Der Salzsee Issyk-Kul im Nordosten Kirgisistans ist der zweitgrößte Gebirgssee der Welt und gilt als beliebter Urlaubsort in Zentralasien. Umringt von wunderschönen Landschaften, unberührter Natur und endlosen Bergketten, wird der See sowohl als Naturschutz- als auch als Erholungsgebiet genutzt. Doch diese zwei Seiten stehen oft im Widerspruch zueinander.

Der Issyk-Kul ist wie viele andere Seen auch vom Klimawandel betroffen. Aktuelle Studien zeigen, dass sich die Wassertemperatur des Sees etwa alle 30 Jahre um 1,5 Grad erhöht. Extreme Hitzewellen in den Sommermonaten führen dazu, dass die Erde austrocknet; Verdunstungen lassen beispielsweise kleinere Flüsse, die vom Issyk-Kul abgehen, nach und nach verschwinden. Auch das Risiko von Überschwemmungen steigt aufgrund von Schneeschmelzen an den Bergspitzen und häufiger auftretenden Starkniederschlägen.

All das spürt man kaum, wenn man sich am Strand des Sees entspannt, auf einer Hotelterrasse den Sonnenuntergang genießt oder in heißen Quellen badet. Was man aber unmittelbar entdeckt, sind riesige Müllberge am Seeufer, die sich über den gesamten Strand erstrecken: Fischernetze, Plastikflaschen, Verpackungen und verschiedenster Haushaltsabfall reihen sich neben Muscheln, Steinen und Sandpflanzen ein. Durch die achtlose Müllentsorgung gelangt immer mehr Plastik ins Wasser, welches den See verschmutzt und Fische gefährdet.

Der Mangel an einem konsequenten System für Müllentsorgung ist aber kein individuelles Problem der Bevölkerung Kirgisistans – es ist vor allem ein institutionelles Problem. Obwohl das Land seit Jahren eine Reihe von Umweltgesetzen etabliert, gibt es noch keine planmäßige Regulierung der Müllentsorgung. Es fehlt an Expertise, finanzieller Unterstützung und Innovationen für Recyclingprozesse. Besonders in größeren Städten wie Bischkek wird dies deutlich: Über 1.000 Tonnen Haushaltsabfall werden täglich von der Müllabfuhr eingesammelt und einfach in Tälern am Rande der Stadt abgelagert.

Internationaler Tourismus und naturnahes Verantwortungsbewusstsein

Globale Umweltaktionen wie der World Clean Up Day am 17. September 2022 sollen die öffentliche Aufmerksamkeit auf diese Probleme lenken. Jedes Jahr beteiligen sich über 180 Länder an diesem Tag daran, Parks, Flüsse und Wälder von Müll zu befreien. Zigarettenfilter und Plastikverpackungen gelten dabei als wahre Umwelt-Killer, weil sie nicht ökologisch abbaubar sind. Auch in Kirgisistan werden jedes Jahr Nationalparks, Grünflächen und Seen von Freiwilligen gesäubert. Mit Unterstützung der OSZE, des Aarhus Center und des kirgisischen Ministeriums für Umweltschutz konnten im Jahr 2020 mehr als fünf Tonnen Abfall am Issyk-Kul gesammelt werden. Auch Schüler und Jugendliche werden immer mehr eingebunden in solche Projekte, um ihnen Umweltbewusstsein und nachhaltiges Leben näherzubringen.

Aber ausschließlich auf freiwillige Helfer kann sich das Klima nicht verlassen. Folgende Frage drängt sich daher auf: Wie genau kann nachhaltiger Tourismus in Kirgisistan aussehen? Projekte wie ACTED, PERETO oder Helvetas setzen sich in Kirgisistan für nachhaltige Tourismusentwicklung ein. Die von der Europäischen Union geförderten Programme fokussieren sich auf eine Tourismusbranche, die ökologisch nachhaltig, technologisiert, wettbewerbsfähig und gleichzeitig sensibel gegenüber der lokalen Bevölkerung ist – das heißt, sich von Massentourismus eindeutig distanziert. Daher arbeiten sie eng mit örtlichen Geschäften, Restaurants und Reiseagenturen zusammen und binden die indigene Nomadenkultur sowie akademische Forschungseinrichtungen in ihr Vorhaben ein. Dabei soll das allgemeine Umweltbewusstsein der Einwohner gestärkt und strukturelle Probleme wie Wasserknappheit, fehlende Stromversorgung und unreflektiertes Konsumverhalten behoben werden. Kirgisistan soll mit finanzieller Hilfe in Zukunft in der Lage sein, seine natürlichen Ressourcen schonend zu nutzen oder Naturkatastrophen abwehren zu können.

In Kirgisistan steckt Ökotourismus also noch in den Kinderschuhen. Ein Land, dessen Staatsterritorium zu rund 95 Prozent aus Bergen, Seen, Wäldern und Weiden besteht, braucht deshalb umfangreiche Umweltschutzregelungen, die Ökosysteme wie den Issyk-Kul bewahren – und gleichzeitig internationalen Tourismus ermöglichen, der für ein naturnahes Verantwortungsbewusstsein steht.

Antonia Skiba

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