Kampfkunst muss nicht erhaben sein: Mit „Kung Fu Hustle“ folgt der Regisseur und Schauspieler Stephen Chow dem Vorbild Jackie Chans. Er reichert das Genre mit einer guten Dosis Albernheit an. Das Publikum in China und Hongkong ist begeistert

Man muss nur einmal Sightseeing in China versuchen, und schon gewinnt man eine Ahnung vom Verhältnis vieler Chinesen zu ihrer Geschichte: Horden von chinesischen Touristengruppen bevölkern bunt lackierte Teehäuser, die mal alt waren, und Städte, die besser hätten verboten bleiben sollen. Jeder geschichtsträchtige Gegenstand wird lauthals verlacht und schließlich fürs Fotoalbum in Besitz genommen. Mag sein, dass sich viele Chinesen abends am Stammtisch als Chauvinisten geben, ihr Reich für das der Mitte erklären und die umliegenden Kulturen für schlechte Kopien: Ihr Selbstbewusstsein ist trotzdem sympathisch, weil sie sich darüber lustig machen.

Dies scheint auch für viele Regisseure aus China und Hongkong zu gelten. Hatte man in den letzten Jahren durch Blockbuster wie Ang Lees „Tiger & Dragon“ oder Zhang Yimous „Hero“ oder „House Of the Flying Daggers“ den Eindruck, Martial Arts habe sich zu einem höchst weihevollen Genre entwickelt, schafft Stephen Chow mit seinem neuen Film „Kung Fu Hustle“ Ausgleich. Der 41-Jährige hat in mehr als 60 Filmen als Schauspieler und in sieben als Regisseur die Komödie in Hongkong vorangebracht – mit „Shaolin Kickers“ hatte er im letzten Jahr seinen internationalen Durchbruch. In China zum Wächter des nationalen Erbes ernannt werden, so wie Zhang Yimou: Das wird er deshalb wohl nie. Dafür war „Kung Fu Hustle“ 2004 der kommerziell erfolgreichste Film in China, eine Leistung, die in diesem Land inzwischen sowieso mehr zählt als staatlicher Segen. Außerdem scheint es das chinesische Publikum zu schätzen, wenn „Kung Fu Hustle“ in Erinnerung ruft, dass Clownerie genauso zum Genre des Kung-Fu-Films gehört wie das Erhabene – man denke nur an Jackie Chan. Und ohne Parodie wäre die Filmindustrie in Hongkong nicht, wo sie heute ist. Das zeigen Remakes wie das von „Titanic“, aber auch „Roaring Dragon, Bluffing Tiger“ und „Flying Dragon, Leaping Tiger“, die angeblich amüsanten Nachfolger von „Tiger & Dragon“.

Aber hier schnell die Geschichte von „Kung Fu Hustle“: Schanghai in den Vierzigern, eine anarchische Welt zwischen Bürgerkrieg und Ausrufung der Volksrepublik. Sing, dargestellt vom Regisseur selbst, ist ein nutzloser Hänger und will Mitglied bei der gefährlichen „Axtbande“ werden. Martin Scorseses „Gangs of New York“ lassen grüßen. In der schäbigen „Residenz Schweinestall“, meint er, so tun zu können als ob. Dumm, dass ausgerechnet an diesem Tag einige Mitglieder der Axtbande in der Gegend sind. Sergio Leone winkt aus der Ferne. Die „Axtbrüder“ greifen die Residenz an, einige der Bewohner haben also keine andere Wahl, sie müssen sich als Meister des Kung Fu outen. Der Kampf von David gegen Goliath bricht los, Sing wird zum Retter der Menschheit, fast so schön wie in „Matrix“.

Das alles wäre kaum der Rede wert, wenn es bei diesem Film nicht viel eher auf das Wie ankäme als auf das Was. In der Szene, in der sich Sing verliebt, sieht man kurz ein Filmplakat mit Fred Astaire und Ginger Rogers. Ein Licht geht auf: So, wie Astaire und Rogers ein darstellendes Verhältnis zur Romantik hatten, so geht „Kung Fu Hustle“ mit seinem Genre um. Keiner meint es ernst. Das ist es, was diesen Film glaubwürdig macht.

Da ist zum einen der „Schweinestall“, ein Mikrokosmos inklusive Teeladen, Friseur und Pack, das sich schlägt und verträgt. Wie sozialkitschig wäre dies, hätte man nicht immer das Gefühl, diese Kulisse könnte jederzeit nach hinten umkippen. Dann sind da die zahllosen, leicht erkennbaren Spezialeffekte. Menschen fliegen in den Himmel, Faustschläge zertrümmern ganze Häuser: All das tut nicht mal so, als wäre es möglich. Und dann der Hänger: Seine Wurfmesser landen immer in der eigenen Schulter. Das ist albern, aber nicht schenkelklopfend. Denn Stephen Chow bedient sich einer unterkühlten Gestik à la Buster Keaton oder Helge Schneider, die wirkt, als stehe er neben sich und sei selbst erstaunt über die komische Wirkung, die er erzielt.

Was diesen Film aber am allerschönsten macht, das sind die so genannten einfachen Leute: Der Schneider und der Nudelkoch, ein Schlappschwanz und eine Tunte, der Vermieter und die Vermieterin, ein Lackaffe mit zu viel Pomade im Haar und ein Hausdrachen in Puschen: Sie alle haben sich fürs Mausgraue entschieden. Da die Welt sie aber nicht in Ruhe lässt, müssen sie wieder kämpfen. Dies geriete sicher Richtung Rührseligkeit, würden sie nicht durch plötzlichen Tod aus dem Verkehr gezogen oder gegen Plakatwände knallen wie Comicfiguren. Es ist, als schauten sie sich den ganzen Film über beim Spielen zu.

Diesen Effekt hat Stephen Chow durch die Auswahl seiner Darsteller verstärkt. Viele von ihnen sind Kung-Fu-Stars aus den Achtzigern. Yuen Qui zum Beispiel, die Vermieterin, kennt man im Westen als Bond-Mädchen in „The Man With The Golden Gun“, und Yuen Wah, der Vermieter, war Stuntman von Bruce Lee. Dies ist genau das Personal, dem man abnimmt, dass es morgens Kalligrafie übt und abends Kasperletheater mit Buddhabüsten spielt. Sie präsentieren Superhelden und verkörpern mehr Lust auf Alltag als auf ein Leben als Superheld. Nur mit ihnen konnte die Gratwanderung zwischen Nostalgie und Burleske glücken. So schafft es „Kung Fu Hustle“, seinem Genre Respekt zu zollen und es zugleich zu brechen. Wie schön, dass so etwas auch in China gefällt.

„Kung Fu Hustle“. Regie: Stephen Chow. Mit Stephen Chow, Yuen Wah, Yuen Qiu u. a. China/Hongkong 2004, 99 Min.

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