In der ungarischen Hauptstadt Budapest hat das Bekanntwerden von Wahlkampflügen des Ministerpräsidenten Gyurcsany schwere Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei ausgelöst.
WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG (Essen)
„Die Bilder sind eindrucksvoll. Man denkt an den Volksaufstand der Ungarn 1956, macht sich die Forderungen nach Rücktritt des Ministerpräsidenten zu eigen, denn der Regierungschef hat dreist gelogen und so schäbig seine Wahl gesichert. Junge Demokratien brauchen verantwortliche Politiker und keine Lügner. Doch was hat Ministerpräsident Gyurcsany genau getan? Er ist intern mit sich und seiner Partei ins Gericht gegangen. Das wurde öffentlich gemacht und hat Unruhen ausgelöst.”
TAGESZEITUNG (Berlin)
„Die Bilder von brennenden Autos und gewalttätigen Randalierern, die in Budapest die Fernsehstudios kurz und klein schlagen, vermitteln kein realistisches Bild von den Protesten der letzten Tage. Stadtbekannte Hooligans nutzten den Anlass, um sich einmal richtig auszutoben. Mit der Empörung über die Rede von Premier Ferenc Gyurcsány hat das eher wenig zu tun. Aber die politische Krise ist real. Doch es ist eine Glaubwürdigkeitskrise, die nicht nur die Regierenden, sondern auch die Opposition betrifft.”
OSTSEE-ZEITUNG (Rostock)
„Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd, sagte Otto von Bismarck (…) einst. Der „Eiserne Kanzler“ hat post mortem wieder einmal Recht bekommen, wie der jüngst ruchbar gewordene Skandal um den ungarischen sozialistischen Premier Ferenc Gyurscany belegt. (…) Viele Volksvertreter glauben offenbar, man müsse den Wählern erzählen, was sie hören wollen. Dazu gehören kaum haltbare Versprechen.”
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
„Weder die Lage im Lande noch die Ziele der Randalierer taugen als Anknüpfung an die heldenhaften Tage vor fünfzig Jahren. Jetzt geht es nicht um den Kampf gegen eine Diktatur und deren ausländische Schutz- und Besatzungsmacht. Jetzt geht es um ein Reformprogramm, das die Demonstranten in seinen Einzelheiten gar nicht kennen. Die Regierung Gyurcsány ist kurz nach ihrer Bestätigung in Parlamentswahlen in eine Krise geraten, die sie aber ohne weiteres bestehen kann.”
NÜRNBERGER ZEITUNG
„Hätte es in Budapest nicht 200 Verletzte gegeben, käme fast ein wenig Neid auf. Beim EU-Neuling empörte sich das Volk spontan, nachdem es mitbekommen hatte, wie schamlos es von der Regierung belogen worden war. Das war Emotion pur (…) In Deutschland hätte sich der Bürger eher resigniert zurückgelehnt als auf die Straße zu gehen.”