Am Montag fand das Kasachisch-Deutsche Wirtschaftsforum in der Hauptstadt Astana statt. Es wurden 36 Abkommen im Gesamtwert von 6,3 Milliarden US-Dollar in unterschiedlichen Bereichen unterzeichnet. Die Teilnahme des Bundeskanzlers Scholz sowie des kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew rundete die Veranstaltung ab.
Die erste Podiumsdiskussion wurde von Michael Harms, dem Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, moderiert. Die Teilnehmer erörterten neue Möglichkeiten für gemeinsame Projekte in den Bereichen erneuerbare Energien, umweltfreundliche Technologien, Verkehr und Logistik. Seitens Kasachstan wurde angemerkt, dass die breite Vertretung deutscher Wirtschaftskreise auf dem Wirtschaftsforum zur Stärkung der Partnerschaft beider Länder beitragen wird.
Die darauffolgende Diskussionsrunde war den Sektoren Landwirtschaft, Industrie und Rohstoffe gewidmet. Die Moderation übernahm Hovsep Voskanyan, der Vorsitzende des Verbands der Deutschen Wirtschaft in Kasachstan und Leiter der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Zentralasien. Zunächst trat Patricia Neumann, die Vizepräsidentin der SIEMENS AG für Osteuropa und Zentralasien, auf und informierte darüber, dass Siemens in seiner 30-jährigen Tätigkeit in Kasachstan gemeinsam mit kasachstanischen Kunden und Partnern viele Großprojekte zur Modernisierung der Infrastruktur des Landes erfolgreich umgesetzt hat. Die neuesten Pläne ihres Unternehmens sehen vor, „eine lokale Montage und spätere Teilproduktion von Siemens-Messgeräten in Kasachstan“ anzubieten. Frau Neumann führte des weiteren aus, dass „dieses Projekt einen wichtigen Meilenstein in der wirtschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Deutschland darstellt, da es den Transfer von bedeutendem Know-how, den Aufbau lokaler Kapazitäten und Investitionen in energieeffiziente und hochpräzise Technologien beinhaltet.“ Deshalb werde Siemens „am Rande des heutigen Forums einen detaillierten Fahrplan für weitere Schritte unterzeichnen“.
Wachstum der Handelsumsätze
Kassym-Schomart Tokajew wies in seiner Ansprache darauf hin, dass der bilaterale Handelsumsatz im letzten Jahr deutlich gestiegen ist. Nach Angaben des Staatsoberhauptes macht die strategische Lage Kasachstans das Land zu einem wichtigen intraregionalen Zentrum für Handel und Logistik in Eurasien. Er stellte fest, dass der Mittlere Korridor derzeit die kürzeste und zuverlässigste Route nach Europa mit einer potenziellen Jahreskapazität von bis zu zehn Millionen Tonnen Fracht ist.
Der Präsident betonte, dass die neue Wirtschaftspolitik Kasachstans auf die Schaffung einer auf Wissen und Innovation beruhenden Wirtschaft abzielt. Zur Erreichung dieses Ziels implementiert Kasachstan umfassende wirtschaftliche und soziale Reformen, um die Wirtschaft gemäß den Grundsätzen eines gerechten Wettbewerbs und der unternehmerischen Freiheit zu liberalisieren. Dementsprechend hat Kasachstan einen neuen Investitionszyklus in Angriff genommen, der darauf abzielt, bis zum Jahr 2029 150 Mrd. US-Dollar ausländische Direktinvestitionen anzulocken.
Das Staatsoberhaupt schlug außerdem vor, den Mittleren Korridor für Gütertransporte, die über das Kaspische Meer, den Transkaukasus und das Schwarze Meer zwischen Kasachstan und Europa verkehren, an das Transeuropäischen Eisenbahn-Verkehrsnetz anzubinden, wofür auch finanzielle Mittel jener EU-Initiative verwendet werden sollten, die als „Global Gateway“ bezeichnet wird. Nur so wird man das wachsende Handelsvolumen zwischen Ost und West zuverlässig meistern können. „Wir freuen uns darauf, dass deutsche Unternehmen ihre Präsenz in unserem Land ausbauen, indem sie die Produktion unter unserer gemeinsamen Marke ‚Made in Kazakhstan mit deutscher Qualität‘ lokalisieren“, fügte er hinzu.
Die Kasachstandeutschen als Brückenbauer
In seiner anschließenden Rede merkte der deutsche Bundeskanzler die Wichtigkeit der deutschen Minderheit in Kasachstan an: „Unsere Länder verbinden auch unzählige persönliche Bindungen, Familien- und Lebensgeschichten. Die 200 000 Bürgerinnen und Bürger deutscher Herkunft in Kasachstan und die mehr als 800 000 Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die aus Kasachstan nach Deutschland eingewandert sind, sie bilden eine feste Brücke zwischen unseren Ländern, die wir sehr schätzen, die wir pflegen und die uns auch in Zukunft verbinden wird“, so Scholz wörtlich.
Auch der kasachstandeutsche Vizesprecher des Mäschilis des Parlaments der Republik Kasachstan, Albert Rau, war Teilnehmer der Veranstaltung. Nach seiner Einschätzung war dies eines der besten Wirtschaftsforen der beiden Länder. „Was mich an der Rede des Bundeskanzlers am meisten inspiriert hat, ist die Tatsache, dass Deutschland erkannt hat, dass wir nicht warten können, bis sich die globalen Turbulenzen beruhigen. Bis das so weit ist, werden die Märkte schon zwischen Unternehmen aus anderen, risikofreudigeren Ländern verteilt sein. Wir sprechen in erster Linie von China, aber auch Korea zeigt eine sehr große Dynamik, auch einige Unternehmen in Kasachstan. Darüber hinaus bezeichnete der Kanzler Kasachstan als ein Land mit einem berechenbaren Investitionsklima, mit einem guten wirtschaftlichen Niveau und er verwies auf unsere traditionell guten Beziehungen. Ich hoffe, dass die deutsche Wirtschaft dies zu schätzen weiß und diese Botschaften beachtet und nutzt“, so der Abgeordnete.
Zahlreiche Abkommen unterzeichnet
In Anwesenheit des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz und des Staatsoberhauptes Kassym-Schomart Tokajew wurden zum Abschluss des Wirtschaftsforums viele Dokumente ausgetauscht, die zuvor von dessen Teilnehmern unterzeichnet worden waren. Darunter befanden sich:
1. ein Memorandum über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung im Zusammenhang mit dem Projekt HYRASIA zur Herstellung von Grünem Wasserstoff zwischen dem Ministerium für Wissenschaft und Hochschulbildung der Republik Kasachstan und Svevind Energy;
2. eine Rahmenvereinbarung über die gemeinsame Durchführung des Projekts zum Bau eines internationalen Fracht- und Passagierflughafens in der kasachisch-chinesischen Freihandelszone Khorgos zwischen dem Verkehrsministerium der Republik Kasachstan und SKYHANSA
und viele weitere.
Den Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden während der gesamten Veranstaltung eine Ausstellung von kasachisch-deutschen Gemeinschaftsprojekten in den Bereichen Energie, Maschinenbau, Logistik, Bergbau, Metallurgie und Landwirtschaft präsentiert.
Aktuell sind 752 Unternehmen mit deutscher Beteiligung in Kasachstan tätig. Im Zeitraum von 1992 bis 2023 investierte Deutschland mehr als 6,6 Milliarden US-Dollar in die kasachische Wirtschaft. 2023 betrug der Zufluss von Direktinvestitionen aus Deutschland eine Rekordsumme von 770 Millionen US-Dollar, das waren 64 Prozent mehr als im Vorjahr.