Die außenwirtschaftlichen Bedingungen begünstigen im Moment wieder sehr stark die wirtschaftliche Entwicklung Kasachstans. Die Preise für das Hauptexporterzeugnis Erdöl liegen seit einiger Zeit stabil bei über 100 Dollar pro Barrel. Der Planung des Staatshaushalts für dieses Jahr hatte man vorsichtigerweise 60 Dollar zugrunde gelegt und diese Größe dann Mitte des Jahres auf 90 erhöht.

Aber auch das erwies sich als zu wenig. Dennoch ist natürlich eine solche konservative Planung richtig: lieber später die Einnahmen nach oben korrigieren als infolge niedrigerer Preise die Ausgaben kürzen zu müssen. Die hohen Weltmarktpreise für Rohstoffe sind auch die Ursache dafür, dass der Export Kasachstans im ersten Halbjahr 2011 um nicht weniger als 46,5% steigen konnte. Durch eine Erhöhung der Förderung wäre dies natürlich nicht möglich gewesen. Der Import hat sich im selben Zeitraum nur um 38.9% erhöht. Importiert wurde mengenmäßig mehr, gestiegene Preise spielen hier kaum eine Rolle. Als Folge der genannten Relationen im Außenhandel hat sich der Exportüberschuss gegenüber dem Vorjahr deutlich erhöht und betrug etwa 25 Mrd. Dollar. Devisen fliesen also sehr reichlich ins Land und könnten einen wahren Investitionsboom auslösen, der an manchen Stellen auch dringend notwendig ist. Doch so schnell geht das nicht. Da sind ja zuerst noch die Rechnungen für den Import von Dienstleistungen und anderes mehr zu bezahlen. Die Dienstleistungsbilanz Kasachstans ist traditionell negativ, d. h. es werden mehr Dienstleistungen (z. B. Bauleistungen) importiert als exportiert. Der negative Saldo im ersten Halbjahr beträgt 2,3 Mrd. Dollar. Die dritte Teilbilanz der außenwirtschaftlichen Prozesse – die sogenannte „Schenkungsbilanz“ (sie enthält vor allem die Zahlung von Löhnen und Dividenden an Ausländer) ist mit 13,9 Mrd. Dollar klar negativ. Insgesamt sind also 25 Mrd. Dollar aus dem Export im Land geblieben, davon sind rein rechnerisch 16,2 Mrd. Dollar zum Ausgleich der beiden negativen Bilanzen einzusetzen. Aber auch danach bleiben noch viele Milliarden Dollar übrig, die eigentlich den Wechselkurs des Tenge zum Dollar stark beeinflussen müssten und zwar in Richtung Aufwertung. Zwar gibt es ein paar kleine Bewegungen des Wechselkurses, diese sind aber kaum zu spüren. Das erklärt sich einerseits durch das Eingreifen der Nationalbank in den Devisenmarkt. Diese kauft bei einem Überhang des Angebots an Dollar zumindest einen Teil der nichtnachgefragten Devisen auf. Sie füllt damit ihren Bestand an internationalen Zahlungsmitteln auf und hilft, ein Marktgleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage im Dollarmarkt herzustellen. Aber 9 Mrd. Dollar hat die Nationalbank im ersten Halbjahr keinesfalls aufgekauft. Zu vermuten ist, dass ein Großteil der Deviseneinnahmen aus dem Export entweder erst gar nicht auf Konten in Kasachstan erscheint oder schnell von dort wieder in Richtung Ausland verschwindet. Offizielle Statistiken darüber gibt es allerdings nicht, man kann nur vermuten, dass diese unter „Kapitalflucht“ erfassbaren Bewegungen durchaus bedeutende Größenordnungen annehmen. Kapitalflucht kann man – vor allem wenn sie vor dem Bezahlen von Steuern erfolgt – sicher verurteilen, andererseits nimmt das von sich aus wieder abfließende ausländische Geld einen Großteil des Aufwertungsdruckes aus dem Markt. Eine Aufwertung des Tenge aber würde sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Exporteure in nationaler Währung auswirken. So dürfte die Nationalbank aus dieser Sicht durchaus froh sein, dass sie nicht selber in den Markt eingreifen muss, sondern dass dies andere tun – ob legal oder nicht legal ist eine andere Frage. Eine Aufwertung des Tenge
(z. B. von jetzt 148 Tenge pro Dollar auf z. B. 144 Tenge pro Dollar) würde allerdings auch die Inflation dämpfen. Diese ist mit 8,7% für das Jahr per Ende August deutlich über den ursprünglichen Zielkorridor hinausgeschossen. Und das obwohl die Nationalbank das Geldmengenwachstum klar begrenzt hat. Da das nicht ausreichend war, ist nun der Leitzins auf 7,5% angehoben worden. Ob das aber zur wirksamen Inflationsbekämpfung ausreicht, ist klar zu verneinen.

Bodo Lochmann

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