Heute früh habe ich schon wieder welche gesehen – Kinder mit Laternen! Wieso laufen eigentlich immer noch Kinder mit Laternen rum? SEIT TAGEN geht das so. Wann ist denn nun Sankt Martin? Und wann ist es vorbei?
In meiner Kindheit wurde Sankt Martin an nur einem Tag gefeiert und damit basta! Oder? Alles, was mir dazu einfällt, ist eine vage verschwommene Soße. Ich habe keinen blassen Schimmer, wann Sankt Martin ist. Und habe zudem vergessen, wer Sankt Martin war, wo er gelebt hat, ob es ihn überhaupt gab oder es eine Symbolfigur ist. Auch von den Martinsliedern, die ich als Kind nur so hintereinander weg gegrölt habe, wollen mir lediglich zwei in den Sinn kommen, auch nur die ersten Wörter. Und da ich schon mal dabei bin – wie ist es mit den anderen Feiertagen? Welche kenne und begehe ich noch? In diesem Jahr habe ich nur zwei Festanlässe wahrgenommen – Karneval und meinen Geburtstag. Sowieso. Sonst ist alles klammheimlich an mir vorbeigezogen, was es zu feiern galt. Wenn ich noch die kommenden Feste, Weihnachen und Neujahr, hinzurechne, werde ich mich in 2006 vier Mal festlich gefühlt haben. Eine traurige Bilanz, wie ich finde. Aber was hätte es gegeben? Ich habe anscheinend nicht nur den Blick verloren, wann was gefeiert wird, sondern auch wie und wie lange. Und dann sind auch noch Feiertage hinzugekommen, die ich gar nicht einordnen kann. Zum Beispiel Halloween. Seit wann wird Halloween hier gefeiert, bitteschön? Und vor allem – WER feiert das? Und wie und wo? Und ich frage mich: Wie ergeht es den anderen Deutschen? Feiern die auch nicht? Haben sie auch vergessen? Oder waren alle anderen versammelt, nur ich saß allein und nichtsahnend auf meinem Sofa und habe alte Schinken gelesen, als gäbe es draußen nichts zu feiern? Anscheinend hat mir nichts gefehlt. Oder doch? War es nicht schön damals, gesellig beieinander zu sitzen, lecker zu essen und irgendwas zu feiern, egal was? So habe ich es jedenfalls in Russland erlebt und ja, doch, es hat mir gut gefallen. Auch wenn ich fand, dass es arg zulasten der Volkswirtschaft gehen müsse, wenn jedes der vielen Feste drei Tage lang gefeiert wird. Aber ich war ja nur Gast. In Deutschland bin ich zu Hause, und hier ist man strenger und versucht, uns einen Feiertag nach dem anderen abzuluchsen, damit die Wirtschaft besser funktioniert. Wir sollen arbeiten und nicht faulenzen. Aber obwohl – das scheint zu kurz gerechnet. Denn wenn wir mehr feiern würden, wären wir zufriedener und erholter. Dann wären wir an den Tagen nach den Festen produktiver und effektiver. Auch würden wir in den feierlichen Geselligkeiten mehr nützliche Tipps und Tricks austauschen, wie man Geld einsparen kann, das unmittelbar den Privathaushalten zugute käme, was die konsumfreudigen Haushalte schließlich wieder in den volkswirtschaftlichen Kreislauf einfließen ließen. Auch wird an Feiertagen fürstlicher gespeist und getrunken als werktags. Das kurbelt die Wirtschaft der Lebensmittelhändler an usw. usw. Das heißt, wer viel feiert, der tut auch Gutes für den Wirtschaftskreislauf. Ich werde gleich mal alle Feiertage, die ich finden kann, in meinem Kalender 2007 fett markieren – im volkswirtschaftlichen Interesse, versteht sich. Und den verpassten Sankt Martin hole ich gleich heute Abend nach.
Julia Siebert
17/11/06