Die Weltmarktpreise für Erdöl sind gerade nur für Importeure günstig. Erdöl exportierende Länder hoffen auf einen Preisanstieg. Kasachstan zum Beispiel denkt gar über Ausgabenkürzungen nach. Prof. Dr. Bodo Lochmann bezeichnet dieses Verhalten als sehr krisennah.

Von allen Seiten richten sich momentan viele Blicke auf die Entwicklung der Weltmarkpreise für Erdöl. Aus Sicht der Erdölimporteure mit der Erwartung, dass sie möglichst lange niedrig bleiben werden, aus Sicht der Förderer und Exporteure in der Hoffnung, dass sie doch wenigstens um 10 oder 15 Dollar steigen mögen. Nach dem Preisabstieg um fast 50 Prozent in sehr kurzer Zeit, sind im Moment Schwankungen um bis zu 5 Dollar pro Fass die Regel.
Eine klare Tendenz des Anstiegs ist eher nicht erkennbar, die Fakten seitens Angebot und Nachfrage sprechen dagegen. Nun sollte man mit dem Wort „dramatisch“ sicher vorsichtig umgehen, für viele Förderländer, darunter auch Kasachstan, ist das niedrige Preisniveau aber mindestens problematisch.

Zwar hat der Präsident verkündet, dass Kasachstan sich nicht in einer Krise befindet, das ist aber relativ und streitbar. Zum einen ist Krise nicht eindeutig definiert, zum anderen sprechen die Fakten der operativen Kürzungen von Staatsausgaben auf allen Ebenen eine andere Sprache. Zwar kann man immer darüber streiten, ob die vielen Großbau-Prestigeprojekte, die sich Kasachstan glaubt leisten zu können oder zu müssen, wirklich notwendig und dringlich sind, der Fakt jedoch, dass jetzt auch hier nach Möglichkeiten der Ausgabenkürzung gesucht wird, spricht eher für eine krisennahe, denn krisenferne Situation. Die anstehenden Kürzungen bei den Prestigeprojekten sind dabei aber nur die Spitze des Eisberges – Einstellungsstopp und Nichtverlängerung von Verträgen, ja auch Verzögerungen bei der Auszahlung von in besseren Zeiten eingegangenen Zahlungsverpflichtungen durch staatliche Organe sind mittlerweile tägliche Praxis. Gegen eine sehr straffe Ausgabenpolitik, besonders unter den konkreten Bedingungen der Gegenwart, ist natürlich nichts Prinzipielles vorzubringen. Dennoch sind alle die kritischen Meinungen und Hinweise aus finanziell besseren Zeiten richtig, die Sinn oder Unsinn teurer Prestigeobjekte hinterfragen und eine Orientierung staatlicher Mittel auf die wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung anmahnten.

Was wir jetzt auf den Erdölmärkten beobachten, ist ein harter globaler Wettstreit um längerfristige Vorteile. Dabei geht es neben dem Geld auch um Politik. Schließlich ist Öl nach wie vor das Schmiermittel Nr. 1 der Weltwirtschaft, obwohl sich seine Rolle tendenziell relativiert. Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA), hat momentan der Westen beim weltweiten Rohstoff-Monopoly die Nase vorn. Russland hingegen ist der große Verlierer und auch die OPEC-Staaten werden die von ihnen angestrebten Ziele nur teilweise erreichen.

Gewinner dagegen sind die USA mit ihrer relativ neuen Technologie der Förderung von Schieferöl, obwohl auch dort die Lage von Unternehmen zu Unternehmen differenziert. Ungeachtet der schwierigen Gesamtlage auf den Weltmärkten werden  die USA nach Einschätzung der IEA bis 2020 ihre Ölförderung deutlich erhöhen – auf etwa 2,2 Millionen Barrel pro Tag. Damit bleiben die USA in den nächsten Jahren die größte Wachstumsquelle bei der Ölbereitstellung. Zwar ist die Ölschieferförderung vergleichsweise teuer, und nicht wenige Förderunternehmen in den USA können bei den momentan niedrigen Preisen wirtschaftlich nicht existieren, dafür ist jedoch die Ölschieferförderung sehr flexibel und kann vergleichsweise problemlos den Marktschwankungen angepasst werden.

Auf jeden Fall ist nun neben Saudi-Arabien, das bisher als Produktionsland allein in der Lage war, spürbar auf Marktveränderungen zu reagieren, ein zweiter Spieler erschienen – die USA. Für Versorgungssicherheit und Preisniveau kann das nur gut sein. Eventuell rücken auch noch Kanada und Irak in die Liga der globalen Marktbeeinflusser auf, denn auch hier wird die Förderung kräftig gesteigert. Russland, vielleicht auch Kasachstan hingegen werden eher Marktanteile verlieren, so die IEA-Prognose. Verschärft wird für die Förderländer die Situation noch durch die langsamer steigende Nachfrage. Sie soll zwar um 1,2 Prozent jährlich wachsen, es wird also insgesamt weiter mehr Öl verbraucht; bisher betrug der Jahreszuwachs jedoch etwa 2 Prozent. In den Industriestaaten verliert Öl infolge der forcierten Nutzung erneuerbarer Energien und von Erdgas, aber auch durch die konsequente Orientierung auf rationelle Energienutzung schrittweise an Bedeutung. Keine guten Aussichten also für die Möglichkeit einer lockeren Finanzierung von Großprojekten aller Art in Kasachstan.

Bodo Lochmann

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