Vier Monate verbrachte die deutsche Austauschstudentin Magda Nitzer an der Deutsch-Kasachischen Universität in Almaty. Im DAZ-Interview spricht sie über Unterschiede zwischen deutschen und kasachischen Studenten und darüber, welche Besonderheiten ihr in Kasachstan aufgefallen sind.

Warum hast du Kasachstan für dein Austauschsemester gewählt?

Ich hatte die Möglichkeit, zwischen Süd- und Zentralasiatischen Ländern oder dem Kaukasus zu wählen. Diese Regionen sind Schwerpunkte in unserem Studium. Meine erste Wahl war die Mongolei, um dort direkt Forschung zu machen, aber wir haben dort keine Kooperation. Dann habe ich mir überlegt, dass ich vielleicht ein halbes Jahr irgendwo in der Steppe ohne irgendwelche sozialen Kontakte sitzen werde, die meiner Welt und meinem Leben entsprechen. Deshalb habe ich gesagt nein, das passt mir nicht. Dann habe ich mich ein bisschen mit Kasachstan beschäftigt und habe gesehen, dass besonders Almaty ein sehr europäisches Flair hat und in Zentralasien eine sehr gute Position hat, weil es ein relativ gut entwickeltes Land ist. Deswegen habe ich mich dafür entschieden.

Wie hast du dir Kasachstan vor deiner Reise vorgestellt?

Vor der Reise war es schon ein wenig idealistisch, sag ich mal. Ich wusste, natürlich, dass vor allem Almaty eine sehr europäische Stadt ist. Aber natürlich mit einem sowjetischen Charakter. Aber das gehört dazu und ist eben auch kulturell interessant, weil man es im Alltag sehen kann.

Du sprichst ein bisschen Russisch, wo hast du das gelernt?

Ich studiere Ethnologie im Hauptfach und Soziologie im Nebenfach. Wenn man Ethnologie bei uns in Tübingen studiert, dann muss man eine Fremdsprache lernen, die mit der Region, auf die man sich spezialisiert, verbunden ist. Und so lerne ich Russisch, aber nur vier Semester bis jetzt. Und wenn ich auf Russisch spreche, dann denke ich auf Polnisch. Das ist die erste Sprache, die ich gelernt habe. Ich bin in Polen geboren, lebe aber schon seit ich zweieinhalb Jahre alt gewörden bin, in Deutschland: also man kann sagen, dass ich Deutsche bin. Aber meine Eltern sprechen mit mir fast immer polnisch.

Was ist deiner Meinung nach unterschiedlich zwischen deutschen und kasachischen Studenten?

Ich kann positive wie auch negative Seiten nennen. Was ich positiv finde, ist, dass die DKU sehr klein ist und wenig Studenten hat. Das sorgt für eine gute Atmosphäre unter den Studenten und ist für das Lernen auch angenehmer. Wenn man viele kennt und keine Angst hat, dann fühlt man sich viel sicherer. Auf der anderen Seite ist es so, dass hier Selbstständigkeit ein bisschen fremd ist. Ich zum Beispiel habe die Studenten, die ich im ersten Semester kennenlernte habe und mit denen ich gemeinsam studierte, später mitunter nicht wiedergesehen. Ich musste in meinen Kursen selber wissen, was ich machen und beschaffen muss. Und dadurch bin ich natürlich selbständiger. Auch habe ich bemerkt, dass man hier einfach Informationen vom Dozenten bekommt, diese niederschreibt und fertig. Das sind die negativen Seiten.

Ein weiterer Unterschied, der kulturell bedingt ist, ist der Umgang zwischen den Studenten an der DKU. Der ist hier wesentlich freundschaftlicher. Also bei uns hat man natürlich auch Freunde, aber hier ist das eine Mentalitätssache – die Kasachen oder Kasachstaner haben einfach keine Berührungsangst.

Was kannst du noch über die Gesellschaft sagen, was ist für dich ungewöhnlich oder was findest du interessant?

Ich denke, dass die Kasachstaner ein superfreundliches Volk sind, obwohl ich gehört habe, dass sie selbst nicht so übereinander denken. Aber sie sind sehr freundlich und interessieren sich sehr für Ausländer. Da gibt es viele Situationen, die ich erlebt habe, die wären in Deutschland niemals passiert. Zum Beispiel Taxifahrer, die mich eine Stunde lang kostenlos gefahren haben. Oder Leute, die ich noch nie gesehen hatt, brachten mich bis vor die Haustür, als ich am Anfang noch nicht wusste, wo ich wohne. Oder im Zug – da kamen alle Leute zu mir, wollten sich unterhalten und waren sehr interessiert. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Almaty und ländlicheren Regionen. Ich denke, dass Almaty aufgeschlossener und offener ist. Hier akzeptiert man mehr als auf dem Land, wo es schwieriger war, seine Kontakte zu knüpfen. Aber wenn die Leute bemerkt haben, dass jemand nett und offen ist, sind sie auch von der einen Sekunde zur anderen auch so nett und offen – auch auf dem Land.

Du hast wahrscheinlich einige Besonderheiten in Almaty bemerkt, die für dich interessant sind, oder?

Hier sieht man große Kontraste zwischen den Menschen. Also auf der einen Seite ist Almaty sehr europäisch, auf der anderen Seite sehr traditionell. Es fängt an mit der Rolle der Frau, gesellschaftlichen Strukturen, mit Minderheiten, Homosexuellen, Behinderten. Ich glaube, es gibt hier eine Art europäische Schale, aber mit traditionellem Herz. Doch ich persönlich hatte noch keine Schwierigkeiten, keine negativen Erfahrungen.

Die Hauptbesonderheit in Kasachstan allgemein ist für mich, dass hier 120 Ethnien in Frieden miteinander leben. Das finde ich ganz hervorragend, weil es in Europa immer noch viele Konflikte zwischen den Ethnien gibt, aber hier leben so viele unterschiedliche Gesellschaften wirklich ohne größere Probleme.

Das Interview führte Nurgul Zhazykbayeva

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