Im vergangenen Jahr ist der Außenhandel Kasachstans wieder kräftig gewachsen. Das Außenhandelsvolumen – die Summe von Export und Import – hat zum Vorjahr um 35,5 Prozent zugelegt und war mit 109 Milliarden Dollar fast so hoch wie das gesamte Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Der Export ist fast um 50 Prozent gestiegen, der Import um 15,7 Prozent. Der größte Teil des Exports, genau 84,4 Prozent ging in Länder außerhalb der GUS. Demnach wurden 15,6 Prozent der Exportwaren in die GUS-Staaten geliefert. Die wichtigsten Käufer kasachischer Waren waren 2008 Italien, die Schweiz, China, Russland und Frankreich. 46,2 Prozent aller Importwaren wurden dabei in den GUS-Staaten eingekauft, das Übrige folglich im „Rest der Welt“.

Schaut man sich die Zahlen an, reibt man sich erst einmal verwundert die Augen. Schließlich war ja vergangenes Jahr schon Krise angesagt, davon ist aber in dem Zahlenwerk keine Spur zu entdecken.

Nicht nur die Wachstumszahlen sind beeindruckend, sondern auch der Überschuss aus den Außenhandelsgeschäften. Um etwa 33 Milliarden Dollar war der Devisenerlös aus dem laufenden Exportgeschäft größer, als im gleichen Zeitraum Devisen für die Bezahlung der Importe ausgegeben wurden.

Hinterfragt man das Zahlenwerk etwas kritischer, stößt man aber schnell auf eine Reihe von weniger optimalen Fakten. Zum einen fällt die enorme Außenhandelsabhängigkeit der kasachischen Wirtschaft ins Auge, die sich sowohl bei der Relation Export zum BIP (mehr als 60 Prozent), als auch in der Relation Import zum BIP (etwa 35 Prozent) manifestiert. Natürlich ist die aktive Teilnahme an der internationalen Arbeitsteilung gut. In Zeiten, in denen die Nachfrage nach den heimischen Produkten auf den Außenmärkten brummt, kommt ordentlich viel – manchmal allerdings auch zu viel – Geld in Form von Devisen ins Land. Der Nachteil dabei ist, dass die Devisenmengen strukturelle und andere Probleme der Wirtschaft verschleiern, was naturgemäß nicht zu deren Lösung beiträgt.

In Krisenzeiten wie diesen fällt einem Land jedoch ein unterentwickelter Binnenmarkt umso stärker auf die Füße. Es rächt sich, wenn es nicht gelungen ist, die Wirtschaft in den guten Zeiten nennenswert zu diversifizieren. Aus diesem Grunde schlägt nun die extrem hohe Abhängigkeit vom einzigen konkurrenzfähigen Produkt Öl besonders negativ zu Buche. Die Binnennachfrage ist bekanntlich nicht allzu hoch und wird zudem noch größtenteils durch Importwaren gedeckt. Der Binnenmarkt scheidet also als Ausgleichsfaktor zum Rückgang der Exporteinnahmen weitgehend aus. Doch stimmt diese letzte Aussage eigentlich? Schließlich sind Außenhandelsvolumen und Außenhandelsüberschuss 2008 kräftig gewachsen. Und das, obwohl die Ölpreise nach ihrem Höchststand im Juni doch kräftig gefallen waren.

Natürlich sind die genannten Zahlen reale Fakten. Doch die über ein ganzes Jahr dokumentierte Entwicklung kann man durchaus als eine Art letztes Aufbäumen vor dem großen Krach bezeichnen. Der Zuwachs des Exportvolumens wurde tatsächlich in den ersten etwa neun Monaten erzielt, danach ging es langsamer zu.

Dennoch hat der geringere Ölpreis in der zweiten Jahreshälfte noch keine wahrnehmbaren Spuren in der Exportbilanz hinterlassen. Das ist dadurch bedingt, dass die Preise für exportiertes Öl mit Futures überwiegend langfristig – in diesem Falle mehrere Monate, bis zu einem Jahr – abgesichert werden. Daher schlagen die verringerten Ölpreise in der Außenhandelsbilanz auch erst mit Verzögerung durch. Mittlerweile ist der Rückgang der Devisenerlöse aus dem Export jedoch ziemlich drastisch. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres sind sie um etwa ein Drittel zum Vorjahr zurückgegangen. Das „Goldene“ Zeitalter im Sinne eines fast unerschöpflichen Devisenzuflusses scheint vorerst vorbei zu sein. Entsprechend rüstet die Regierung das Land für bescheidenere Zeiten. Die Abwertung des Tenge zum Dollar vom Februar des Jahres gehört ebenso dazu, wie die Vorbereitung der gesetzlichen Grundlagen für die Einschränkung des bisher freien Devisenhandels. Zwar wird bisher davon gesprochen, dass diese als „Devisenbewirtschaftung“ in die Wirtschaftstheorie eingegangene Beschränkung von Kauf und Verkauf von Devisen nur als letzte Notmaßnahme Anwendung finden soll, doch wann eine solche Notsituation vorliegen könnte, ist nur schwer zu definieren. Auf jeden Fall gehören die Entwicklung der Ölpreise, der Devisenbestände der Nationalbank und der Mittel im Nationalfonds zu den Indikatoren, die beobachtet werden sollten. Hier ließe sich auch eine Antwort auf die Frage finden, ob eine weitere Abwertung des Tenge wahrscheinlich ist.

Bodo Lochmann

27/03/09

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