Der diesjährige Nationalfeiertag der Republik Kasachstan ist eigentlich kein besonderer. 17 Jahre – das ist kein rundes Jubiläum. Und trotzdem gewinne ich dem diesjährigen „Prasdnik“ eine besondere Bedeutung ab. Hierzulande ist es ja besonders verbreitet, zu Feiertagen dem zu Feiernden besonders viele Nettigkeiten zu sagen und dabei meist auch gewaltig zu übertreiben.

Das kann im privaten Bereich eine gewisse Bedeutung haben, hinsichtlich der Bewertung der Entwicklung eines Staates sollte man zumindest um den Feiertag herum durchaus eine gewisse kritische Grundeinstellung bewahren und sich nicht von Erfolgen besoffen machen lassen.

Zweifelsohne hat sich Kasachstan in den Jahren seiner Existenz als Nationalstaat insgesamt nicht schlecht entwickelt. Die 1990er Jahre waren dabei außerordentlich schwierig, insbesondere auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Ölpreise waren mit etwa 10 bis 15 Dollar extrem niedrig. Im Staatshaushalt klafften so große Löcher, dass gewöhnlich erst mit einer Verzögerung von mehreren Monaten die Gehälter gezahlt werden konnten. Eine große Zahl von Einwohnern verließ das Land in Richtung Norden und Westen. Ab April 1999 konnte die Nationalbank infolge fehlender Devisenreserven den Wechselkurs nicht mehr stabil halten und ging zu einem flexiblen System über. Zugleich wurden jedoch mehr oder weniger gut die Grundlagen für ein marktwirtschaftliches System gelgt.

Ab etwa 2000 schlug die Situation nicht alleine, aber doch wesentlich infolge des Anstiegs der Rohstoffpreise auf den Weltmärkten ins Gegenteil um. Anstelle des doch stark verbreiteten Pessimismus der 1990er Jahre trat noch an manchen Stellen nun jedoch ein überzogener Optimismus. Die Dollarschwemme bewirkte unter anderem auch, dass ein grandioses Projekt nach dem anderen sowohl von privaten als auch staatlichen Stellen geplant wurde. Viele der verkündeten Ziele waren und sind natürlich prinzipiell richtig, dennoch bleibt die nach wie vor große Lücke in der praktischen Umsetzung. Manches blieb und bleibt damit eher Wunschtraum als machbare Realität.

Seit vergangenem Jahr ist Kasachstan nun in eine neue Etappe seiner Entwicklung eingetreten, die man als einen Test der Funktionsfähigkeit der bisher geschaffenen politischen, administrativen u. a. Fundamente sehen kann. Schließlich fällt es jedem Land leicht, Aufgaben zu lösen, wenn die Wirtschaft brummt. Wie ist nun Kasachstan für die Bewältigung der zweiten Krise in seiner jungen Geschichte gerüstet?

Mir scheint fifty-fifty. Auf der Habenseite steht zweifelsfrei ein prinzipiell funktionierender Staatsapparat, ausgedehnte internationale Kontakte, eine eigene Wirtschaftsbasis, ein relativ hohes Vertrauen der Bevölkerung in die Zukunft und eine stabile politische Grundstruktur. Zugleich sind jedoch vielfältige gravierende Mängel nicht zu übersehen, die gerade in der aktuellen Krise zum Tragen kommen. Dazu gehört vor allem die nach wie vor einseitig auf die Förderung und den Export von Rohstoffen orientierte Wirtschaft und im Gegenzug die hohe Importabhängigkeit bei gar zu vielen Erzeugnissen. Trotz vielfältiger Deklarationen, Programmen und Aufwendung nicht unbescheidener Mittel bleibt zu konstatieren: bei der angestrebten Diversifikation der Wirtschaft gibt es praktisch keine Ergebnisse. Deshalb muss man jetzt in großer Hast wieder alle Pläne und Programme – darunter den Staatshaushalt – umstellen und auf die finanziellen Realitäten zurückkürzen.

Im Moment werden gewaltige staatliche Mittel in den Bankensektor gepumpt. Noch vor gut einem Jahr hieß es: bei uns gibt’s keine Krise. Die ist nun da, doch ich zweifle, ob das viele Geld auch den erwünschten Effekt erzielt. Das Problem Kasachstans in diesem Sektor ist, dass es bisher keinen vernünftigen Mechanismus der kontrollierten Vergabe und des zielgerichteten Einsatzes der Gelder des Volkes gibt. Sehr viele dieser Mittel werden wenig effektiv ausgegeben, manche Teile davon verschwinden in dafür nicht vorgesehene Kanäle. Und noch ein Problem ist bis heute ungelöst: der Aufbau einer funktionierenden Zivilgesellschaft. Also das aktive und konstruktive Sich – einmischen breiterer Schichten „einfacher“ Leute in die Staatsangelegenheiten. Hier herrscht fast ausschließlich Fatalismus nach dem Schema: „Die da oben, wir hier unten“. Nicht alles, aber ein nicht geringer Teil der nur kurz genannten wirtschaftlichen Probleme ist eben durch die fehlende aktive Einflussnahme des Sachverstandes im Detail auf die großen politischen Entscheidungen bedingt.

Mein Geburtstagstoast würde also so ausfallen: Glückwusch, „Molodez“ für das Erreichte, aber „weiter so“ reicht nicht mehr!

Bodo Lochmann

12/12/08

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