Um die vor nunmehr vier Jahren in Kraft gesetzte „Strategie der industriell-innovativen Entwicklung der Republik Kasachstan bis zum Jahre 2015“ ist es in letzter Zeit etwas ruhiger geworden.

Das ist keinesfalls ein schlechtes Zeichen, ist doch ein allzu großer Rummel der praktischen Durchsetzung solcher strategischer Dokumente meist eher abträglich. Bedenklich stimmt da eher die Ungeduld, mit der manche Politiker Ergebnisse aus den vorhandenen Stratgieorientierungen sehen wollen. Es lassen sich aber keinesfalls auf Knopfdruck von oben Resultate in Form innovativer Produkte herbeizaubern. Das um so mehr, weil die genannte Strategie den Geburtsfehler hat, dass sie überwiegend ohne das Mitwirken von Unternehmern, sozusagen „von oben“ entstanden ist.

Innovative Produkte aber werden nicht von Staatsangestellten und Beamten erfunden, sondern von solchen Unternehmen, die sich mit aller Konsequenz auf die Märkte von Morgen konzentrieren. Das ist immer mit einem hohen Risiko verbunden, denn das Verhalten der Verbraucher ist, wie alle Aussagen für die Zukunft, nur mit einem mehr oder weniger hohen Grad an Ungewissheit vorhersagbar. Auch die vielgelobte Marktforschung kann nur Teilresultate liefern, sie ist keinesfalls eine Art Zaubermittel. Erschwerend wirkt, dass unter den Bedingungen der Globalisierung, die auch das Erscheinen neuer Produkte von bisher unbekannten Produzenten bedeutet, das Verhalten der Verbraucher stärker als früher Schwankungen unterworfen ist und demnach weniger genau analysiert werden kann.
Im Zusammenhang mit der genannten Strategie wird im Moment in Kasachstan diskutiert, weshalb so viele, angeblich gute Projekte von Erfindern nicht praktisch umgesetzt werden und in der Schublade moralisch altern. Wenn es denn wirklich so sein sollte, dass es viele ungenutzte Erfindungen gibt, so muss natürlich immer auch deren mögliche praktische Bedeutung nachgefragt werden.

Doch zunächst zur angeblich großen Menge ungenutzter Erfindungen. Eine genaue Statistik darüber kann es natürlich nicht geben, weil nur offiziell angemeldete Patente erfasst werden können. Letztere Zahl ist in Kasachstan nicht allzu berauschend. Sie kann auch nicht allzu hoch sein, weil es im Moment doch nur eine völlig unzureichende technische Basis für Erfinder in Form von Laboratorien und anderen technischen Voraussetzungen gibt. Es ist sicher so, dass zu Zeiten der Sowjetunion das technische Potential für Erfindungen zumindest punktuell sehr gut war. Doch wenn auch nur wenige Jahre dieses Potential nicht gepflegt und erweitert wird, kann es ab einem bestimmten Punkt ganz einfach nicht mehr mit dem enormen internationalen Tempo mithalten. In manchen Bereichen genügt sogar ein Stillhalten von nur ein, zwei Jahren, um hoffnungslos ins Hintertreffen zu geraten. Das ist im Moment zum Beispiel am russischen Flugzeugbau gut zu beobachten. Hier wird derzeit mit einem riesigen Kraftaufwand versucht, wieder ein wettwerbsfähiges Flugzeug auf die Räder zu stellen. Ob das gelingen wird, ist trotz der langen russischen Tradition in dieser Sparte überhaupt nicht sicher. Zu groß sind ganz einfach die Rückstände, die in den Jahren der wirtschaftlichen Stagnation Russlands eingetreten sind. Deshalb wird erst gar nicht versucht, alle wesentlichen Komponenten alleine zu erfinden. Eine Chance hat man mit Sicherheit nur dann, wenn es gelingt, die international renommierten Zulieferer am Projekt „Reanimierung des russischen Flugzeugbaus“ zu interessieren. Heutzutage geht es meist nicht mehr um Erfindungen um jeden Preis. Es müssen kaum vordergründig Prestigeaspekte – zum Beispiel Raumfahrt – realisiert werden. Innovative Projekte müssen sich am Ende auch in relativ kurzen Zeiträumen rechnen. Sie können also keine abstrakte Spinnerei sein, sondern müssen einen praktischen Kundennutzen bewirken und zudem noch in ausreichend großer Stückzahl verkauft werden können. Hier liegt meist der Hund begraben. Gar zu viele Erfindungen – und das nicht nur in Kasachstan – sind nicht oder nicht ausreichend an den Markterfodernissen ausgerichtet. Im Durchschnitt etwa zwei Drittel aller mit großem finanziellen und organsiatorischem Aufwand eingeführten Produkte (einschliesslich für die Marktforschung) floppen, sie rechnen sich also nicht und verschwinden schnell wieder vom Markt.
Es ist sehr leicht, die Forderung aufzumachen, zu erfinden und innovative Produkte herzustellen. In der Praxis ist es aber sehr schwierig, in einer Phase, wo Erfindungen erst auf dem Papier stehen, zwischen Genialität und Hirngespinst zu unterscheiden. Zumindest von den Ideen, die mir immer wieder vorgelegt werden, sind einfach zu viele nicht am Markt orientiert. Sicher kann man diesen kleinen Erfahrungsausschnitt nicht unbedingt verallgemeinern. Da aber Marketing auch nach 15 Jahren Marktwirtschaft in Kasachstan bei weitem noch nicht zu den wirklich entwickelten Sachbereichen zählt, ist die Gefahr sehr groß, dass dieser entscheidende Aspekt vernachlässigt wird. Es muss natürlich trotz allem weiter kräftig gesponnen werden – also Ideen sind zu entwickeln. Zugleich müssen die Erfinder aber auch Instrumente in die Hand bekommen, das Marktpotential ihrer Ideen in einem noch rohen Stadium bewerten zu können. Hier ist im Moment eher Windstille und demnach ein breites Feld für Aktivitäten von staatlichen Einrichtungen, aber auch von Hochschulen und entsprechenden Spezialisten vorhanden.

Bodo Lochmann

07/09/07

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