Jürgen Ratzinger ist seit 2007 zuständig für das Geschäftsfeld International bei der Industrie und Handelskammer (IHK) Frankfurt am Main. Im Interview mit DAZ-Reporter Kostja Dallibor spricht er über Potentiale für eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Deutschland.
/Bild: Kostja Dallibor. ‚Jürgen Ratzinger beobachtet für die IHK Frankfurt am Main die Entwicklungen in Kasachstan sehr genau.’/
Was tun das Bundesland Hessen, der Wirtschafts- und Finanzstandort Frankfurt sowie die IHK im Kasachstan-Jahr in Deutschland 2009, um die Beziehungen mit Kasachstan auszubauen?
Bereits in der Vergangenheit haben wir mit Informationsveranstaltungen auf die Chancen für deutsche Unternehmen in Kasachstan hingewiesen. Das Land ist in der Region Zentralasien ein wichtiger und attraktiver Partner. Kasachstan ist auf unserem Radarschirm sehr präsent. Wir planen unter anderem in diesem Jahr eine Veranstaltung zu Geschäftschancen im Bereich Energieeffizienz in Kasachstan.
2007 betrug das deutsch-kasachische Handelsvolumen circa 6 Milliarden Euro. Kasachstan steht etwa an 44. Stelle der für Deutschland wichtigen Handelspartner; innerhalb der GUS nach Russland an 2. Stelle. Wo ist da noch Spielraum?
Im bilateralen Handel von Kasachstan nach Deutschland überwiegen die Rohstoffe. Umgekehrt sind es Kfz-Teile, Investitions-, und Infrastrukturgüter. Mit der Modernisierung der kasachischen Infrastruktur kann sich die Handelsstruktur verändern. Kasachstan kann sich nicht nur als Rohstofflieferant positionieren, sondern auch als Produktionsstandort in einer sehr gestrafften Wertschöpfungskette, nahe zu den Rohstoffen, die man hat.
Was könnte die kasachische Seite tun, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik zu vertiefen?
Kasachstan bietet interessierten deutschen Unternehmen die Möglichkeit, das Land kennen zu lernen. Deutschland hat im letzten Jahr mit dem Ausbau der Repräsentanz der Deutschen Wirtschaft zu einem Delegiertenbüro für Zentralasien einen wichtigen Schritt nach vorn gemacht. Wichtige Argumente für Kasachstan, wie eben der Rohstoffreichtum, sprechen für sich. Ein noch besserer Ausbau der Infrastruktur und „soft factors“ wie politische Stabilität, Rechtssicherheit, schnelle Wege, wenig Bürokratie, an denen das Land arbeitet und die teilweise schon gegeben sind, machen es für Unternehmer noch attraktiver.
Wo sehen Sie die Beziehungen in fünf Jahren?
Die wirtschaftlichen Beziehungen werden noch intensiver als heute sein. Wir werden dann hoffentlich die schwere weltwirtschaftliche Krise hinter uns haben. Für Deutschland ist das Thema Diversifizierung von Rohstofflieferanten wichtig, und da sehe ich Kasachstan als Partner Deutschlands sehr positiv.
Spielt die vielbeschworene „Brückenfunktion“ der Russlanddeutschen eine Rolle?
Diese Brücke gibt es. Unsere Aufgabe ist, daran zu arbeiten, dass sie stark genug ist und trägt, damit man darüber gehen kann. Das Potential ist da.
Kasachstan hat ein ähnliches Negativima-ge wie Russland. Wird sich das ändern?
Wer in Kasachstan arbeitet, hat sicher ein viel differenzierteres Bild. Natürlich werden in der Presse und in der breiten Öffentlichkeit bestimmte Themen in den Vordergrund geschoben. An manchen von ihnen muss man arbeiten. Die Region hat sich ja erst vor 10-15 Jahren geöffnet. Der Westen will ein Partner – auch ein kritischer – sein, will unterstützen. Ich sehe das als einen langfristigen Prozess.
Zentralasien spielt auch im Zusammenhang mit Afghanistan und Pakistan eine Rolle. Wie ist dabei der Vorsitz Kasachstans bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa im Jahr 2010 zu bewerten?
Afghanistan ist eine der größten Herausforderungen für die westliche Welt. Wie schwierig das ist, merkt man ja am Engagement der wichtigsten Länder und der NATO. Da kommt auch der OSZE als einer Plattform für Austausch und Zusammenarbeit der regional wichtigen Länder eine bedeutende Rolle zu. Etwa beim Aufzeigen von Wegen in eine langfristige Friedensordnung in der Region. Das ist für Kasachstan eine große Herausforderung und Chance. Insofern hoffen wir, dass Kasachstan da eine glückliche und erfolgreiche Hand hat.
Das Interview führte Kostja Dallibor.
17/04/09