißerzeugnisse bewundern, „Siehst du diese elegante bogenförmige Endung, eine echte Siebert!“
Doch bis dahin ist es ein noch langer, langer Weg, auf dem ich brav tun muss, was die Meister sagen, denn ohne handwerksfeste Grundlage keine kreative Kunst, ohne Kuchenkunde keine Tortenakrobatik usw. Um mich aber nicht völlig im Schweißschulvielerlei zu verheddern, suche ich mir zunächst einen Guru unter den selbsternannten Schweißlehrern. Und habe schon einen gefunden. Den Hans nämlich.
Ich bin eh tief beeindruckt, was der Hans alles hat und kann. Und der Hans hat nicht nur alle Werkzeuge, die man eh ständig braucht, sondern noch alle möglichen großen und kleinen Präzisionswerkzeuge für die speziellen Zwecke. Da auch die Jury meines Vertrauens, bestehend aus Helmut und Moni, auf den Hans schwört, hänge ich mich nun an Hansens Rockzipfel und lasse diesen nicht mehr los, bis dass ich die hohe Kunst des Schweißens beherrsche. Und wenn ich alles das kann, was der Hans kann, dann setze ich meine eigenen Markenzeichen – was realistischerweise erst in einigen Jahrzehnten der Fall sein wird. Aber besser spät als nie. Hauptsache im Bastelkurs meines künftigen Seniorenheimes gibt es eine AG Schweißen. Dann zeige ich den anderen Omis eine Schweißnaht, die sich gewaschen hat.