Für die meisten Unternehmer und Lehrer, fast alle Studenten und viele Staatsangestellte ist auch in Kasachstan das Internet zu einem täglichen unverzichtbaren Arbeitsinstrument geworden. Nur sehr schwer ist vorstellbar, wie man noch vor zehn bis 15 Jahren ohne dieses Instrument überhaupt existieren konnte bzw. wie der größte Teil der Bevölkerung Kasachstans das heute noch tut. Sicher, weltweit wird das Internet überwiegend für Unterhaltungszwecke genutzt, worauf man letztlich doch verzichten könnte.

Doch beim Einholen von Informationen kann in unserer teilglobalisierten Welt heute kaum ein Entscheider auf die Nutzung des Webs verzichten. Zu groß sind ganz einfach seine Vorteile gegenüber den klassischen In-strumenten, wie Brief oder Fax. Schnelligkeit, Komplexität, zeitnahe Operationen, Objektivität und Anonymität sind nur einige der Vorteile für den Nutzer. Der Anbieter von Informationen kann seinerseits auf solche Vorteile verweisen, wie informative Durchdringung der gesamten Welt, Kostengünstigkeit, schnelle Erreichbarkeit und Rückkopplung. Das Internet ist zusammen mit der etwa zeitgleich entstandenen Mobiltelefonie seitens der Kommunikationsprozesse die technische Basis der modernen Globalisierung. Zugang zu Informationen an jedem Ort der Welt, zu jeder Tageszeit, von fast jedem Unternehmen und fast jeder Organisation ist fast immer selbstverständlich und zum großen Teil auch unverzichtbar für das ereignisnahe Treffen von optimalen Entscheidungen. Zunehmend trifft das auch auf die privaten Angelegenheiten der einfachen Bürger zu. Onlinebanking, zum Beispiel, gibt dem Kunden die Freiheit, unabhängig von irgendwelchen Öffnungszeiten, entsprechende Bankoperationen auszuführen. Der Ort, von dem aus man das tut, ist ebenso unwichtig, wie der Ort, an dem sich die Bank befindet. Das braucht der Kunde auch nicht unbedingt zu wissen, wenn das Netz nur normal funktioniert. Einkäufe, vor allem von höherwertigen technischen Waren und von Dienstleistungen der unterschiedlichsten Art (Reisen, Flugtickets, Versicherungen), über das Internet sind in den Industriestaaten schon eher die Normalität, als die große Ausnahme.

Sicher, der Computer generell und das Internet speziell haben auch eine ganze Reihe traditioneller Arbeitsplätze vernichtet. Dafür sind jedoch jede Menge neuer entstanden, natürlich mit völlig anderen Inhalten. Dieser von Ökonomen als „Strukturwandel“ beschriebene Prozess verursacht zwar immer wieder verständliche Ängste bei den vom Arbeitsplatzabbau Betroffenen. Veränderungen der vorhandenen Wirtschaftsstrukturen sind aber einerseits so alt wie das Wirtschaften der Menschen selbst; zum anderen sind die meisten Strukturveränderungen die Voraussetzung für das Erzielen einer höheren Produktivität der menschlichen Arbeit und damit auch für die Steigerung des Wohlstandes letztlich aller. Niemand käme wohl heute auf die Idee, die Erfinder des Rades zu verteufeln, nur weil sie seinerzeit viele tausend Lastenträger arbeitslos gemacht haben. Die positiven wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieser historischen Revolution sind langfristig unvergleichbar größer als die Folgen für die nun arbeitslosen Lastenträger. Gleiches gilt prinzipiell auch für das Internet. Gleichwohl stemmen sich Regierungen mancher (weniger) Länder gegen das Internet und damit gegen den allgemeinen Fortschritt. Doch das passiert überwiegend aus politischen Gründen und ist eigentlich nur in wenig demokratisch strukturierten Ländern zu beobachten. Schließlich erlaubt das Internet das Finden von Informationen, Projekten und Gedanken, die das politische System eines Landes kritisch darstellen. Das ist ja in totalitären Staaten nicht unbedingt erwünscht. Das Internet lässt sich zwar auch kontrollieren und steuern, aber wesentlich schwerer als die Printmedien.
Natürlich kann die Webnutzung auch für den einzelnen Bürger negative Folgen haben. Gemeint ist hier nicht nur das Auftreten von vor etwa zehn Jahren de facto noch unbekannten Begriffen und Prozessen, wie „Spam“ oder „Computervirus“ oder individueller Internetabhängigkeit (vergleichbar mit der Spielsucht), sondern vor allem die Möglichkeit des Ausspionierens von Unternehmensdaten und von privaten Neigungen und Daten der Bürger. Dem steht wiederum die Möglichkeit der schnellen und unkomplizierten Informationsbeschaffung und –verbreitung (bloggen) entgegen.

Die Politik in Kasachstan zeichnet sich durch Offenheit gegenüber dem Internet aus. Das ist gut so, wird doch so eine wichtige Ressource zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit ebenso erschlossen, wie die Möglichkeit der Lösung einer Reihe gesellschaftlicher und sozialer Probleme geschaffen. Zu tun ist dabei hierzulande noch mehr als genug. Bei der Internetdurchdringung nimmt Kasachstan nur einen der letzten Plätze im Weltvergleich ein. Somit werden große Potenziale vergleichsweise schlecht genutzt. Staatliche Programme zur Änderung der Situation gibt es (natürlich). Doch nicht deren bloße Existenz, sonder das Tempo und die Qualität ihrer Umsetzung sind entscheidend.

Bodo Lochmann

03/08/07

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