Neulich musste ich unter Beweis stellen, was ich in der Förderung der Toleranz und interkulturellen Verständigung drauf habe. Und ich muss sagen, ich kam gehörig ins Schwitzen. Mein Vermieter, meine Nachmieterin und ich hatten ein Stelldichein zu dritt.
Ich dachte, die Sache wäre glasklar und damit alles weitere ganz einfach: Ich will raus, die Nachmieterin will die Wohnung unbedingt haben, mein Vermieter ist froh, wenn er sich um möglichst wenig kümmern muss. Wir treffen uns, regeln die Details, jeder unterschreibt, was er unterschreiben muss und ruckzuck ist alles geklärt. Dachte ich. Aber so einfach war es dann doch nicht. Mein Vermieter, Herr B., und meine Nachmieterin, S., haben manches gemeinsam: Sie sind offenherzig, zuverlässig, nett und aufrichtig. Leider gibt es auch viel, das sie trennt. Herr B. ist pünktlich, ordentlich, pedantisch, konservativ und ungeduldig – sozusagen deutsch. Und S. ist chaotisch, spontan und ziemlich cool. So gar nicht deutsch, was nicht verwundert, da sie ursprünglich aus Kenia kommt. So stand Herr B. noch vor der Zeit gescheitelt und gebügelt mit seiner Mappe unter dem Arm parat. S. kam schnaufend angehetzt, mit grün gefärbten Haaren und riesiger Sonnenbrille. Während sich Herr B. bei diesem Anblick noch zusammenriss, wurde er auch schon angefaucht: 9.00 Uhr in der Früh sei viel zu früh für einen Termin, ob er denn crazy wäre, schließlich hätte sie nicht geschlafen und wäre total müde. Wenn sie mal ordentlich arbeiten würde, wäre sie abends müde genug, um die Nacht durchzuschlafen, konterte Herr B. S. verdrehte die Augen und hopste auf und ab, juhuuu, so eine coole Dachterrasse!, was ihr Herr B. sofort untersagte, darunter würde schließlich jemand wohnen. Herr B. wollte nun endlich zur Tat schreiten, ob S. die Unterlagen dabei hätte. Ja klar, S. war genervt, setzte sich und zündete sich erst mal eine Zigarette an. Herr B. drängelte, so zog S. missmutig einen zerknitterten Kontoauszug aus der Tasche, wedelte Herrn B. damit vor der Nase herum und steckte ihn wieder ein. Herr B. wollte aber alles ausgehändigt haben, in Kopie, vom Pass, von den Kontoauszügen und die Kaution in bar, ob sie die dabei hätte. Nein, natürlich nicht, wozu?? Das hätte Herr B. ihr aber ausdrücklich am Telefon gesagt! S. könne das Geld sofort holen, ob sie das tun solle. Ja, sicher! Gut, erst in Ruhe eine Zigarette rauchen, dann … Herr B. musste es nicht erst aussprechen, S. verstand auf Anhieb: zackzack dallidalli, sonst wird das nichts mit der Wohnung. Kaum war S. weg, kam der ganze Ärger raus: Was das denn für eine Gestalt gewesen sei?! Dass sie absichtlich die Unterlagen nicht mitgebracht habe. Dass man ihr die Zeit in Rechnung stellen müsse, nur so würde sie verstehen und lernen und sich bessern. Dass sie mit Sicherheit nicht wiederkäme. Dass er nicht für die Integration sei. Man könne ja auch keinen Fuchs in einen Gänsestall integrieren. Hier war eindeutig mein Einsatz gefordert. Erste Stufe: Herrn B. ausreden lassen, Ihm im Grundsatz Recht geben. Das stimmt gütig und friedlich. In diesem Fall unbedingt vermeiden: Ihm Toleranz und Verständnis abverlangen, sondern Stufe 2: Nur für mich reden, dass ich die Integration befürworte, dass ich S. als äußerst zuverlässig erlebt habe. Dass ich S. mag. Wir einigten uns in der Zwischenbilanz darauf, dass wir das eben unterschiedlich sähen und dass das auch OK sei. Nun konnte ich langsam zu Stufe 3 übergehen: Herrn B. gut zureden, dass er Einsicht zeigt. Dass S. eben nicht so gut Deutsch verstehe. Herr B.: Er habe trotzdem Recht, würde aber mir zuliebe entgegenkommend sein. Zwar kein Bravourstück der interkulturellen Läuterung, da schließlich keine Einsichten zu verzeichnen waren, aber immerhin. Um die Diskussion, ob S. nun wiederkäme oder nicht, abzukürzen, schlossen wir eine Wette ab. Um 10 Euro. Mein Wetteinsatz: S. würde kommen, aber auf den letzten Drücker, ihr sei etwas dazwischen gekommen. Das gefiel Herrn B., der sich des Wettgewinns sicher war. Er sah nun nicht mehr nervös, sondern entspannt und geradezu munter seinem Minutenzeiger dabei zu, wie er voranschritt, langsam aber sicher auf die 10 Euro zu. Die Zeit war abgelaufen, Herr B. schon auf dem Weg aus der Wohnung, als es klingelte. S. kam total aufgelöst, sie sei beim Schwarzfahren erwischt worden, Unverschämtheit, die doofen Kontrolleure hätten sie aufgehalten, so ein Pechtag aber auch! Herr B. verkniff sich jeglichen Kommentar, jetzt aber endlich ran an die Verträge, seine Zeit sei kostbar. Weil alles seine Ordnung und Reihenfolge hat, wollte er alle Fragen nacheinander durchgehen. S. sollte aufmerksam lauschen, zustimmen und nur das tun, was er ihr sage. S. entdeckte aber lustige Dinge auf meinem Tisch, schüttelte eine Kugel, die gar nicht zum Schütteln gedacht ist, woraus Wasser spritzte. Jetzt sei Schluss, sie müsse still sitzen, zuhören, danach könne sie rummantschen, so viel sie wolle. Ob sie dies und das verstanden hätte? Ja, doch! Ob sie seine Schrift insb. die Kontoangaben lesen könne? Ja, doch! Nein, nicht jetzt und dort unterschreiben, sondern erst, wenn Herr B. das sagt und nur dort, wo Herr B. hinzeigt. Herr B. war am Rande eines Nervenzusammenbruches, S. kurz davor, ihn umzubringen. Schließlich war es vollbracht, die Papiere waren dank der mahnenden Hinweise von Herrn B. an der richtigen Stelle unterschrieben, man war sich einig und nach etwa zwei Stunden war die Sache endlich geritzt. Ich erkundigte mich jetzt noch mal bei Herrn B., ob für ihn alles in Ordnung sei. Er war verwundert. Wieso? Klar sei alles in Ordnung! Na, wegen der Nachmieterin. Wieso, was sei mit ihr? Ach so, ja gut, die Frau sei ein bisschen bekloppt, aber das seien wir in Köln ja alle irgendwie auf unsere Art. Ansonsten sei sie ja nett und ehrlich und das sei ja schließlich die Hauptsache. Na, also!
Julia Siebert
31/07/09