Kobys und Dombra – Teile der Kultur Kasachstans. Zu bewundern sind sie im Museum der Volksmusikinstrumente in Almaty. Hier erfährt der Besucher einiges über die Traditionen und die Geschichte des Landes. Doch sowohl dem Museum als auch seinen Mitarbeitern ist es schon besser gegangen.
/Foto: Rafael Wiedenmaier und Tanja Schrade/
Das kleine Gebäude am Rande des Parks der Panfilow-Soldaten, wirkt fast etwas verloren zwischen den Betonklötzen, die sich an der anderen Straßenseite aneinanderreihen. Ein Turm ziert das Dach des Holzhauses, das noch aus der Zarenzeit stammt. Doch schon im Foyer des Museums der Volksmusikinstrumente sieht es weniger russisch als vielmehr orientalisch aus.
„Im Süden, entlang der Seidenstraße, ist die Zahl der traditionellen Volksmusikinstrumente größer, da die Region stärker vom Einfluss anderer Kulturen geprägt ist als der Norden“, erklärt Karlygasch Isanowa. Die neunundvierzigjährige, zierliche Frau dreht sich in einem dunkelgrünen Daunenmantel und einer weißen Wollmütze zu einer Wandkarte Kasachstans. Ihr Zeigefinger zieht die kasachische Südgrenze nach, wo etwa 15 traditionelle Musikinstrumente in einer Reihe auf die Karte geklebt sind.
In einem halbdunklen Ausstellungsraum, zwischen Flöten, Rasseln und Trommeln beginnt Karlygasch ihren Text runterzuspulen: „Die Mitarbeiter haben die traditionellen Instrumente aus ganz Kasachstan zusammengetragen.“ Doch nicht alle der Exponate im Museum seien Originale, so zum Beispiel die große „Dabyly“ in der Mitte des Raumes.
Das Original befindet sich in einem Museum in Sankt-Petersburg. Diese Trommel hat einen Durchmesser von einem Meter und stammt aus dem 16. Jahrhundert. Bezogen ist sie mit robustem Kamelleder. Sie wurde geschlagen, um in Schlachten das Signal zu einem Angriff zu geben.
Die Musik der Schamanen
Schnellen Schrittes geht Isanowa zu den Streichinstrumenten. In Vitrinen, die mit vergilbtem weißem Stoff ausgekleidet sind, werden die„Kobyse“ präsentiert. Auf ihnen spielten früher ausschließlich die Schamanen. In Kasachstan galten diese als Heiler, Hellseher, Berater und Musiker in einer Person. Laut einer alten Legende können die Klänge des Kobys Krankheiten, Dämonen und sogar den Tod vertreiben. Auf dem Streichinstrument sind zwei dicke Saiten gespannt, die aus miteinander verzwirbelten Pferdehaaren bestehen. Gefertigt wird das Instrument aus einem einzigen Stück Holz – meist aus Birke, Kiefer oder Wacholder. Der Bogen ist ebenfalls mit Pferdehaar bespannt. „Reiben Saiten und Bogen beim Spielen aneinander, entsteht der Klang einer galoppierenden Pferdeherde in der Steppe“, erklärt Isanowa. „Zusätzlich schmückten die Schamanen den Kobys noch mit Metallplättchen, Perlen oder Spiegeln. Diese sorgten für Nebengeräusche, die den Klang des Instruments noch erweitert haben. Manchmal sind auch menschliche Stimmen herauszuhören“, sagt Isanowa. Sie arbeitet seit der Gründung im Jahre 1981 im Museum. Isanowa zieht sich die Jacke zu, verschränkt die Arme vor ihrem Rumpf und geht eilig zu den Vitrinen weiter, in denen die „Dombras“ ausgestellt sind. Diese erinnern an Gitarren, doch ihr Resonanzkörper ist kleiner – vor allem im Verhältnis zu ihrem etwa 60 bis 70 Zentimeter langen Hals. Traditionell hätten die Spieler die Stücke abwechselnd mit der linken oder rechten Hand gespielt, doch dies ist nicht mehr verbreitet, stattdessen spannten die Musiker heutzutage die Saiten je nach Tonlage um, sagt die ausgebildete Musikerin. Im Stehen verschränkt Isanowa die Beine, geht leicht in die Knie und ahmt mit ihren Händen das Dombraspiel nach. Doch vorspielen will sie nicht – weder auf der Dombra noch auf einem anderen Instrument.
Musik reicht nicht zum Überleben
Dann führt Isanowa in den mit Holz ausgekleideten Konzertsaal des Museums. Das Licht funktioniert nicht. Nur die Strahlen, die vom Eingangsbereich durch die geöffnete Tür des Saals fallen, zeigen die Silhouette der mit hellbraunem Stoff bezogenen Sitze. Im hinteren Teil der runden Bühne steht ein schwarzes Klavier. „Früher fanden hier regelmäßig Konzerte statt. Die Mitarbeiter hatten eine eigene kleine Musikgruppe, doch das ist schon lange her“, sagt Isanowa zögerlich. Überhaupt lohne sich das Museum kaum, murmelt die Musikerin. Im Jahr kommen etwa 6000 Besucher, davon sind die meisten Schulklassen oder Studenten sowie ausländische Touristen.
Die Einheimischen würden sich jedoch kaum für das Museum und seine kasachischen Instrumente interessieren. Leben kann Karlygasch von den 25.000 Tenge, die sie im Museum verdient, nicht. Hätte die vierköpfige Familie nicht noch das Einkommen ihres Mannes, dann sähe es schlecht aus.
Deshalb ist sie ganz froh darüber, dass weder ihr Sohn noch ihre Tochter ein Instrument spielen, obwohl in Isanowa Wohnzimmer ein Klavier steht. „Ich habe ihnen das Spielen regelrecht verboten, denn Musik ist eine brotlose Kunst.“
Von Tanja Schrade
08/02/08