Spaziert man durch das Zentrum der kirgisischen Hauptstadt Bischkek, findet man unweit des Ala-Too-Platzes eine kleine überdachte Straße, die mit Bildern und Gemälden geradezu gepflastert ist. Dieser Ort ist auch bekannt als „Ausstellungssaal der Künstlervereinigung“. Der Name rührt daher, dass hier verschiedene Künstler Bischkeks ihre Werke zum Betrachten sowie zum Verkauf ausstellen. Die Bilder schmücken die Seiten der überdachten Straße, hängen von der Decke und lehnen an den Stützpfeilern.

Der „Vystavochnyy Zal Soyuza Khudozhnikov“, wie der Ort auf Russisch heißt, ist genau genommen kein wirklicher Saal. Es ist ein überdachter Abschnitt einer Straße, die zum Tschingis-Aitmatow-Park hinführt und unter deren Dach sich ein buntes Durcheinander der verschiedensten Motive und Stile – festgehalten auf Leinwand – wiederfindet.

Die Straße ist meist belebt, und es finden sich hier sowohl Touristen als auch Einheimische, die sich die Zeit nehmen, um inmitten der Bilder umherzuschlendern und die verschiedenen Motive auf sich wirken zu lassen. Bei Fragen oder Interesse an einem der Bilder sind auch die Künstler oder ihre Vertreter nicht weit. Sie sitzen meist in der Nähe ihrer Bilder, unterhalten sich bei einer Tasse Tee, spielen Schach oder arbeiten an neuen Skizzen.

Zwei von ihnen sind Tschingis und Almas. Tschingis ist selbst Künstler und stellt seine eigenen Bilder auf dieser Straße zum Verkauf aus. Auf die Frage, wann er zum Malen komme, wenn er doch einen Großteil des Tages hier bei seinen Bildern verbringt, antwortet er lachend, dass es ja noch die Nacht gibt. „Zudem“, sagt er weiter, „vertreten mich ab und zu meine Freunde, die ebenfalls hier arbeiten und meine Bilder für mich verkaufen, während ich mich neuen Werken widme.“ Und wenn es kleinere Bilder sind, an denen er arbeitet, könne man so etwas ja auch vor Ort tun. „Nur bei den großen Bildern ist das schwieriger.“

Almas hingegen ist selbst kein Künstler, aber dafür malen sein Vater und Bruder. Während Vater und Bruder sich ganz der Kunst widmen, steht Almas jeden Tag von früh bis spät im „Ausstellungssal der Künstlervereinigung“ und betreut und verkauft die Bilder, die aus den Pinseln seiner Familie stammen.

Kein Luxus, aber zum Überleben reicht es

Im „Ausstellungssaal“ finden sich Werke von über hundert verschiedenen Künstlern. Die wenigsten von ihnen sind vor Ort, um ihre Bilder selbst zu verkaufen. Dies übernimmt meist ein Familienmitglied oder ein Bekannter – so wie im Falle von Almas. Wie viele Bilder pro Tag verkauft werden, ist schwer zu sagen. An manchen Tagen kann es kein einziges sein, an anderen Tagen dafür gleich mehrere. Dabei reicht die Preisspanne der ausgehängten Werke von 50 Cent bis hin zu 1.500 Euro.

Einige der Künstler, die ihre Bilder vor Ort selbst verkaufen, bieten zudem Porträtzeichnungen oder Karikaturen an, die innerhalb weniger Minuten angefertigt werden können. Auf die Frage, ob sie und ihre Familien von den Verkäufen der Bilder leben können, lachen Tschingis und Almas. „Bei sowas kommt es immer auf die Relation an.“ Dass man davon überleben kann, meinen sie, sei durchaus möglich. Doch im Luxus leben könne man von der Malerei eher nicht. Außerdem sei das Einkommen ein sehr unbeständiges, mit dem man nicht fest rechnen und planen könne.

Bei Wind und Wetter

Die Bilder sind jeden Tag, die ganze Woche über ausgestellt. An Werktagen können Passanten die verschiedenen Bilder von neun Uhr morgens bis acht Uhr abends bewundern. Am Wochenende ist das von zehn Uhr morgens bis sechs oder sieben Uhr abends möglich. Auch ungünstige Witterbedingungen haben keinen Einfluss darauf, ob die Bilder morgens rausgehängt werden. Egal ob Wind, Regen, Hagel, Schnee oder Sonnenschein, die Bilder werden ausgestellt.

Zwar schützt die Überdachung vor den gröbsten Wettereinflüssen, doch sind die Werke nicht gänzlich vor Wind und Wetter geschützt. Um sie vor den gröbsten Schäden, zum Beispiel durch Nässe, zu bewahren, werden sie mit einer firnisartigen Mixtur angestrichen. Diese sorgt schließlich dafür, dass die Feuchtigkeit nicht allzu leicht in die Bilder eindringen kann. Doch trotz der Vorkehrungen können Witterungsschäden nicht gänzlich vermieden, sondern lediglich reduziert werden.

Vom Stillleben bis hin zu historischen Kampfszenen

Ein Spaziergang vorbei an all den Bildern bietet etwas für jeden Geschmack. Es finden sich kleine Bildchen, die gerade die richtige Größe dafür haben, dass man sie in eine Hosentasche stecken kann, bis hin zu Gemälden, die eine ganze Wand schmücken können. Auch Motive und Stile aller Art sind vertreten. Es finden sich Zeichnungen von Stillleben, Tierzeichnungen, Porträts wichtiger Persönlichkeiten Kirgistans – zum Beispiel ein Porträt des Autors Tschingis Aitmatow –, farbenfrohe Bilder mit Figuren in traditioneller Kleidung, Landschaftsbilder, Szenen des Nomadenlebens, bis hin zu dramatischen Gemälden von epischen Schlachten.

Und ebenso buntgemischt wie die Bilder ist auch das Publikum, das sich im „Ausstellungssaal“ blicken lässt. Vor allem im Sommer hört man hier die verschiedensten Sprachen aus aller Welt, wobei im Winter und Herbst überwiegend Einheimische zu den Spaziergängern und Käufern gehören. Doch ganz gleich ob Einheimischer oder Tourist – ob man nun nach einem neuen Schmuckstück für die eigenen vier Wände sucht, einem Urlaubsmitbringsel für Freunde und Familie oder einfach nur die verschiedenen Eindrücke genießen will, einen Besuch ist der Vystavochnyy Zal Soyuza Khudozhnikov auf jeden Fall wert.

Anne Lemke

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