Nicht nur bei der Industrieproduktion holen Schwellenländer wie China auf. Kolumnist Bodo Lochmann beschreibt, wie auch die Ausgaben für Innovationen steigen.

Die wichtigsten Absatzmärkte der Welt befinden sich nach wie vor in den sogenannten westlichen Industrieländern, also vor allem in Nordamerika, Westeuropa und Japan. Zwar holen China, Indien, Brasilien und andere Länder durch das Entstehen einer Mittelklasse mit raschem Tempo auf, aber es gelten auch hier sehr schnell dieselben Merkmale und Gesetzmäßigkeiten, wie im „Westen“. Der zeichnet sich durch einen hohen Sättigungsgrad an technischen Konsumgütern aus, und die im Durchschnitt durchaus zahlungskräftigen Kunden werden in ihrem Kaufverhalten zunehmend wählerischer und sind nur dann bereit ordentlich Geld auszugeben, wenn ihnen etwas Neues geboten wird. Innovationen heißt folglich das „Zauberwort“ für wirtschaftlichen Erfolg auf der ganzen Welt. In diesem Bereich tobt längst ein harter Wettkampf, der nicht nur in technischer Hinsicht geführt wird, wie das auch der kürzliche Patentstreit zwischen Apple und Samsung zeigte.

So wie in der industriellen Produktion verschieben sich schrittweise international auch die Gewichte im Innovationsbereich. So haben unter 1.000 in einem jährlichen Ranking erfassten Unternehmen aus aller Welt die chinesischen Unternehmen 2011 27 Prozent mehr für Innovationen ausgegeben als im Vorjahr. Nordamerika hat seine entsprechenden Ausgaben um 9,7 Prozent, Europa um 5,4 Prozent und Japan nur um 2,4 Prozent gesteigert, die 1.000 untersuchten Unternehmen im Durchschnitt um 7,2 Prozent. Zwar starten China und andere aufstrebende Länder noch von einem niedrigen Niveau aus, doch das Zuwachstempo der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) lässt aufhorchen. Beim Anteil an den weltweiten Forschungsausgaben sind China und Indien zusammen im Moment mit 2,7 Prozent noch weit hinten, deutsche Unternehmen haben einen Anteil von 7,4 Prozent und gaben insgesamt 603 Milliarden Dollar für Forschung und Entwicklung aus. Das ist übrigens etwa das 2,5-fache des gesamten Bruttoinlandsprodukts (BIP) Kasachstans. 2011 wurden in Deutschland 15 Prozent mehr Mittel für F&E bereitgestellt als im Vorjahr. Damit sind die deutschen Unternehmen in Europa Spitze und insgesamt erst einmal für den internationalen Wettbewerb gerüstet. Das beruhigt jedoch nur zum Teil, da das Schicksal der deutschen Wirtschaft eng mit dem Europas verbunden ist.

In letzter Zeit holen die Anbieter aus den Schwellenländern in quantitativer, aber auch in qualitativer Hinsicht mit Riesenschritten auf. Anstelle von legal oder zum Teil auch illegal kopierten Produkten werden zunehmend echte Eigenentwicklungen vorgestellt, die durchaus mit Produkten des Westens mithalten können. Das zeigen unter anderem die Notebooks von Lenovo (China) oder die Autos von Hyundai (Südkorea), die sich weltweit bereits stabile Marktanteile erobert haben.

Erschwerend für alle innovativen Unternehmen wirkt die ständige Verkürzung der Innovationszyklen. Das liegt zum einen an den Kunden, die ständig Neues erwarten und an den nach Weltmarktanteilen hungrigen Unternehmen aus den Aufsteigerländern, aber auch an den vielen neuen Problemen (z. B. ökologischen) , die technischer und anderer Lösungen dringend bedürfen. Im Innovationsverhalten der Unternehmen ist in letzter Zeit zu beobachten, dass sie einen Teil ihrer Forschungsaktivitäten aus ihren Herkunftsländern in die Länder verlegen, in denen die geschaffenen Produkte dann auch abgesetzt werden sollen. Das ist nicht nur, aber sehr oft China. Man muss ganz einfach nah bei den potentiellen Kunden sein, um deren spezifische Bedürfnisse wirklich erfassen und rückkoppelnd verarbeiten zu können.

Es gibt jedoch auch Unternehmen, die gar nicht mal so viel für F&E ausgeben und trotzdem Markterfolg haben. Musterbeispiel ist Apple, das nur 2,2, Prozent seines Umsatzes in Innovationen steckt (z.B. Toyota 9,9 Prozent, Microsoft 9 Prozent, Volkswagen 7,7 Prozent). Apples Geheimnis ist das doch irgendwie geheimnisvolle und kaum kopierbare Marketing, das bei bloßer Ankündigung eines neuen Produkts Massen mit Schlafsäcken vor die Firmengeschäfte treibt.

Kasachstan will und muss bekanntlich in diesem Spiel mitspielen, um auf absehbare Zeit von der Ölnadel wegzukommen. Das wird keinesfalls leicht und wird sicher nur partiell gelingen können. Mit einem hier oft verbreiteten Entweder-Oder-Denken, zu gigantischen Projekten, nicht immer effektiv eingesetztem vielem Geld, mit umfangreichen staatlich-bürokratischen Programmen und inhaltlichen Vorgaben und nur schwacher Orientierung auf Märkte sind die berechtigten Ziele der „Strategie der industriell-innovativen Entwicklung“ jedoch nicht wirksam zu erreichen. Leicht kann hierdurch gar das Gegenteil eintreten.

Bodo Lochmann

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