Die Premiere des Dokumentarfilms „Die Letzten der Mennoniten“ fand im Rahmen des XI. Republikanischen Festivals der deutschen Kultur „Wir sind zusammen“ in Astana statt.

Im Mittelpunkt der Erzählung steht die Geschichte der Familie Herzen, die im Norden Kasachstans lebt. Ihre Vorfahren kamen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts aus den Provinzen Tawritscheskaja und Jekaterinoslawskaja in das heutige Gebiet Pawlodar. Hier gründeten sie das Dorf Galbstadt, das später Nataschino genannt wurde – 2001 wurde es aufgelöst. Übrigens finden sich auf alten Karten der Region Pawlodar viele ähnliche, heute aufgelöste Siedlungen, die einst deutsche Namen trugen oder von deutschen Siedlern gegründet wurden. Der Zuschauer erfährt davon buchstäblich gleich zu Beginn des Films, kaum hörbar durch die Stimme des Erzählers.

In diesem Zusammenhang kommt der Zuschauer zu einer leicht traurigen Erkenntnis über die Eitelkeit der Existenz. Sie verstärkt sich und wird nach den Worten von Nikolai Danilowitsch Herzen noch deutlicher: Die Menschen sind weggezogen, die Häuser sind verfallen, das Dorf ist leer – und doch verzweifelt niemand… Übrigens galt das Dorf Olgino, in dem die Hauptfiguren des Films leben, in der Vor- und Nachkriegszeit als „deutsch“. Heute gibt es dagegen nur noch sehr wenige Deutsche im Dorf.

Aufrichtig und modern, mit einer Prise Nostalgie

Laut der Sprecherin der Veranstaltung, der Kandidatin der Geschichtswissenschaften Julia Podoprigora, ruft die dokumentarische Geschichte über das reale, ursprüngliche Leben der Nachkommen der mennonitischen Deutschen ehrfürchtige Gefühle hervor. Es ist dieses unprätentiöse Leben, das die Aufmerksamkeit des Zuschauers während des gesamten Films auf sich zieht und hält.

„Dieser Film ist aufrichtig und modern, auch wenn er eine gewisse nostalgische Note enthält. Er ist vor allem ein leuchtendes Beispiel für den sorgsamen Umgang mit der eigenen Identität“, erklärt Julia Podoprigora. „Das Erstaunlichste dabei ist, dass die Familie Herzen, die vom Leben – auch unter dem autoritären Sowjetsystem – nicht gerade begünstigt wurde, durch eine innere Naivität, die unserer modernen Gesellschaft nicht ganz fremd ist, Teile der Geschichte und Kultur ihrer Vorfahren gewissenhaft bewahrt. Es geht um ihre einzigartige Sprache, alte Gegenstände des täglichen Lebens und scheinbar vergangene Traditionen – ein seltenes Phänomen für unsere Zeit, das echte Bewunderung, Interesse und Freude hervorruft. Darin liegt die zentrale Bedeutung des Films.“

Der Blick der Autorin auf das kleine, kompakte und ganzheitliche Universum der Nachkommen mennonitischer Deutscher ist ungeschminkt und ohne unnötige Dramatik. Vor den Augen des Publikums liegt das Leben der Herzens wie auf der Hand: von morgens bis abends, in endloser Arbeit, Liebe und Empathie für ihre Familie, ihre Wurzeln und ihre Heimat. Der Flug der Phantasie des Regisseurs als Wegweiser zwischen Vergangenheit und Gegenwart: ein ungewöhnlicher Blickwinkel auf die erschreckende sowjetische Vergangenheit ist ein zusätzlicher Grund, die verschlungenen Pfade der facettenreichen Geschichte der mennonitischen Deutschen Kasachstans zu diskutieren.

Wie in der Diskussion subtil hervorgehoben wurde, liegt einer der Hauptreize des Films darin, dass die Herzens nicht zwischen verschiedenen Kulturen hin- und hergerissen sind, sondern diese ehrfürchtig in sich vereinen. Der Film, der mit Momenten überraschender und inspirierender Farben spielt, regt uns zweifellos zum Nachdenken darüber an, wer wir sind.

Eine subtile Verbindung zwischen dem Zuschauer und den Figuren

Nikolai Danilowitsch Herzens Muttersprache ist ein einzigartiger, aber vom Aussterben bedrohter Plattdeutsch-Dialekt – Mennonitenplatt. Er ist im ganzen Film zu hören. Wenn man sich konzentriert und der Rede der Protagonisten zuhört, kann man sogar die Bedeutung vieler Wörter verstehen, die an Niederländisch oder eine seltsame Mischung aus Deutsch und Englisch erinnern.

In dem Gespräch wurde immer wieder die Heterogenität der deutschen Bevölkerung in Kasachstan hervorgehoben, die sich ursprünglich als getrennte, heterogene Gruppen von Menschen deutscher Volkszugehörigkeit bildeten, die aus ganz unterschiedlichen Orten und Regionen kamen. Die Ansiedlung von Deutschstämmigen erfolgte sowohl im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert als auch im Jahr 1941, was diese Heterogenität noch verstärkte.
Für Katharina Martin-Virolainen hat der Film eine ganz eigene Welt eröffnet, die sicherlich die wärmsten Gefühle hervorruft:

„Die meisten Menschen wissen nicht viel über die deutschen Mennoniten, aber der Film vermittelt ein klares Verständnis davon, wer diese Menschen waren, wie sie lebten, wie ihre Nachkommen leben, welche Sprache sie sprechen, was die Kultur und Geschichte der Mennoniten ist. Die Herzen sind mir eigentlich völlig fremd und unvertraut, aber als ich den Film sah, hatte ich den seltsamen Eindruck, dass die Hauptfiguren mir sehr nahe stehen, als wären wir verwandt“, gab die deutsche Journalistin zu. „Zwischen mir und der Familie Herzen entstand eine erstaunliche, fantastische, scheinbar nicht zufällige Verbindung: eine geistige, verwandtschaftliche Verbindung. Das war für mich die stärkste und paradoxeste Offenbarung. Vielleicht spielte dabei auch ein persönlicher Faktor eine Rolle – meine Großmutter stammte aus Kasachstan.“

„Ihr müsst euch nicht dafür schämen, dass ihr Deutsche seid“

Die Herzens streben nicht ins Ausland und haben nicht die Absicht, ihre Heimat zu verlassen – sie lieben Kasachstan aufrichtig. Und ihre Liebe ist rein, sie verlangt keine Gegenleistung, sie ist kompromisslos und sehr überzeugend.

Die Antwort von Renada Ottowna Herzen auf die Frage des Autors, Drehbuchautors und Regisseurs des Films: „Warum sind Sie nicht nach allen anderen Deutschen nach Deutschland gegangen?“ antwortete sie ehrlich: „Wir haben nie darüber nachgedacht – die Menschen in Kasachstan sind freundlich.“ Und am Ende ihrer Rede fügte Renada Ottowna hinzu: „Meine Großmutter hat uns aus irgendeinem Grund immer gesagt – auf Deutsch erklärte sie es: ‚Kinder, verlasst niemals dieses Land – es ist Gottes beschütztes Land‘… Und sie hat uns immer gelehrt, dass wir uns nicht dafür schämen sollen, dass wir Deutsche sind“.

Die begeisterten Reaktionen des Publikums am Ende der Diskussion führten zu einem eindeutigen Urteil: „Die Letzten der Mennoniten“ ist ein seltener Fall von Kino als Kunst, als pädagogisches Instrument und als nützliche Erinnerung an die Notwendigkeit, die eigene kulturelle und nationale Identität zu bewahren.

Autorin: Maria Halle.

Übersetzung ins Deutsche: Annabel Rosin.

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