Die Statistik Austria, Österreichs Zentralamt für Statistik, veröffentlichte vor kurzem die heimischen Außenhandelstatistiken. Dabei geben die Zahlen der österreichischen Exportwirtschaft wenig Anlass zur Freude. Besonderes Ungleichgewicht weisen die Bilanzen mit Kasachstan auf. Die DAZ-Analyse der österreichischen Organisationen und der Rahmenbedingungen der kasachischen Wirtschaft zeigt, was zu diesem Abschneiden der Alpenrepublik führte, welche Chancen die Region bietet und mit welchen Schwierigkeiten österreichische Unternehmer in der zentralasiatischen Republik zu rechnen haben.

„Wir sind Exportweltmeister“, so hat es der österreichische Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl die letzten Jahre hindurch bei jeder Gelegenheit verkündet. Schlägt man die österreichische Außenhandelsstatistik auf, die von der Statistik Austria zum Abschluss des Halbjahres 2006 veröffentlicht wurde, so fragt man sich, wie diese Aussage mit einer ausgeglichenen Handelsbilanz zusammenpasst, in der Exporte (51.645.314.000 Euro) und Importe (51.394.730.000 Euro) sich gerade mal die Waage halten. Das in den letzten Jahren oftmals von österreichischen Politikern zitierte Negativbeispiel Deutschland hat immerhin ein um 25 Prozent größeres Ausfuhr- als Einfuhrvolumen. Ganz zu schweigen von anderen Ländern wie Russ-land, China oder Indien. Die Bilanzen zwischen Kasachstan und Österreich sehen noch trister aus. Kasachische Exporte in die Alpenrepublik sind beinahe fünfmal höher als umgekehrt.

„Österreich ist in Kasachstan zu wenig präsent. Wir verschlafen hier die wirtschaftlichen Entwicklungen“, so beschreibt der österreichische Honorarkonsul in Kasachstan, Klaus Reinhofer, der gleichzeitig Verwaltungsdirektor der PM Lucas Enterprises ist, das Engagement seines Landes. Ähnlich schätzt die Lage auch Tanja Sokolowa, einzige Angestellte des Büros der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) in Almaty, ein: „Österreichische Unternehmen sind weit später als deutsche in die Region gekommen. Kein Wunder, dass frühe Einsteiger jetzt einen Vorsprung haben.“ Die Liste der alpenländischen Unternehmen, die die beiden vorlegen, umfasst gerade mal sechs österreichische Unternehmen. Nach Recherchen der DAZ könnte der Kreis der auf rund 20 erweitert werden. Im Vergleich dazu gibt es laut Auskunft von Alexander Schröder von der Deutsch-Kasachstanischen Assoziation der Unternehmer (DKAU) über 160 deutsche Unternehmen in Kasachstan, von denen etwa 80 Mitglieder des Deutschen Wirtschaftsklubs sind. Auffällig ist, dass sich unter den österreichischen Unternehmen die üblichen Verdächtigen wiederfinden: Die Raiffeisenzentralbank (RZB), der österreichische Mineralölkonzern OMV, Schaller-Lebensmitteltechnik, Herz-Armaturen. Das sind bekannte österreichische Pioniere ausländischer Märkte, die in den letzten Jahren durch ihre Expansionspolitik und gute Performance mehrmals für Aufsehen in den österreichischen Medien gesorgt haben. Dass nicht mehr alpenländische Firmen vom kasachischen Boom profitieren, ist Reinhofers Einschätzung nach Schuld der österreichischen Politik. Einerseits sei das Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen zwischen Kasachstan und Österreich zu spät auf den Weg gebracht worden, andererseits fehle die notwendige Hilfe für österreichische Unternehmungen, die sich im nach wie vor schwierigen Wirtschaftsraum der zentralasiatischen Republik niederlassen wollen. Neben seinem Honorarkonsulat gibt es vor Ort nur noch das kleine Büro der WKO. Sokolowa von der Wirtschaftskammer in Almaty gesteht zwar ein, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen ihre Hilfe benötigten, im Internet ist die Adresse und Telefonnummer der Niederlassung trotzdem nicht zu finden.
„Hilfe beim Aufbau unseres Unternehmens bekamen wir nicht. Wir hatten aber unsere eigenen Netzwerke und waren daher erst gar nicht auf Unterstützung angewiesen“, sagt Uwe Fisker, Generaldirektor der Leasinggesellschaft der RZB. Das Büro der WKO kennt der Chef der Niederlassung der RZB, die eine zu 100 Prozent mit österreichischem Kapital finanzierte kasachische Firma ist, zum Zeitpunkt des Gesprächs nicht einmal. Den Hintergrund für die Gründung einer kasachischen Firma erklärt Sokolowa so: „Reine Tochtergesellschaften und Niederlassungen ausländischer Unternehmen können nur Repräsentanzen aufbauen. Eine ausländische Firma, die gewerbliche Aktivitäten einleiten will, muss entweder eine kasachische Firma gründen oder ein Joint Venture eingehen. Außerdem sind je nach Gewerbe unterschiedliche Lizenzen erforderlich.“

Dass TOOs vom Geschäftsführer abwärts ausschließlich kasachisches Personal einstellen dürfen, bringt dem Grundtenor der Unternehmer nach einige Schwierigkeiten mit sich. „Um ausländische Arbeitskräfte einzustellen, benötigen die Firmen Genehmigungen, die nicht nur relativ schwer zu bekommen sind, sondern darüber hinaus auch kostspielig werden können“, so Reinhofer, der sich ein Existieren der PM Lucas Enterprises ohne westliches Know-how nicht vorstellen kann. „Ortskräfte sind zumeist schlecht qualifiziert und haben nicht die entsprechende Ausbildung“, so auch Kanat Akischew, der Direktor der TOO Schaller-Kasachstan. Das kasachische Genehmigungsverfahren für die Anstellung von Ausländern ist mit dem europäischen System der Schlüsselqualifikation vergleichbar. Die restriktive Handhabung der Arbeitsgenehmigungen „resultiert aus der Arbeitsmarktpolitik der kasachischen Regierung, die versucht, so die Arbeitslosigkeit besser in den Griff zu bekommen“, so Sokolowa.

In Kasachstan Fuß zu fassen, bringt für westliche Unternehmen sicher Schwierigkeiten mit sich. Entwicklungen in der zentralasiatischen Republik zu verpassen, bedeutet aber auch, auf einen boomenden Wirtschaftsraum zu verzichten, der laut Prognosen 2006 wieder um 10,7 Prozent wuchs und aufgrund seiner Nähe zu China und Russland obendrein strategische Wichtigkeit hat.

Von Christoph Salzl

24/11/06

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