Die junge Deutsche Ilka Lindt koordiniert für den Deutschen Entwicklungsdienst Projekte der GTZ gegen Wüstenbildung in Zentralasien. Weltweit wird diesem Problem mehr und mehr Bedeutung beigemessen. Die Vereinten Nationen erklärten 2006 zum „Internationalen Jahr der Wüste“. Im Gespräch beschreibt die gebürtige Sachsen-Anhaltinerin Probleme und Zusammenhänge und schildert ihre persönlichen Erfahrungen.

Während in Almaty mit jedem Tag der Frühling deutlich spürbarer wird, ist es gerade die Sonne und die damit verbundene Hitze, die einige Probleme außerhalb der Stadt verursachen. Trockene, heiße Sommer und kalte, niederschlagsarme Winter bestimmen das kontinentale Klima in Zentralasien. Ilka Lindt ist im Rahmen eines Konventionsprojektes der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) zur Bekämpfung der Wüstenbildung in Almaty und beschreibt die Ursachen: „Das Klima hier erschwert es den Menschen, auf dem Land ertragreich zu wirtschaften. Wird die Agrarwirtschaft zudem noch falsch betrieben, ist es fast unmöglich, erfolgreich zu arbeiten. Die Folge ist Wüstenbildung. Das liegt daran, dass die Böden zu intensiv genutzt wurden. Daraufhin geht die Vegetation zurück oder verschwindet ganz. Das Land verödet und wird unfruchtbar – es entstehen wüstenähnliche Verhältnisse.“ Um diese Probleme zu lösen, wurden mehrere Programme ins Leben gerufen.

Schon im Jahre 1992 hat die internationale Gemeinschaft während des Erdgipfels für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro den dringenden Handlungsbedarf erkannt. 1994 wurde das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) angenommen und zwei Jahre später in Kraft gesetzt. Mit der Mitgliedschaft von 191 Ländern ist die UNCCD weltweit bindend. Das bedeutet, dass die Länder, die die Konvention unterzeichnet haben, verpflichtet sind, diese auch zu realisieren. Geberländer, wie zum Beispiel Deutschland, müssen neben der Umsetzung der UNCCD auch Länder unterstützen, die Entwicklungshilfe benötigen. Ilka Lindt erklärt die Ziele des UN-Abkommens: „An erster Stelle soll  das Entstehen von Wüsten und die Folgen von Dürren bekämpft werden, gleichzeitig versuchen wir ihre verheerenden Auswirkungen zu verringern. Am wichtigsten bei dieser Arbeit sind die Nationalen Aktionsprogramme, die für die Umsetzung der Konvention eine Schlüsselrolle übernehmen. Diese Programme entstanden in Zusammenarbeit von Regierungen, lokalen Gemeinschaften und anderen Interessenvertretern. Sie analysieren die Faktoren, warum Wüsten entstehen und versuchen konkrete Maßnahmen dagegen zu entwickeln.“

Cottbus – Bonn – Almaty

Bevor sich die junge Deutsche entschied, in Zentralasien zu arbeiten, studierte sie in Cottbus „Umwelt- und Ressourcenmanagement“ und später an der Berliner Humboldt-Universität „Nachhaltige Landnutzung“. Schon im Studium wuchs ihr Interesse rund um das Thema Wüste, das seinen Höhepunkt in ihrer Bachelorarbeit zum Thema „Bewertung von Programmen zur Desertifikationsbekämpfung“ fand. „Und um nach der Theorie mal zu schauen, wie die deutsche Entwicklungsarbeit in diesem Bereich funktioniert, entschied ich mich für ein Praktikum bei der GTZ in Bonn, wo ich begann, auch mit der Kollegin Eva Kleinn, der vorherigen DED-Projektkoordinatorin in Almaty, zusammenzuarbeiten und ihr in verschiedenen Bereichen zu helfen“, fasst Ilka Lindt ihre Erfahrungen zusammen. Inhaltlich beschäftigte sie sich schon damals mit dem Thema Wüstenbildung und half zum Beispiel dabei, ein Treffen mit der Regierungsdelegation von Tadschikistan und Vertretern des GTZ-Projektes sowie des UNCCD-Sekretariats zu veranstalten. Die Arbeit in Deutschland sei interessant und spannend gewesen, trotzdem entschied sich die 26-Jährige, selbst nach Almaty zu kommen: „Hauptsächlich hat mich die Projektarbeit in der Region interessiert. Aber Zentralasien war generell ein weißer Fleck auf meiner persönlichen Weltkarte und aus Projektberichten und Gesprächen mit Eva Kleinn und anderen Kollegen, aber auch Freunden, faszinierte mich diese Gegend, und ich wollte sie unbedingt kennen lernen. Eine Kombination aus studieninhaltlichem Reiz und Interesse und Neugier für die Region war also der Beweggrund herzukommen!“

2004 besuchte sie das erste Mal Kasachstan, um im  Nachwuchsprogrammes des DED  als Assistentin der Projektkoordinatorin zu arbeiten. Heute, zwei Jahre später, leitet sie selbst das kleine Büro am Stadtrand von Almaty. Gemeinsam mit ihren deutschen Kollegen plant sie die zentralasiatischen Projekte und erzählt begeistert von ihren vielfältigen Aufgaben: „Toll ist die Kombination meiner Arbeit aus einem politischen Bereich und dem Agieren auf einer lokalen, persönlichen Ebene, außerdem reise ich sehr viel. Das Projekt in Kasachstan konzentriert sich auf drei Dörfer in einem Gebiet, das den Norden des Balchasch-Sees umfasst und im Süden die Wüste Taukum berührt.“ Die junge Deutsche unterstützt die Partner auf dem Land dabei, die Vorhaben umzusetzen und steht dafür in ständigem Kontakt zu den Ländern, in denen es ähnliche ‚GTZPilotprojekte zur Bekämpfung der Desertifikation’ gibt. „In Kasachstan kümmern wir uns hauptsächlich um Weidemanagement. Das heißt, dass einzelne Bauern dabei unterstützt werden, Pläne für ihre Ländereien zu entwickeln, um nachhaltig zu wirtschaften. Außerdem suchen wir nach alternativen Einkommensquellen für die Dorfbewohner, wie zum Beispiel die Weiterverbreitung von natürlichen Rohstoffen, wie Anbaufrüchte. Das ist aber  nur ein kleiner Bereich unserer Arbeit, prinzipiell suchen wir nach Lösungen, die den Leuten mehr Einkommen verschaffen und gleichzeitig die Umwelt schonen. Ich selbst bin eigentlich das Mädchen für alles – begleite Arbeitsprozesse, fahre in die Projekte, erarbeite gemeinsam mit den Partnern die konkreten Schritte und versuche rundherum allen ihre Fragen zu beantworten oder entsprechend Antworten zu organisieren.“ Das erzählt sie begeistert, und mit einem leichten Hauch von Ironie ergänzt sie lächelnd: „Natürlich ist das nicht immer leicht, das ist aber auch das Spannende an meinem Beruf – die Vielseitigkeit. Langweilig ist mir praktisch nie, und das Thema der nachhaltigen Landnutzung ist zudem so umfassend, dass ich trotz meines akademischen Hintergrundes sehr viel dazu lerne und das sicher auch für meine eigene Entwicklung förderlich ist.“

Hier in Almaty ist Ilka Lindt die kommunikative Schnittstelle zwischen allen Beteiligten. So koordiniert sie den Einsatz von Gutachtern aus Deutschland, einzelnen Arbeitern vor Ort und hält den Kontakt nach Deutschland zur GTZ und dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED), wie sie erklärt: „Das betrifft vor allem den Erfahrungsaustausch zwischen den Pilotprojekten der verschiedenen Länder Zentralasiens, aber auch die Weiterleitung guter Erfahrungen und Informationen an nationale und internationale Akteure wie beispielsweise dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen – UNDP.“

Länder bei ihrer Entwicklung unterstützen

Sitzt sie nicht gerade im Büro oder ist in einem der Projekte weit weg von Almaty aktiv, genießt sie ihre Freizeit fernab des Trubels der Großstadt: „Oft bin ich spazieren oder schwimmen. Bis vor kurzem bin ich einmal die Woche Volleyball spielen gegangen. Sehr gern treffe ich mich mit Freunden abends auf einen Kaffee oder Tee, zu einem gemeinsamen Abendessen oder einem Theaterbesuch. Ich ziehe mich aber auch gern mal mit einem schönen Buch zurück und genieße die Ruhe. Die Wochenenden verbringe ich meistens mit Freunden draußen in der Natur – oft gehen wir in die Berge oder in den Weiten der Steppe spazieren. Ich kann nicht sagen, was ich mehr mag – beides ist in seiner Form einzigartig.“

Zurück im Berufsleben beschäftigt sie sich auch mit der länderübergreifenden Initiative gegen Wüstenbildung in Zentralasien. Neben Kasachstan haben sich auch Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan verpflichtet, die Richtlinien der UNCCD umzusetzen. Das Innovative daran ist, dass zum ersten Mal grenzüberschreitend eine ganze Region von einer Gruppe von Gebern unterstützt wird. Zwar soll der Großteil der Aktionen in den jeweiligen Ländern umgesetzt werden, aber es sind auch Aktivitäten geplant, die alle fünf Staaten gemeinsam realisieren. Ilka Lindt spricht energisch von ihren Aufgaben, die Begeisterung für Zentralasien und die Entwicklungsarbeit ist unverkennbar: „Ich fand Entwicklungszusammenarbeit schon immer faszinierend – das Gefühl, Länder bei ihrer selbständigen Entwicklung zu unterstützen, sozusagen als Katalysator zu wirken. Zum zweiten bin ich schon lange im Umweltbereich aktiv. Daher entschied ich mich für einen Job in diesem Berufsfeld.“ Erst vor kurzem setzte sie ihre Unterschrift unter einen Zweijahresvertrag, der bis Anfang 2008 läuft. Doch neben der abwechslungsreichen Arbeit ist es auch das Land selbst, das sie reizt und motiviert, noch einige Jahre hier zu bleiben. Sie sagt: „Als Berlinerin bzw. Cottbuserin bin ich immer wieder beeindruckt von den Bergen um Almaty und von der Gastfreundschaft der Bevölkerung. Und natürlich sind es auch die Sprache(n), die politische Situation und Entwicklungen, die Geschichte der gesamten Region und deren Verzweigungen mit den angrenzenden Ländern.“ Nicht alles ist perfekt, wie sie offen gesteht, so stört sie „der mangelnde Wille vieler Menschen, selbständig Verantwortung zu übernehmen und selbständig zu agieren – was natürlich nicht für alle Leute gilt. Mir gefällt auch nicht die oft unkritisch hoch gelobte Sowjetzeit ohne objektive Betrachtung der damaligen Vorteile, aber auch Nachteile.“ Trotz alledem klingt sie, als fühle sie sich wirklich wohl hier in der Ferne und schmunzelt, wenn sie von den Dingen erzählt, die ihr im großen Almaty fehlen: „Gute Luft, Volleyball und ein erträglicher Fahrstil.“

Von Natascha Heinrich

28/04/06

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