Bis zu 50 Ehen hilft die Standesbeamte Dschamilja im nordkasachischen Pawlodar an einem Tag zu schließen. Der Beruf füllt sie aus – sogar so sehr, dass darunter manchmal das eigene Privatleben leidet.

„Willkommen, sehr geehrte Gäste, liebe junge Paare! Heute ist der bedeutendste Tag in Ihrem Leben…”. Denken Sie, dass dies die Ansprache eines Priesters ist? Falsch geraten! Mit diesen Worten fängt der Arbeitstag von Dschamilja Rachmuchanowa an. Dschamilja ist Mitarbeiterin des städtischen Standesamtes in Pawlodar; ihre Hauptaufgabe ist es, den Beziehungen junger Männer und Frauen im Ehebündnis einen legalen Rahmen zu geben. So hat sie die Möglichkeit, am interessantesten Ereignis, am aufregendsten Moment im Leben eines Menschen teilzunehmen: an der Geburt einer neuen Familie.

Manch einer mag sich den Beruf einfach vorstellen: ein Mikrofon nehmen, eine zehnminütige Ansprache halten und alles Gute wünschen. Doch ganz so leicht ist der Beruf nicht.

Aussehen wie ein Popstar

Da ist zunächst das Aussehen: eine Standesbeamte muss immer gut aussehen, wie ein Popstar. An Hochzeitstagen steht Dschamilja um sechs Uhr morgens auf, um sich um Frisur und Make-up zu kümmern. Da jedes Paar seine glücklichen Momente auf dem Standesamt fotografieren will, gerät auch Dschamilja ins Bild. Sie ist auf allen Hochzeitsaufnahmen anwesend und dementsprechend eine Berühmtheit in der Stadt Pawlodar.

Dann die Rede: ein guter Standesbeamter ist einfach verpflichtet, seine Ansprache mit Gefühl und von ganzem Herzen zu halten. Als drittes braucht Dschamilja Geduld. Sie registriert die Eheschließung nicht einfach nur, sondern begleitet junge Männer und Frauen während ihrer ganzen Zeit beim Standesamt. Die jungen Paare sind in der Regel beim Standesamt sichtbar aufgeregt. Bei der feierlichen Zeremonie kann vieles geschehen: Das zukünftige Ehepaar kann sich verspäten oder der Bräutigam die Ringe vergessen. Und dann folgen die Wallungen der Emotionen, der hysterischen Anfälle, der Tränen. Deshalb bemüht sich Dschamilja immer geduldig, korrekt, takt- und verständnisvoll zu bleiben. Dabei hilft ihr, dass sie studierte Psychologin ist.

Wie hat Dschamilja ihre Karriere als Standesbeamte begonnen? Von Beruf ist sie nicht nur Psychologin, sondern auch Juristin. Am Anfang arbeitete sie im Standesamt als Fachkraft. Dann musste sie auf Bitte der Direktorin einmal einspringen und eine Ehe registrieren. Das gefiel ihr so gut, dass sie sich entschloss, diese Tätigkeit weiterzuführen. Interessanterweise arbeitete Dschamilja vor 20 Jahren in einer Entbindungsklinik als Hebamme. Damals war sie bei der Geburt von Kindern anwesend, jetzt begleitet sie junge Menschen bei der Geburt ihrer neuen Familie – vielleicht ist es ihr Schicksal, Menschen bei ihren glücklichen Lebensereignissen zu begleiten.

Der Beruf hält jung

„Ich arbeite schon seit zwölf Jahren im Standesamt“, erzählt Dschamilja über ihren Beruf. „In dieser Zeit habe ich mehr als 20.000 Ehen registriert. Niemals wollte ich den Arbeitsplatz wechseln. Ich mag die Arbeit sehr. In jenem Moment, wenn die Herzen der jungen Leute warm und feierlich schlagen, fühle ich mich wie eine Fee oder eine Zauberin, die den Menschen Glück und Freude bringt. Wie kann man das gegen etwas anderes tauschen?!“

Und wirklich liegt ein gewisser Zauber in Dschamiljas Beruf. Sie, die auf ihrem Lebensweg jungen, lächelnden, mit Liebe erfüllten Menschen begegnet, scheint selbst nicht älter zu werden. Mit ihren 42 Jahren ist sie Mutter einer erwachsenen Tochter, sieht aber aus wie 25. Jeden Tag begegnet sie Positivem und wird von dieser Energie geladen – sie scheint keine Müdigkeit zu kennen: sogar nach einem langen Werktag, an dem sie manchmal 40 bis 50 Ehen schließt, sieht Dschamilja munter und lebenslustig aus.

Und doch gibt es einen Wermutstropfen in Dschamiljas Leben, der sie nach der Redensart wie einen „Schuster ohne Stiefel“ erscheinen lässt. „Während man tausende Menschen durch das Band der Ehe verbindet“, erzählt Dschamilja, „vergisst man manchmal das eigene Privatleben…“.

Von Merej Rachmuchan

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