Schrittweise werden dieser Tage die Zahlen für das abgelaufene Wirtschaftsjahr zusammengestellt und öffentlich gemacht. Folglich kann man nun einiges aus der Sicht des wohl ersten aktuellen Krisenjahres analysieren.

Danach lag das Wachstum des BIP im vergangenen Jahr „bei über drei Prozent“. Das ist im internationalen Vergleich zwar nicht schlecht, für Kasachstan aber doch eher enttäuschend. Auch nach der Korrektur der eher unvernünftig hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre von 9 bis 10 Prozent hatte die Regierung doch immer noch mit über vier Prozent geplant. Aber: Es hat nicht sollen sein. Zu den wenigen Kennziffern, die auf den ersten Blick eine positive Entwicklung genommen haben, gehört das langjährige Sorgenkind Inflation. Von Dezember 2007 bis Dezember 2008 haben sich die Preise im Durchschnitt um 9,5 % erhöht und sind damit nicht im zweistelligen Bereich hängen geblieben. Das musste man im Herbst noch befürchten, und das war auch die Realität des Vorjahres. Doch wie das so ist mit der Statistik … Man kann sie ja letztlich auch ein wenig zurechtbiegen, ohne deswegen gleich schwindeln zu müssen. Natürlich werden diese 9,5 Prozent von Dezember bis Dezember stimmen, realistischer ist jedoch die jahresdurchschnittliche Teuerungsrate. Diese aber liegt bei stolzen (?) 17 Prozent. Letztere Größe ist deshalb realitätsnäher, weil ja die Kunden nicht nur im jeweiligen Dezember einkaufen, sondern das ganze Jahr über und so die Schwankungen der Preise im Verlauf des Jahres komplett mitmachen müssen. Demnach ist also auch das hinsichtlich dieser Kenngröße gestellte Ziel nicht erreicht.

Wie sind nun die Aussichten für das neue Jahr? Als Ziel ist die Vorgabe eines Inflationskorridors von 7 bis 9 Prozent zu erwarten (die Nationalbank hat Ihre Orientierungen zur Geldpolitik für 2009 noch nicht veröffentlicht). Also im Vergleich zu den Ergebnissen der beiden letzten Jahre (18 und 17 Prozent) wieder ein sehr anspruchsvolles Ziel. Wie stehen nun die Chancen, das auch zu erreichen?

Ich meine fifty-fifty. Es gibt Faktoren, die dafür und solche, die dagegen sprechen. Dafür spricht zum Beispiel der starke Rückgang der Staatsausgaben infolge deutlich verringerter Steuereinnahmen. Dafür sprechen des Weiteren der allgemeine Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten und des Umsatzes der Unternehmen, sowie die starke Verringerung des Wachstums des Realeinkommens. Die Verbraucher (darunter der Staat) werden ganz einfach nicht mehr so viel kaufen können, wie in der Vergangenheit. Demnach können die Produzenten und die Händler gewünschte Preiserhöhungen nur schwer durchsetzen. Außerdem sind die Weltmarktpreise für eigentlich alle Rohstoffe und – wenn auch nicht so stark – für viele Nahrungsgüter zurückgegangen. Da Kasachstan sehr viele Dinge importieren muss, wird sich der Rückgang der Weltmarktpreise natürlich auch positiv auf die Entwicklung des Preisniveaus auswirken. Auch hat die Nationalbank Kasachstans es in der letzten Zeit besser verstanden, den Geldmengenzuwachs zu begrenzen und nicht mehr so exorbitant steigen zu lassen, wie noch vor drei, vier Jahren. Auch die Banken, die ja das von der Nationalbank herausgegebene frische Geld in Form von Krediten an den Realsektor weitergeben, werden Kredite nur sehr vorsichtig und zurückhaltend verteilen.

Dem steht jedoch eine Reihe von Faktoren gegenüber, die eher für eine Preiserhöhung sprechen. Da ist zum einen der Fakt des nach wie vor ungenügenden Wettbewerbs, also eines zu hohen Konzentrationsgrades des Eigentums an Produktionsmitteln. In den meisten Sektoren, vor allem auch im Handel, bestimmen nur wenige Eigentümer den Verlauf des Gesamtgeschäftes. Sie haben so durchaus elegante Möglichkeiten zum Diktieren von Preisen, auch wenn das tausendmal nach kartellrechtlichen Vorschriften verboten sein sollte. Ein weiterer Faktor wird die mit hoher Wahrscheinlichkeit im Verlauf des Jahres eintretende Abwertung des Tenge sein. Der heutige Kurs von etwa 120 Tenge pro Dollar wird ja schon seit einiger Zeit von der Nationalbank künstlich auf diesem Niveau gehalten. Da der Zustrom von Devisen (Angebotsseite des Dollar) infolge der niedrigen Exportpreise für heimische Waren wesentlich geringer ist, als in den vergangenen Jahren, ergibt sich ein deutlicher Überhang der Nachfrage nach Dollar gegenüber seinem Angebot. Folglich müssen die Käufer in Tenge pro Dollar mehr bezahlen. Damit erhöhen sich auf dem kasachischen Binnenmarkt die Preise für alle Importprodukte. Wie hoch die Abwertung ausfallen wird, ist im Moment schwer vorherzusagen. Ewig jedoch kann die Nationalbank ihre Devisenreserven nicht für die Stützung des Tenge einsetzen. Nicht zuletzt ist auch noch darauf zu verweisen, dass die Produzenten von heimischen Dienstleistungen, vor allem im Bereich Energie und Wasser bei der Antimonopolkommission schon Schlange stehen und zum Teil saftige Preiserhöhungen durchsetzen wollen. Objektiv müssten sie das eigentlich auch, weil der Erneuerungsbedarf der veralteten Anlagen in den meisten Bereichen enorm hoch ist und die Investitionen ja irgendwoher finanziert werden müssen. Wenn die Regierung jedoch diesen Preiserhöhungswünschen der Monopolisten widersteht, (was aus sozialen Gründen wahrscheinlich ist) lässt sie sehenden Auges an anderer Stelle neue Probleme wachsen, die irgendwann nur noch teurer als heute beseitigt werden können.

Es wäre für die Regierung und die Nationalbank in 2009 ein voller Erfolg, wenn die durchschnittliche Inflationsrate nur einstellig wäre. Warten wir’s ab.

Bodo Lochmann

16/01/09

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