Seit einem Vierteljahrhundert vermittelt das Sprachlernzentrum Astana als Partner des Goethe-Instituts nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch interkulturelle Kompetenz und Bildungsperspektiven. Im Interview spricht Leiterin Gulnara Fachrudinowa über die Anfänge des Zentrums, Meilensteine auf dem Weg zur Eigenständigkeit, die wachsende Bedeutung der deutschen Sprache in Kasachstan sowie über die Zukunftspläne, die weit über klassische Sprachkurse hinausgehen.
Frau Fachrudinowa, 25 Jahre sind eine lange Zeit. Wie blicken Sie auf Ihre Tätigkeit als Leiterin des Sprachlernzentrums zurück?
Wenn ich daran denke, dass wir nun schon 25 Jahre bestehen, bin ich selbst überrascht, wie schnell die Zeit vergangen ist. Am Anfang schien vieles neu, herausfordernd und mit großen Fragen verbunden: Wie wird sich das Projekt entwickeln? Werden wir die nötige Akzeptanz finden? Doch rückblickend kann ich sagen, dass wir sehr viel erreicht haben.
Das Sprachlernzentrum Astana wurde im Jahr 2000 gegründet, auf Grundlage des bilateralen Abkommens über kulturelle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kasachstan von 1994. Die Idee war, ein nachhaltiges Bildungsangebot aufzubauen, das Menschen in Kasachstan den Zugang zur deutschen Sprache und Kultur erleichtert.
Heute sehe ich mit großer Zufriedenheit, wie sehr wir gewachsen sind – inhaltlich, strukturell und personell. Unsere Dozentinnen und Dozenten sind hochqualifiziert, unser Kursangebot ist vielfältig, und wir genießen das Vertrauen von Tausenden Lernenden. Es macht mich stolz, zu sehen, wie wir einen echten Beitrag zur Bildungslandschaft Kasachstans leisten.
Welche Meilensteine waren für Sie besonders wichtig auf diesem Weg?
Wir haben klein angefangen: Ein paar Kurse für Erwachsene, mit Material und Finanzierung vom Goethe-Institut. Diese Unterstützung war in den Anfangsjahren essenziell.
Ein Meilenstein war sicherlich die vollständige Eigenständigkeit ab 2013. Wir finanzieren heute alle Bereiche selbst, was unsere Unabhängigkeit und Professionalität zeigt. Ebenso wichtig war die Lizenzierung als Prüfungszentrum des Goethe-Instituts im Jahr 2009 sowie die Anerkennung als offizielles TestDaF-Zentrum 2015. Diese Entwicklungen haben uns national und international sichtbarer gemacht.
Dass wir bereits vier erfolgreiche (Re-)Akkreditierungen durchlaufen haben, ist ebenfalls bedeutsam. Sie bestätigen, dass wir sämtliche Qualitätsstandards des Goethe-Instituts erfüllen.
Besonders hervorheben möchte ich auch die enge Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Kasachstan. Diese Partnerschaft war über all die Jahre hinweg geprägt von gegenseitigem Vertrauen, kontinuierlicher fachlicher Begleitung und inspirierendem Austausch. Ohne diese starke Verbindung wären viele Entwicklungen nicht möglich gewesen.
Wie hat sich das Sprachlernzentrum Astana seit der Gründung verändert? Was hat sich inhaltlich und bei den Lernenden getan?
Unsere Entwicklung ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Wir sind nicht nur gewachsen, was die Zahl der Kurse und Lernenden betrifft, sondern auch hinsichtlich unseres methodischen Anspruchs und unserer inhaltlichen Ausrichtung. Heute gelten wir laut Statistiken des Goethe-Institut als das größte Sprachlernzentrum weltweit. In 25 Jahren haben über 27.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unsere Kurse besucht. Mehr als 20.000 Prüfungen wurden bei uns abgelegt – vom Goethe-Zertifikat über den TestDaF bis zum TestAS. Diese Zahlen sprechen für sich.
Auch unser Kursportfolio ist deutlich breiter geworden. Neben Standardkursen bieten wir heute auch Expresskurse, Fachsprachkurse – etwa für medizinische Berufe –, sowie Morgen-, Abend- und Wochenendkurse an. Zusätzlich gibt es spezialisierte Angebote wie Konversationstrainings, Grammatik-Intensivkurse und Vorbereitungskurse für Prüfungen oder Bewerbungsgespräche.
Was unsere Lernenden betrifft, beobachten wir eine klare Tendenz: Immer mehr junge Menschen kommen mit konkreten Zielen zu uns. Sie möchten in Deutschland studieren, eine Ausbildung machen oder in einem Berufsfeld arbeiten, das gute Deutschkenntnisse erfordert. Wir verstehen uns daher nicht nur als Sprachvermittler, sondern auch als Bildungsbegleiter auf dem Weg in eine internationale Zukunft.
Welchen Stellenwert hat die deutsche Sprache heute in Kasachstan, und wie spiegelt sich das in Ihrer Arbeit wider?
Die deutsche Sprache hat in Kasachstan einen festen Platz, nicht zuletzt durch die historischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen zwischen unseren Ländern. Viele Kasachstaner haben familiäre oder berufliche Kontakte nach Deutschland, was das Interesse an der Sprache zusätzlich stärkt. Deutschland gilt zudem als eines der attraktivsten Länder für Studium, Ausbildung und qualifizierte Beschäftigung. Die hohe Qualität der Hochschulen, die weitgehend kostenfreien Studiengänge und das duale Ausbildungssystem machen es für junge Menschen besonders interessant.
Gleichzeitig sucht Deutschland gezielt nach Fachkräften, vor allem in der Pflege, in technischen Berufen, im Handwerk und in der IT. Programme wie die Chancenkarte oder spezielle Visa-Regelungen für Drittstaaten schaffen neue Möglichkeiten. Doch all das beginnt mit der Sprache. Der Nachweis solider Deutschkenntnisse, in der Regel auf dem Niveau B1 oder B2, ist oft der erste Schritt. Unsere Arbeit leistet hier einen entscheidenden Beitrag. Wir bereiten unsere Teilnehmenden gezielt auf diese Anforderungen vor und geben ihnen die sprachlichen Werkzeuge an die Hand, die sie für Studium, Beruf und Alltag in einem deutschsprachigen Umfeld brauchen.
Was unterscheidet das Sprachlernzentrum Astana von anderen Sprachschulen?
Unser didaktischer Ansatz ist konsequent handlungsorientiert. Das bedeutet: Wir vermitteln nicht nur Vokabeln und Grammatik, sondern befähigen unsere Lernenden, die Sprache aktiv und selbstbewusst im Alltag anzuwenden.
Kommunikative Kompetenzen stehen bei uns im Mittelpunkt. Deshalb arbeiten wir viel in Kleingruppen, mit Rollenspielen, Projekten und interaktiven Methoden. Die Kursteilnehmenden lernen nicht nur mit den Lehrkräften, sondern auch voneinander.
Ein besonderes Merkmal unseres Unterrichts ist die Binnendifferenzierung. Wir achten darauf, dass die Lernenden je nach Kenntnisstand in passenden Gruppen arbeiten. So können leistungsstärkere Teilnehmende gezielt gefördert werden, während andere die nötige Unterstützung bekommen, um Schritt zu halten.
Außerdem legen wir großen Wert auf die Weiterbildung unserer Lehrkräfte. Sie nehmen regelmäßig an Fortbildungen des Goethe-Instituts teil und halten sich methodisch wie fachlich auf dem neuesten Stand. Diese kontinuierliche Entwicklung spiegelt sich direkt in der Unterrichtsqualität wider.
Welche Pläne und Visionen haben Sie für die kommenden Jahre?
Wir möchten auch in Zukunft ein verlässlicher Bildungsort sein. Dazu gehört, unser Kursangebot weiter zu spezialisieren. Geplant sind unter anderem branchenspezifische Sprachkurse, zum Beispiel für Technikberufe, Pflegekräfte oder IT-Fachleute. Auch Vorbereitungskurse für internationale Zertifizierungen oder den Berufseinstieg in Deutschland sollen ausgebaut werden.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Integrationskursen. Denn wer nach Deutschland geht, braucht nicht nur Sprachkenntnisse, sondern auch ein grundlegendes Verständnis für die Kultur, die Gesellschaft und das Alltagsleben vor Ort.
Darüber hinaus möchten wir auch im digitalen Bereich weiter wachsen, etwa durch den Ausbau hybrider Kursformate oder die Entwicklung von Online-Modulen, die ortsunabhängiges Lernen ermöglichen.
Unser Ziel bleibt es, Menschen in Kasachstan eine Brücke zur deutschen Sprache, Kultur und Bildungslandschaft zu bauen – offen, kompetent und zukunftsorientiert.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Annabel Rosin.