Unsere Kolummnistin Julia Siebert hat zwei Jahre in Russland gelebt und hilft jetzt in Köln Aussiedlern bei der Integration. In der DAZ schreibt sie von nun an regelmäßig über Ihre Erfahrungen in Deutschland.

Während die Politiker unbeholfen an Integrationskonzepten basteln, weiß es die Wirtschaft wieder mal besser: Das Vorhandensein von Produkten und Leistungen reicht allein noch nicht aus, damit diese auch nachgefragt werden. Es muss dafür geworben werden. Die Wirtschaft investiert viel, um die Bedürfnisse der Konsumenten zu ergründen und die Marketingmaßnahmen darauf auszurichten. Und wie wir nur zu gut wissen – es funktioniert. Die Migrationspolitik könnte davon lernen. Denn Deutschland hat eine breite Angebotspalette an Sozial- und Gesundheitsleistungen, Kultur- und Bildungsangeboten. Doch viele Zuwanderer kennen diese Angebote kaum und nehmen dadurch am öffentlichen Leben weitgehend nicht teil. Dabei ist es nicht so, dass sie sich nicht integrieren wollen und sich lieber zurückziehen. Für Migranten sind die Strukturen schlicht nicht verständlich. Es liegt aber nicht an mangelnden Deutschkenntnissen. Sondern in anderen Kulturen werden andere Informationskanäle genutzt und die Informationen anders aufbereitet.
Das haben einige größere Firmen längst begriffen und gestalten ihre Werbung unter der Bezeichnung Ethnomarketing so, dass sie damit auch Migranten erreichen – durch Sprache, Farbe und Symbolik. Für viele Gruppen empfiehlt es sich zum Beispiel, mit weniger Text, einer größeren Schrift und mehr Bildern zu werben. Je nach ethnischer Gruppe sind bestimmte Tierarten zu vermeiden. So wird in der deutschen Werbung oft das Schwein als Glückssymbol verwendet. In der Türkei hingegen ist es das schmutzigste Tier und wirkt abstoßend. Auch wirken Farben unterschiedlich.
Diesem Ansatz folgen nun – wenn auch zögerlich – die Politik, die öffentliche Verwaltung und Gesundheitseinrichtungen. Wollen wir eine Teilnahme der Zuwanderer am gesellschaftlichen Leben, dann müssen wir unsere Angebote entsprechend öffnen und anbieten – in einer für alle Gruppen verständlichen Art.
Gleiches gilt auch für die Zuwanderer. Migranten haben viel anzubieten. Doch über ihre kulturellen Besonderheiten, ihre Kompetenzen und Produkte ist noch zu wenig bekannt.
Gerade für Migrantenunternehmen bedeutet das Marketing eine entscheidende Voraussetzung, um deutsche Kunden zu gewinnen und sich in Deutschland zu etablieren. Für die eigenen Produkte zu werben, heißt auch, das Interesse an der Kultur zu gewinnen und den Austausch zu fördern. Gespräche finden nur selten auf der Straße und aus sozialen Gründen statt, sondern in Restaurants, Geschäften, beim Arzt oder Friseur und folgen praktischen Zielen. Aber was ist schlimm daran – wenn das Ergebnis stimmt?

18/11/05

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