Viele Städte leiden schon seit langem unter dem überbordenden Individualverkehr. Almaty ist da keine Ausnahme, obwohl hier erst relativ spät, etwa ab 2002, die systematische Verstopfung der Straßen begann. Mit den überfüllten Straßen müssen zuerst einmal die Autofahrer selbst fertig werden, obwohl natürlich auch die Benutzer der öffentlichen überirdischen Verkehrsmittel unfreiwillig mit Mit-Leidtragende sein müssen.

Alle Bewohner der Stadt, egal in welchem Maße sie am Auto hängen, haben jedoch unter der schlechten Luft zu leiden, die „sehr schön“ von den Bergen aus zu beobachten ist. Auch wenn man meint, dass in der Stadt der schönste Sonnenschein sei, befinden sich die Bewohner Almatys in einer der intensivsten Dunstglocken der Welt. Nach wie vor gehört die Stadt zu den Großstädten mit der höchsten Luftverschmutzung, nach wie vor sind daran zu etwa 80 Prozent die Privatautos schuld, nach wie vor wird über das Problem auch auf politischer Ebene diskutiert, nach wie vor tut sich jedoch praktisch noch sehr wenig zur Veränderung der Lage.

Das soll nun anders werden, zumindest wenn man dem gerade neu verkündeten Programm der Luftreinhaltung der Stadtregierung glauben will. Zwar wird dieses Programm so dargestellt, als ob es eine neue Erfindung wäre, Vergleichbares wurde jedoch schon vor etwa zehn Jahren ins Leben gerufen mit dem durchschlagenden Erfolg, dass sich nichts geändert hat. Das soll nun endlich anders werden, und erste Schritte sind ja auch schon getan. Immerhin 200 Busse fahren seit zwei Jahren mit Gasantrieben, zwar ziemlich laut, aber abgasärmer durch die Stadt. Doch was sind 200 Busse gegen 350.000 Pkw? Zwar mehr als Null, aber auch nicht gerade wesentlich mehr als Nichts. Allein auf der Hauptmagistrale – der Al-Farabi – verkehren täglich fast 200.000 PKW, eine Menge, die noch vor fünf Jahren niemand vorausgesagt hat. Eine der Ursachen ist die stadtplanerisch nicht optimale Aufteilung der Stadt in viele Schlafbezirke und das ferne Zentrum, wo das eigentliche Leben ist. Neben anderen Negativeffekten erschwert dieser Autostrom auch die Instandsetzung der überbeanspruchten Straßen. Im vergangenen Jahr wurden immerhin 55 Milliarden Tenge für den Ausbau und die Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur ausgegeben, zu oft aber mit unzureichendem Nachhaltigkeitseffekt, weil die Baumaßnahmen immer sehr schnell gehen müssen. Das wirkt naturgemäß nicht gerade qualitätsfördernd. In diesem Jahr sollen fast 60 km Stadtstraßen instand gesetzt werden, fast ein Drittel davon macht diese Prozedur nach nur sechs Jahren Nutzung bereits das zweite Mal durch.

Die Lösung des Problems der Luftverschmutzung sieht die Stadtverwaltung in ihrem aktuellen Programm vor allem in zweierlei Hinsicht. Erstens die Umstellung nicht nur des Busverkehrs, sondern auch teilweise des privaten PKW-Verkehrs auf den weitgehend umweltfreundlichen Energieträger Gas. Dazu sollen weitere 500 gasbetriebene Busse angeschafft und eingesetzt werden. Private PKW-Halter sollen durch verschiedene Anreize und Förderprogramme angehalten werden, freiwillig auf Gas umzusteigen, was ja eine technische Umrüstung der Motoren notwendig macht. Zu den wichtigsten Maßnahmen in dieser Hinsicht gehört die Garantie, dass der Erdgaspreis nachhaltig bei nur 40 % des Preises von Benzin liegen soll. Gemeinsam mit privaten Investoren will die Stadtverwaltung die notwenige Infrastruktur, also Gastankstellen, schaffen, ohne die ja der Umstieg auf Gas nur ein Wunsch bleiben muss. Die zweite Arbeitsrichtung ist die Begrenzung der Einfahrt von nicht in Almaty zugelassenen Fahrzeugen, also praktisch ein Einfahrtsverbot. Immerhin 200.000 „Fremdautos“ fluten täglich ins Stadtgebiet, viele davon um als Taxis ihren Besitzern den Lebensunterhalt zu sichern. Nachgedacht wird auch über weitere, in anderen Ländern bereits übliche Schritte, darunter die Einführung einer innerstädtischen Maut und Fahrverbote an bestimmten Tagen.
Ob und wann wir von den Bergen aus nicht mehr den gelb-grauen Dunst über der Stadt „genießen“ können, ist allerdings ungewiss. Schließlich sind als Realisierungszeitraum des Programms der Verbesserung der Luftqualität Almatys nur „die nächsten Jahre“ angegeben.

Bodo Lochmann

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