Unterwegs mit Zelt und Pferden in den östlichen Gebirgen Kasachstans, um einen sibirischen Steinbock zu erlegen – was zunächst wie ein Drehbuch für einen neuen Nomadenfilm klingt, stellt sich als abenteuerliche Reise eines Geschwisterpaares aus Sachsen heraus. Der Jäger Holger Rohrbach träumt schon immer von der Erlegung eines sibirischen Steinbocks. Zu finden sind diese Tiere im Alatau-Gebirge im Südosten Kasachstans nahe der chinesischen Grenze, rund 350 Kilometer von Almaty entfernt.

Die Reiseautorin und Biologin Carmen Rohrbach war im Sommer 2019 zusammen mit ihrem Bruder in den kasachischen Bergen unterwegs. Während Holger Rohrbach sich mit seinen beiden Jagdführern auf die Suche nach den Steinböcken machte, erkundete sie allein die Natur. Vor kurzem ist dazu ihr neues Buch „Wildes Kasachstan – Auf der Fährte des sibirischen Steinbocks“ erschienen. Wir haben mit der Reisefreundin über ihre Erlebnisse und Eindrücke in Kasachstan gesprochen.

Carmen, Ihre Reise nach Kasachstan haben sie Ihrem Bruder zu verdanken. Stand dieses Land für Sie als Reiseautorin bereits auf Ihrer „Wunschliste“? Welche Erwartungen hatten Sie?

Seit ich mit 14 Jahren einen Atlas geschenkt bekam und darin den Tienschan und den Altai sah, war mein Wunsch geweckt, diese hohen Gebirge zu besteigen und zu erforschen. Da ich in der DDR geboren wurde, dort aufwuchs und zur Schule ging, erfuhr ich natürlich viel über die ehemalige Sowjetrepublik Kasachstan, und mein Interesse an dem Land wuchs. Damals waren meine Reisewünsche naturgemäß eher nach Osten gerichtet als nach dem uns völlig verschlossenen Westen. Aber Reisen nach Kasachstan waren fast ebenso unmöglich. Es gab einige Ausnahmen: Ich war Mitglied einer Dresdener Klettergruppe, die die Erlaubnis bekam, Mitglieder für eine Expedition in die Berge Kasachstans auszuwählen. Zu meinem Bedauern wurde ich allerdings nicht ausgewählt. Anschließend stillte ich lange meine Sehnsucht mit Büchern wie denen des kirgisischen Autors Dschingis Aitmatow oder des tuwinischen Schriftstellers Galsan Tschinag.

Als mein Bruder mir von seinem Plan berichtete, nach Kasachstan zu reisen, war ich sofort begeistert. Der lange gehegte Wunsch, das Land näher kennenzulernen, rückte in greifbare Nähe. Feste Erwartungen hatte ich nicht, außer dass sich ein Traum verwirklichte und ich so viel wie möglich von diesem Land, über das ich einiges gelesen und gehört hatte, endlich näher kennenlernen wollte.

Beschreiben Sie Ihre Eindrücke des Alatau-Gebirges. Was hat Sie dort besonders fasziniert? Welchen Tieren und Pflanzen sind Sie begegnet?

Mich hat diese Kargheit der Natur fasziniert. Eine Natur, die eigentlich lebensfeindlich ist. Nur wenigen Tieren und Pflanzen gelingt es, diesen harten Umweltbedingungen zu trotzen. Doch gerade diese Lebewesen interessieren mich als Biologin. Meine beeindrucktendsten Beobachtungen waren Bartgeier und Braunbären. Aber auch kleine Lebewesen wie Ziesel, Schmetterlinge, Libellen und der Dsungarische Hamster haben mich erfreut. Bei den Pflanzen waren es viele alte Bekannte wie Enzian und Edelweiß, die ich aus den Alpen kenne. Nach der Eiszeit sind diese Blumen aus den asiatischen Gebirgen wieder nach Europa gekommen, indem ihre Samen durch Wind und Vögel verbreitet wurden.

Wie haben Sie die wenigen Menschen erlebt, die Sie getroffen haben? Wie sind Sie und Ihr Bruder mit den Sprachbarrieren umgegangen?

Leider habe ich nicht so viele Bewohner getroffen, wie ich gehofft hatte, da es keine individuelle, selbst organisierte Reise war, sondern eine, die von einem Reiseveranstalter angeboten wurde. Fast alle Menschen begegneten mir mit großer Herzlichkeit, wie ich sie so in keinem Land zuvor erfahren habe. Das trifft vor allem auf die Frauen zu. Kaum sahen sie mich, eilten sie zu mir, umarmten mich, obwohl wir uns noch gar nicht kennengelernt hatten. Das kam daher, meine ich, weil ich eine Frau bin, wie sie selbst. Männer nahmen mich natürlich nicht in den Arm, aber sie waren freundlich, höflich und liebenswürdig. Sie versuchten, mir den Aufenthalt bei ihnen so angenehm wie möglich zu gestalten.

Ich hatte einen Sprachführer der kasachischen Sprache dabei, welcher mir leider keine große Hilfe war. Die Wörter und Sätze, die ich versucht hatte, mir vor der Reise einzuprägen, halfen mir nicht dabei, eine Unterhaltung zu führen. Ebenso wenig half mir das Russische, das ich damals in der Schule gelernt hatte. Ich erinnerte mich nur noch an einzelne Wörter und wenige Sätze. Würde ich zukünftig eine Reise nach Kasachstan planen, dann würde ich vorher einen kasachischen Sprachkurs belegen. Mein Bruder verständigte sich mit unseren beiden Guides mit wenigen deutschen Wörtern, die die beiden kannten, und mit einer Körpersprache, zu der er ein schauspielerisches Talent entwickelte.

Sind Sie dabei auch ein wenig mit den kasachischen Traditionen in Kontakt gekommen?

Einen ersten Kontakt und Einblick in das Leben kasachischer Bevölkerung bekam ich bereits bei meiner Reise in die Mongolei einige Jahre zuvor. Nahe der Grenze zu Kasachstan lernte ich kasachische Familien kennen, die sich vor Jahrhunderten auf mongolischem Gebiet im Altai angesiedelt hatten. Sie hatten ihre Sprache behalten und pflegten ihre alten Traditionen.

Kurz vor unserer Abreise nahm mich zu meiner großen Freude und zu meinem Glück die Köchin des Bergcamps mit in ihr Dorf. Dort erlebte ich eine großartige Gastfreundschaft, die mich zu einem Teil der Großfamilie werden ließ. Ein beglückendes Erlebnis, das noch dadurch vertieft wurde, dass der Enkel meiner Gastgeberin sehr gut Englisch sprach und für mich übersetzte.

Haben Sie schon Pläne für Ihre nächste Reise? Wie beeinflusst die Corona-Pandemie Ihre Arbeit?

Pläne habe ich viele. Die Erde ist größer, als ein Menschenleben dauert. Vor allem, wenn man sich, wie ich, für die unterschiedlichsten Landschaftsformen interessiert. Nicht nur für Hochgebirge, sondern auch für Wüsten, Urwälder und ewiges Eis, aber auch für die Menschen und deren Traditionen, die in diesen extremen Landschaften leben.
Auf meinem Plan steht schon seit sehr langer Zeit eine Exkursion nach Kamtschatka, der Halbinsel im äußersten Osten Sibiriens. Doch leider sind wegen der Einreisebeschränkungen und Reisestopps bereits zwei Jahre vergangen, ohne dass ich das eine oder andere Vorhaben hätte verwirklichen können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Annabel Rosin.

Das Buch ist unter anderem auf Amazon sowie auf der Homepage www.carmenrohrbach.de erhältlich.

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