Unter dem Motto „Reformperspektiven in Kasachstan“ hatte die „Zentralasiatische Stiftung für Demokratie“ am 23. November ins Almatyer Hotel Intercontinental geladen. Bestimmende Themen waren neben dem für das Jahr 2009 angestrebten OSZE-Vorsitz Kasachstans auch die Frage, wie es gelingen kann, die politische, soziale und ökonomische Situation in Kasachstan zu verbessern. Während der kontroversen Diskussion der zahlreichen Vertreter von Parteien, Organisationen, Gremien und der Presse wurde vor allem eines deutlich: Der Reformprozess steht und fällt mit der Annäherung Kasachstans an den Westen. Der DAZ-Mitarbeiter Christoph Salzl dokumentiert die ökonomischen Dimensionen des Transformationsprozesses, während Jan Peter beschreibt, wie der Stand der politischen Reformen während der Konferenz bewertet wurde und welche Rolle der OSZE-Vorsitz für die Zukunft Kasachstans spielen könnte.

„In Kasachstan stehen große Probleme an, die gelöst werden müssen. Darunter die Reform des Gesundheitssystems, die Landreform und die Bekämpfung der Korruption.“ Jerkin Turkumow, der Generaldirektor der „Zentralasiatischen Stiftung für Demokratie“, kam bei seinen Eröffnungsworten ohne große Umschweife zu den Themen der internationalen Konferenz für Perspektiven politischer Reformen in der Republik Kasachstan. Als Veranstalter hatte Turkumows Organisation Vertreter von Parteien, Organisationen, Gremien und der Presse zur Tagung ins Almatyer Hotel Intercontinental eingeladen. Ebenfalls deutlich wurde in seiner Einleitung, dass die Ökonomie eines Landes untrennbar mit der Politik und den sozialen Standards verbunden ist, und dass die momentane Bewerbung Kasachstans für den OSZE-Vorsitz 2009 abhängig von deren Ausgang die Entwicklungen im Land sowohl positiv als auch negativ beeinflussen könne.

Juri Solbosow: „Keine Reformen in Kasachstan nötig“

Unnötig ist der Reformprozess, der auf den OSZE-Vorsitz abzielt, wenn es nach Juri Solbosow, dem politischen Experten und Chefredakteur des Internetportals „APN Kasachstan“, geht. Seines Erachtens würde die Bedeutung Europas in Russland und Kasachstan im Moment überbewertet. Beide Staaten seien keine natürlichen Mitglieder der EU, und somit sehe er keine Veranlassung, europäische Werte zu übernehmen. Vielmehr sollten die ehemaligen Sowjetstaaten nach Ansicht Solbosows eine gemeinsame Politik verfolgen, einen konstanten Weg des Dialogs mit Europa einschlagen und sich nicht weiter anbiedern. „In beiden Ländern herrscht keine Ressourcengerechtigkeit. Zu viel Energie wird nach Europa exportiert. Im Gegenzug entstehen Engpässe auf dem eigenen Markt“, bemängelte der Politologe. Sein Nachredner Oraz Schandosow, Mitglied der Partei Ak Schol, sprach über die ökonomischen Dimensionen politischer Reformen. Ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei nicht der einzige Indikator einer florierenden Wirtschaft. Seiner Ansicht nach stecke dahinter eine Strategie der Regierung, negative Entwicklungen hinter positiven Faktoren zu verstecken. Vor allem zu bedenken sei, dass in Kasachstan und Russland ein Ressourcenreichtum vorliege, der den Staatshaushalt enorm vorantreibe. Somit müsse es vordringliches Anliegen der Regierung sein, objektive Indikatoren einzuführen, an denen der Fortschritt gemessen werden könne. Letztlich könne man überhaupt erst so die Arbeit der Regierung und die Wirkungen der ökonomischen Reformen objektiv bewerten. „Kasachstan muss die Petrodollars sinnvoll einsetzen und Produktionen aufbauen. Das passiert aber im Moment nicht. Man konzentriert sich nur auf die Ressourcen und lässt alle anderen Teile der Wirtschaft verrotten. Resultat ist, dass unser Land ein niedrigeres Pro-Kopf-Einkommen als Russland hat, es keine Innovationen und kaum positive Trends gibt“, so Schandosow. Um ein allgemeines strategisches Investitionsklima zu schaffen, sei nach Ansicht des Oppositionspolitikers allen voran Demokratie wichtig. Besonders deutlich werde das im Falle der Korruption, wo es keine Fortschritte gebe, weil diese Art der Kriminalität ohne politische Reformen nicht in den Griff zu bekommen sei. Monopole und fehlende ökonomische Kompetenz würden das ihrige zur stagnierenden Entwicklung in Kasachstan beitragen.

Immer noch rückständige Regionen auf dem Gebiet Kasachstans

Daher gebe es auch noch immer Regionen, in denen sich gar nichts zum Positiven verändert habe. Zudem verhindere fehlender politischer Wettbewerb im Land, dass die Petrodollars, die stark politisiert würden, die richtige Verwendung fänden, bemängelte der Ak Schol-Vertreter weiter. Ähnlich schätzte Amirschan Kosanow von der  Partei „Gerechtes Kasachstan“ die Lage ein. Er bemängelte allen voran, dass die Exporteinnahmen nicht gerecht verteilt würden, weil die Transparenz fehle. „Öleinnahmen werden im verborgenen Untergrund geheim verteilt. Entweder, man sorgt endlich für Transparenz, oder es wird zunehmend zu geheimen Auseinandersetzungen kommen“, so Kosanow. Ebenfalls für Transparenz, politischen Wettbewerb und die freie Zirkulation von Information plädierte Alexander Baldyrew von der OSZE, da diese „größere Fortschritte und höhere Wertschöpfung innerhalb eines Landes bewirken.“ Erstens seien seiner Ansicht nach freie Medien ein wichtiger Faktor in der Korruptionskontrolle, und zweitens könnte nur ein freies Mediensystem garantieren, dass die Schritte der Regierung überwacht würden und so Transparenz in den Gesetzwerdungsprozess käme. Burychan Nurmuchamedow, stellvertretender Vorsitzender von Ak Schol, merkte an, dass in den meisten ressourcenreichen Ländern autoritäre Regimes an der Macht seien. „Die Petrodollar, die aus der Energieversorgung der EU nach Kasachstan strömen, stützen in Wahrheit Kasachstans autoritäre Regierung. Wir müssen aber das Ziel haben, von diesen Einnahmequellen unabhängig zu werden“, so Nurmuchamedow.

Von Christoph Salzl

01/12/06

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