Seit mehr als zwei Wochen lernen die Schüler in Kasachstan von zuhause aus. Auch in anderen Ländern hält man Unterricht, Sprachkurse und Uni-Seminare online ab. Wir denken darüber nach, ob die neuen Lernformen auch nach Corona eine Zukunft haben und wie sie mit traditionellen Lernformen interagieren werden.
Die Umstellung auf Online-Bildung während der Quarantänezeit bringt mit sich, dass wir alles reproduzieren, was vorher offline stattfand: Die Universitäten versuchen, dieselben Vorlesungen und dieselben Seminare nach demselben Zeitplan zu organisieren. Aber auf die Frage, ob das effektiv ist, gibt es keine eindeutige Antwort. Die Hauptaufgabe besteht jedoch darin, zu analysieren, was an den traditionellen Bildungsformen überflüssig war, und was jetzt neu in den Bildungsprozess eingebracht werden kann.
Viele werden zustimmen, dass Online-Bildung kein Ersatz für eine lebendige Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden ist. Online-Praktiken sollten sich harmonisch in das Bildungsumfeld integrieren. Mangelndes Feedback führt zu Problemen. Wenn ein Lehrer oder Dozent seine Lehreinheit im Klassenraum oder Vorlesungssaal abhält, sieht er die Reaktion der Schüler oder Studenten. Er will sehen, ob sie das Material gelernt haben oder nicht, und kann direkt in der Einheit seine Methodik ändern und das Material an das Publikum anpassen. Wenn ein Lehrender dagegen eine Unterrichtseinheit für einen Online-Kurs aufzeichnet, ist das Material verallgemeinert. Und so ist es für manche vielleicht gar nicht oder nur mit großen Anstrengungen zu verstehen, während es andere unterfordert.
Wir haben mit Bartholomäus Minkowski gesprochen – dem Leiter des DAAD-Informationszentrums (IC) in Almaty und DAAD-Lektor an der Deutsch-Kasachischen Universität. Seit mehr als 25 Jahren ist der DAAD in Kasachstan aktiv. Seitdem haben über 3.700 Studierende, Graduierte und Wissenschaftler aus Kasachstan mit einem Stipendium des DAAD in Deutschland studiert und geforscht.
Bartholomäus Minkowski über…
…die Aktivitäten des DAAD in der aktuellen Situation:
„Mir ist nicht langweilig, es gibt immer etwas zu tun. Zusammenfassend kann man sagen, dass wir Informationen zu Bildungsfragen in Deutschland sowie zu Stipendienprogrammen bereitstellen. Wenn man sich an den DAAD wendet, kann man sich auf die Finanzierung seiner Ausbildung in Deutschland verlassen. Die DKU wird übrigens auch über Projekte des DAAD finanziert. Die Aktivitäten der Organisation umfassen drei Bereiche: Informationen über Stipendien, Werbung für die deutsche Sprache und ihre Verbreitung durch DAAD-Lektoren.“
…über seine Funktion an der DKU und die Bedeutung von Sprachkenntnissen:
„An der DKU unterrichte ich Deutsch und leite zwei Arten von Kursen: zum еinen sind das Deutschkurse im ersten Studienjahr für verschiedene Fachrichtungen; zum anderen Kurse für die Fachsprache, die in einem bestimmten Bereich der internationalen Beziehungen benötigt wird. Ich glaube, ehrlich gesagt, dass junge Menschen zuerst Englisch und dann Deutsch lernen sollten. Beide sind sich ja ähnlich, da sie aus derselben Sprachfamilie stammen. Fremdsprachenkenntnisse sind immer gefragt, und ich versuche, den Stoff interessant zu präsentieren.“
…über die Vor- und Nachteile von Fernunterricht und die bisherige Umsetzung:
„Fernunterricht ist eine notwendige Maßnahme. Natürlich gibt es Nachteile, es ist Stress für Eltern und Kinder. Man muss auch sagen, dass die Situation in den Dörfern viel schwieriger ist als in den Städten, wo die Infrastruktur viel besser ist. Online-Lernen hat aber eine Zukunft. Ich bin mir sicher, dass es in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil des Bildungsprozesses sein wird. Online-Tools machen Vorlesungen aussagekräftiger und den Lernprozess effektiver. Bisher war es aber für Lernende und Lehrende nicht so einfach, obwohl junge Menschen sich in der Online-Welt besser bewegen als manche Lehrer und Dozenten.
Ich habe auch den Eindruck, dass das Bildungsministerium hier ständig die Lehrenden überprüft, die wiederum die Schüler und Studenten überprüfen. Es gibt wenig Vertrauen, und viele Studenten sind eher auf Bewertungen als auf Wissen fixiert. Wissen nur durch Kontrolle einzubetten funktioniert aber nicht. Die Qualität der Bildung und die Geschwindigkeit der Informationsaufnahme kann man nur erhalten, indem man Online-Methoden in den Prozess der Live-Kommunikation integriert.“