Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung versuchen Regierungen den schwierigen Balanceakt, die Sicherheit ihrer Bürger zu garantieren und dabei demokratische Grundrechte zu wahren. Über diese neuen Herausforderungen diskutierten kasachische und deutsche Juristen.

Das Seminar „Möglichkeiten und Grenzen der staatlichen Extremismus- und Terrorismusbekämpfung“ wurde von der Friedrich-Ebert Stiftung in Almaty organisiert. Bundesjustizministerin a.D., Dr. Herta Däubler-Gmelin und Dr. Jesbergen Alauchanow, stellvertretender Generalstaatsanwalt aus Astana, sowie Tatjana Sinowitsch, stellvertretende Leiterin des Forschungszentrums für Rechtspolitik, diskutierten gemeinsam mit den Teilnehmern über ein großes und weltweit aktuelles Problem.

Die Teilnehmer haben sich die Frage gestellt, wie eine Balance zwischen den nötigen Sicherheitsmaßnahmen des Staates und der Privatsphäre der Bürger zu finden sei. Es geht um Sicherheitsmaßnahmen wie das Abhören und die Verfolgung von Menschen, unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung. Kasachische wie auch deutsche Seminarteilnehmer waren sich darin einig, dass es sich dabei um Menschenrechtsverletzungen handelt.
„Eine der Hauptfunktionen des Staats ist es, die Sicherheit seiner Bürger zu garantieren“, lautete das Statement der ehemaligen Justizministerin, Dr. Herta Däubler-Gmelin. Sie sprach über den Terrorismus nicht nur als physische, sondern auch psychologische Bedrohung, welche nicht zu unterschätzen sei. Denn sie verursache, so die Ex-Justizministerin, ein Gefühl von Chaos und Ängstlichkeit in der Gesellschaft. Diese gefühlte Unsicherheit ist politisch gefährlich. So sorgen selbstverständlich die Regierungen dafür, ihren Bürgern ein Sicherheitsgefühl zu geben. Der Graben zwischen Panik und Sicherheit ist seit dem Bekanntwerden der Spionage-Affäre um den Wistleblower Edward Snowden zudem breiter geworden.

Die staatliche Kontrolle über Informationen wie Bankkonten oder private Tätigkeiten der Menschen, ihre Hobbys – all das kann einschüchternde Elemente enthalten. So schafft die Regierung selbst eine Bedrohung für seine Bürger. Damit widerspricht sie gleichzeitig ihren rechtsstaatlichen- und demokratischen Grundsätzen. Aus diesem Dilemma gibt es so schnell keinen Ausweg. Würde das Innenministerium bestimmen, dann hätten Sicherheitsfragen höhere Priorität als Menschenrechte. Andere politische Institutionen, wie zum Beispiel die deutschen Gerichte, sind damit jedoch nicht einverstanden.

Allem voran besteht das Problem der begrifflichen Bestimmung. Was ist überhaupt mit Terrorismus gemeint? Dafür gibt es unterschiedliche Begriffe, die je nach Ländern verschieden ausgelegt werden, was die internationale Kooperation behindert. Diese Frage ist sowohl für Deutschland, als auch für Kasachstan von Bedeutung. Außerdem hat man sogar häufig innerhalb eines Staates keine einheitliche Vorstellung vom Begriff „Terrorismus“ und „Extremismus“.

Das bestätigen auch die kasachischen Experten Dr. Jesbergen Alauchanow und Tatjana Sinowitsch. Sie waren der Meinung, dass die Begriffe im entsprechenden Gesetz von Kasachstan ganz unklar sind und unterschiedlich interpretiert werden können. Sogar Staaten, die sich demokratisch nennen, können sich nicht unmittelbar auf eine stimmige Definition von Terrorismus einigen. So ist es eine neue juristische Herausforderung, einen geeigneten Begriff von Terrorismus zu finden.

Die demokratischen Länder der Europäischen Union erlauben einerseits die Freiheit der Bewegung von Menschen und Waren. Andererseits werden die Menschen in einigen europäischen Ländern nach speziellen schwarzen Listen regelmäßig überprüft. Man könnte sagen, dass das nicht so schlecht ist, wie es sich anhört. Aber nach den Worten von Frau Dr. Däubler-Gmelin ist es nicht so einfach und harmlos. Theoretisch könne jeder Mensch, der zum Beispiel Geld an eine scheinbar harmlose Wohltätigkeitsorganisation spendet, von der angenommen wird, dass sie Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen unterhält, unwissentlich auf diese schwarze Liste geraten. Damit würden auch alle Konten von ihm blockiert werden.

Geschähe das einem Bürger in der Realität, dann wäre sein Leben massiv eingeschränkt, weil er weder etwas kaufen, noch verkaufen könnte. Dies wäre eine offensichtliche Verletzung seines Menschenrechts.

Andererseits rechtfertigen sich die Regierungen, dass ihnen ohne solche menschenrechtswidrigen Maßnahmen wichtige Informationen entgehen könnten. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist das sicherlich nachvollziehbar. So sagen zum Beispiel viele Politiker, dass Sicherheitsfragen in jedem Falle Priorität haben sollten.

Infolge dieses Dilemma stellt sich vor allem eine Frage: Welche Rolle spielt eigentlich noch der Begriff „Demokratie“?

Von Nurgul Zhazykbayeva

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