Totgesagte leben bekanntlich länger. Dieser abgegriffene Spruch bewahrheitet sich im Moment aber wieder einmal, diesmal bezogen auf die USA und ihre Wirtschaft.

Bekanntlich waren die Finanzprozesse in den USA der Auslöser der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 bis 2010, wodurch die Weltwirtschaft fast in den Abgrund gezogen wurde. Nur durch enorme Finanzspritzen aus der Staatskasse konnte das drohende Desaster des Zusammenbruchs der noch verbliebenen Reste der amerikanischen Realwirtschaft verhindert werden. Der Preis dafür ist zwar eine enorme und neue Gefahren bedeutende Verschuldung des Staates, die Privatwirtschaft der USA floriert jedoch dafür wie in seinen schönsten Zeiten. Von den zehn im Moment weltweit ertragsstärksten Unternehmen kommen nicht weniger als neun aus den USA, allen voran der Finanzdienstleister Visa, der Versicherer „United Health“, der Tabakkonzern „Philipp Morris“ und die Fast-Food-Kette McDonalds. Aber auch die Autokonzerne, die vor vier Jahren mit Staatsgeld gerettet werden mussten, verdienen wieder prächtig und haben begonnen, ihre Schulden an den Staat zurückzuzahlen. Was letztere betrifft, hat zu ihrem Erfolg eine Reihe von Faktoren beigetragen, die noch vor ein paar Jahren kaum denkbar gewesen wären. So hat sich die Autoindustrie der USA – zumindest teilweise- von ihrer Strategie „größer teurer viel verbrauchend“ verabschiedet und ist dabei, ihre Produktpalette um relativ spriteffiziente Modelle zu erweitern. Der drohenden Gefahr der Verlagerung von Arbeitsplätzen nach China zur Fertigung des Kleinwagens „Chevrolet Sonic“ kamen die Gewerkschaften mit einer bisher nicht bekannten Flexibilität zuvor: Zum Erhalt der Arbeitsplätze vereinbarten sie mit der Firmenleitung flexible Arbeitszeiten, die auch einen Schichtbetrieb erlauben und eine Senkung der Stundenlöhne auf ein Niveau, dass eine konkurrenzfähige Produktion in den USA ermöglicht. Die Arbeiter beteiligen sich mit Vorschlägen an der Verbesserung der Produktion, dafür werden sie finanziell am Ergebnis beteiligt, was einen Teil der Lohneinbußen kompensieren wird. Hier wird im Prinzip die amerikanische Autoindustrie neu geboren, Kleinwagen waren bisher in den USA ja so etwas wie der Teufel für einen guten Christen.
Aber auch andere Sektoren boomen nicht nur weil, aber auch weil sich die Amerikaner wieder etwas einfallen lassen. Die Wettbewerbsfähigkeit der größten und nach wie vor wichtigsten Volkswirtschaft der Welt steigt auch wegen des niedrigen Dollarkurses und der niedrigen Energiepreise. Die sprudelnden Gewinne der Firmen erlauben ihnen wieder mehr zu investieren und so ihre Leistungsfähigkeit weiter zu steigern. Ford zum Beispiel will bis 2015 nicht weniger als 16 Milliarden Dollar nur in seine amerikanischen Unternehmungen stecken und damit 12 000 neue Arbeitsplätze schaffen. Auch deutsche Hersteller sind nicht geizig: das Mercedes-Werk in Alabama soll mit mehr als 2 Milliarden Dollar ausgebaut werden, um 1400 neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Auch kleine und mittlere Unternehmen erleben im Moment ihr Comeback, was mit dazu beigetragen hat, dass sich die Industrieproduktion der USA nun schon 31 Monate hintereinander nur nach oben bewegt.

Zwar sind im Moment die Benzinpreise für US-Verhältnisse unerträglich hoch, doch das kurbelt seinerseits wieder die Förderung von Öl und Gas an, von denen die USA über enorme Vorräte verfügen. Der Erdgaspreis z.B. ist fast viermal niedriger als in Europa, so dass Strom billig erzeugt werden kann. Das lockt wieder Chemie- und Stahlunternehmen an, die ihre Produktion ausweiten.

Zwar ist im Moment bei weitem nicht alles Gold, was in den USA glänzt, doch die Stimmung in der Wirtschaft ist ausgezeichnet, was eine nicht unwesentliche Bedingung dafür ist, dass sich das Land von seinen teilweise über lange Zeiträume angehäuften wirtschaftlichen Problemen abkoppeln kann. Vorschnell sollte man die USA also nicht abschreiben.

Bodo Lochmann

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