Auf der Grünen Woche in Berlin werden jedes Jahr Neuigkeiten aus Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau gezeigt. Der Stand Kasachstans war in diesem Jahr ein Abbild des Landes – sehr groß und ziemlich leer. Kasachstan hatte auf Deutschlands beliebtester Publikumsmesse gleich einen halben Saal gemietet. Ein deutlicher Fortschritt gegenüber den Vorjahren – aber ist Masse wirklich gleich Klasse?
Was sofort ins Auge fällt, ist die moderne, großzügige und gekonnte Gestaltung des Standes.
Farbige Flächen, übersichtliche Logos, schnörkelloses Design – Kasachstans Präsentation auf der Grünen Woche suggeriert ein modernes Land. Damit hebt sich der diesjährige Messe-Auftritt deutlich und positiv von den beiden der letzten Jahre ab. Was die Ausstellung von den Nachbarhallen unterscheidet, ist die gähnende Leere – sowohl hinter den Tresen als auch davor.
Fünf Standbetreuer auf ungefähr 400 Flächenmetern, einer von ihnen erweist sich als Dolmetscher, der keine Sachauskunft geben kann. Aber er verweist freundlich auf den Nachbarstand, dort sei bestimmt etwas zu erfahren. Ein Mann sitzt mit konzentriertem Gesicht hinter seinem Laptop auf dem Gemeinschaftsstand der Union der Getreideverarbeiter und Brotbäcker Kasachstans und ihres Flaggschiffes TSESNA. Er erhebt sich sofort, als eine Besucherin am Tresen erscheint, stellt sich vor als Jewgeni Albertowitsch Hahn und verschenkt Konfekt namens „Melodia” der Firma „Rachat”. Er erzählt, dass die Leere des Standes nicht beabsichtigt sei. Auf dem Frankfurter Flughafen liege das, was eigentlich auf dem Tresen stehen und die Besucher der Messe in Scharen anlocken sollte: Fleisch- und Wurstwaren, den vogelgrippebedingten Einfuhrbeschränkungen zum Opfer gefallen. Und in Kasachstan bleiben musste fast die Hälfte der Aussteller, all jene, die die Visabeschaffung nicht dem federführenden Ministerium für Industrie und Handel überlassen, sondern sich „auf eigene Faust” kümmern wollten. Nur 15 Aussteller seien gekommen, und die Hälfte von ihnen ist zwei Tage vor dem offiziellen Ausstellungsende schon wieder abgereist.
Herr Hahn, als Präsident der Union der Getreideverarbeiter und Brotbäcker ein guter Stratege und Marketingfachmann, analysiert nüchtern die Bilanz der Messe. „Kinderkrankheiten”, stellt er fest, „hätte Lenin unsere Probleme genannt.” Man hätte sich auf eine Fachmesse eingerichtet und nicht gewusst, dass die Grüne Woche vor allem eine Besuchermesse ist. Nunmehr mit dieser Kenntnis ausgestattet, müsse man im nächsten Jahr mehr fürs Publikum tun und neben Sachinformation auch folkloristische Darbietungen mit Jurte, Gesang und Tanz sowie Verkostungen anbieten. Fachgespräche hätte es nichtsdestotrotz gegeben, es hätte sogar ein Besucher starkes Interesse am Landkauf und Anbau von Kulturen in Kasachstan geäußert. Herr Hahn glaubt daran, dass sich Kasachstan auf der dieser Messe noch steigern kann. Und nicht nur während der Grünen Woche.
Nach der Situation und den Perspektiven der Landwirtschaft in Kasachstan befragt, gerät Jewgeni Albertowitsch in Fahrt. „Vor Jahren lag unsere Landwirtschaft am Boden”, erklärt er, „jetzt haben sich die Bauern wenigstens schon auf die Knie erhoben. Und in ein paar Jahren werden wir aufrecht stehen!” Der Staat unternehme viel, um den Rückstand der ländlichen Gebiete aufzuholen. Bis 2010 laufen diverse Förderprogramme, und bald wird es auch in den entle-gensten Dörfern zu spüren sein, dass es aufwärts geht. „Schon heute ist Kasachstan der größte Getreide-Exporteur, wenn man den Export pro Kopf berechnet”, sagt er stolz, „und das Interesse an unserem Getreide wächst.” Auf seinen Familiennamen und seine Zukunftspläne angesprochen sagt der Deutschstämmige: „Meine Zukunft liegt in Kasachstan. Daran gab es für mich nie einen Zweifel – und jetzt erst recht nicht.”
Das Konfekt von „Rachat“ gibt es am Nachbarstand, wo die bekannte Süßwarenfabrik Almatys ihre Waren anbietet. Die beiden Standbetreuerinnen sind stolz darauf, dass die Besucher ihre Süßigkeiten kiloweise kaufen.
Die Firmengruppe „Bachtijar“ präsentiert sich auf dem zentralen Stand der Ausstellung Kasachstans auf der Grünen Woche. Bekannt für ihren Kognak und schwere Weine, offeriert sie hier mit „Tandem” ein Milchgetränk zur Verkostung, das ein bisschen nach Schubat, gegorener Kamelmilch, schmeckt, aber tatsächlich aus Kuhmilch hergestellt wird. Auf den Flaschenetiketten ist zu lesen, dass die leicht schäumende Flüssigkeit gegen Kater, Immunschwäche und Übergewicht hilft – das ideale Getränk für den deutschen Markt!
Von Dagmar Schreiber
17/02/06