Am 3./4. April fand in Usbekistan das erste Gipfeltreffen mit Vertretern der EU und der zentralasiatischen Staaten statt. Teilgenommen haben die Staats- und Regierungschefs von fünf zentralasiatischen Ländern, als auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Präsident des Europäischen Rates António Costa.

Nachdem Zentralasien viele Jahre seitens der EU vernachlässigt wurde, sehen die Staatschefs in dem ersten EU-Zentralasien-Gipfel den Neubeginn einer für alle Seiten bereichernden Kooperation auf multiplen wirtschaftlichen Ebenen. Die EU will sich den zentralasiatischen Staaten annähern und steht dabei in großer Konkurrenz zu China und Russland, die bereits jahrzehntelang, auch historisch bedingt, enge Kontakte nach Zentralasien pflegen.

Der EU–Zentralasien-Gipfel war für alle Seiten ein voller Erfolg, denn dort wurde der Grundstein für gleich mehrere zukunftsweisende Projekte und Kooperationen gelegt.

Ein großes Investitionspaket

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, kündigte ein Investitionspaket in Höhe von 12 Milliarden Euro an. Dieses wird die Zusammenarbeit der EU mit Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Turkmenistan im Rahmen der EU-Strategie „Global Gateway“ stärken und Investitionen in strategisch wichtigen Bereichen ankurbeln. Das „Global Gateway – Investitionspaket“ zielt vor allen Dingen auf folgende Themen ab: Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, in sogenannte „kritische“ Rohstoffe, in eine saubere Energiewirtschaft und in die digitale Konnektivität.

In den Reden, die seitens der fünf Staatschefs auf dem Gipfeltreffen gehalten wurden, gab es zwei Hauptbotschaften, die der EU eindringlich vermittelt werden sollten. Zum einen, dass die zentralasiatischen Staaten bewiesen haben, dass heute innerhalb dieser Region gutnachbarliche Beziehungen vorherrschen und ein gemeinsames harmonisches Konzept für die weitere Entwicklung erarbeitet worden ist.

Der Haupttenor in allen Reden der zentralasiatischen Staats- und Regierungschefs auf dem ersten EU-Zentralasien-Gipfel war jedoch der, dass Zentralasien eine Region ist, die stabil ist und die angemessen zur Entwicklung der strategischen Beziehungen mit Europa beitragen könne.

Zum anderen wurde immer wieder erwähnt, dass Zentralasien als eine Einheit, als Ganzes wahrgenommen werden möchte. Denn diese Region spielt eine wichtige Rolle in den Beziehungen zwischen den Großmächten Russland und China, wobei daran erinnert wurde, dass Zentralasien ein verlässlicher Lieferant für wichtige Rohstoffe und Materialien ist.

Bei Letzteren sind hauptsächlich Erdöl, Erdgas, seltene Erden und Metalle, aber auch Uran gemeint. Aber auch Lebensmittel wie Weizen gehören dazu. Durch die geopolitischen Verwerfungen der letzten drei Jahre hat dieses Segment einen völlig neuen Stellenwert erhalten. Zentralasien ist auch in dieser Hinsicht eine verlässliche Brücke zwischen Europa, China und Südostasien.

Kasachstan – wichtigster Partner der EU

Die Europäische Union ist der größte Handelspartner und Investor Kasachstans. Der Anteil der EU am Gesamtvolumen der ausländischen Direktinvestitionen in Kasachstan beträgt über 40 Prozent. Das Handelsvolumen zwischen Kasachstan und den EU-Mitgliedstaaten beträgt rund 50 Milliarden US-Dollar, was 80 Prozent des gesamten Handels der EU mit den zentralasiatischen Staat ausmacht.

Anhand des Auszugs aus der Erklärung des Staatsoberhaupts der Republik Kasachstan auf dem Gipfeltreffen „Zentralasien – Europäische Union“, ist ersichtlich, in welchem Umfang und auf welchen Gebieten die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit intensiviert werden kann.

Handel und Export

Kasachstan ist bereit, seine Exporte in die Europäische Union in 175 Produktkategorien auf insgesamt über 2 Milliarden US-Dollar zu steigern. Rund 13 % der Rohölimporte der EU stammen aus Kasachstan, der Großteil davon wird über die Erdölleitung des Kaspischen Pipeline-Konsortiums (CPC) transportiert.

Kasachstan schätzt die Unterstützung der EU für den stabilen und langfristigen Betrieb der Erdölleitung des CPC sehr und entwickelt aktiv alternative Rohstofftransportrouten.

Das Thema „alternative Rohstofftransportrouten“ spielt eine enorm wichtige Rolle. So gibt es insbesondere Vorschläge, den sogenannten mittleren Korridor über Kasachstan, das Kaspische Meer, den Kaukasus und die Türkei auszubauen und verstärkt zu nutzen.

Energie und Verkehr

In Zusammenarbeit mit Total, Eni, Svevind und anderen europäischen Partnern entwickelt Kasachstan Projekte für erneuerbare Energien und die Produktion von grünem Wasserstoff. Darüber hinaus haben Kasachstan, Usbekistan und Aserbaidschan die technische Prüfung eines Großprojektvorschlags zum Bau einer Stromübertragungsleitung gestartet, um künftig „grüne Energie“ über das Kaspische Meer in die Richtung der EU liefern zu können.

Kasachstan produziert 19 von 34 für die EU-Wirtschaft wichtigen Rohstoffen, darunter Uran, Titan, Kupfer, Lithium, Kobalt, Wolfram und weitere. Im Rahmen einer Vereinbarung mit der EBWE (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) werden gemeinsame Projekte im Bereich der geologischen Exploration und der Einführung nachhaltiger Praktiken im Bergbau umgesetzt.

Parallel zu den Gipfelgesprächen gab das kasachische Industrieministerium die Entdeckung eines großen Vorkommens Seltener Erden in der Region Karaganda bekannt. Dazu gehören Cer, Lanthan, Neodym und Yttrium. Diese Elemente spielen eine entscheidende Rolle in der modernen Industrie, insbesondere bei der Herstellung von Elektroautos, Smartphones und Windkraftanlagen.

Angesichts des Versorgungsengpasses bei Seltenen Erden und der hohen Importabhängigkeit der EU ist diese Entdeckung von strategischer Bedeutung. Brüssel verfolgt das Ziel, die eigene Rohstoff-Versorgungssicherheit in der Region Zentralasien zu stärken, um nachhaltige und widerstandsfähige Lieferketten aufzubauen.

Im Jahr 2024 stieg das Volumen der Containertransporte über die transkaspische Route um 62 % auf 4,5 Millionen Tonnen. Ziel ist es, bis 2027 10 Millionen Tonnen zu erreichen. Kasachstan spielt außerdem eine Schlüsselrolle bei der Erzeugung sauberer Energie und deckt rund 40 % der weltweiten Kernbrennstoffversorgung ab.

Anfang des Jahres richtete Kasachstan unter der Leitung des Präsidenten einen Internationalen Beirat für Künstliche Intelligenz ein. Ein groß angelegtes Programm zur Ausbildung von 100.000 hochqualifizierten IT-Fachkräften wird umgesetzt.

Weiter schlug der Präsident Kasachstans vor, die Einrichtung eines regionalen Forschungszentrums für Seltene Erden zu initiieren. Es wurde eine Initiative zur Entwicklung eines Erasmus+-Programms für Zentralasien eingebracht, dessen Schwerpunkt auf der Ausbildung von Fachkräften in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Wasserressourcenmanagement, Biotechnologie und anderen Schlüsselbereichen liegt.

Angesichts globaler Instabilität ist es entscheidend, bei der Bewertung internationaler Entwicklungen Zurückhaltung und Verantwortungsbewusstsein zu zeigen. Der Präsident rief alle Staaten dazu auf, die UN-Charta und die allgemein anerkannten Grundsätze des Völkerrechts zu achten und die Arbeit von UN-Generalsekretär António Guterres zu unterstützen. Diese Botschaft ist im Jahr des 80. Jahrestages der Gründung der Vereinten Nationen besonders relevant.

Kasachstan setzt sich konsequent für eine friedliche Konfliktlösung ein. Der Beginn von Verhandlungen über den Konflikt Russlands mit der Ukraine wird begrüßt, was verbunden sei mit der Hoffnung auf ein positives Ergebnis dieser Verhandlungen, die im vollen Verständnis für die Komplexität der Situation geführt werden sollten.

Präsident Tokajew betonte, dass das Abkommen über eine verstärkte Partnerschaft und Zusammenarbeit weiterhin die Grundlage für das Zusammenwirken zwischen Kasachstan und der EU bildet.

Usbekistan

Insgesamt geht es der Europäischen Union unter anderem um eine Diversifizierung der europäischen Energieversorgung. Im Falle von Usbekistan geht es vor allem um den Abbau seltener Erden. Usbekistan ist reich an Bodenschätzen. Russland und China sind seit langem daran interessiert.

Schawkat Mirsijojew, Präsident der Republik Usbekistan, erklärte: „Zentralasien und die Europäische Union sind traditionelle Partner und die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit nimmt weiter zu. Die Entwicklung unserer vielfältigen Zusammenarbeit wird durch den tiefgreifenden Wandel in Zentralasien erleichtert, der dank des gemeinsamen politischen Willens nachhaltig und unumkehrbar geworden ist. Ich möchte betonen, wie wichtig es ist, Mechanismen für die praktische Umsetzung unserer Initiativen und Vereinbarungen einzuführen.“

Die Europäische Union sei jedoch spät dran. Daher sei es umso wichtiger, dass möglichst bald aus Theorie auch Praxis wird.

Christian Grosse 

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