Seit mehr als 15 Jahren sind die postsowjetischen Länder mehr oder weniger erfolgreich damit beschäftigt, stabile Demokratien in relativer Unabhängigkeit von Russland aufzubauen. Wie weit diese Entwicklung in Zentralasien fortgeschritten ist, versuchte eine internationale Konferenz diese Woche in Almaty herauszufinden.

Der Demokratiesierungsprozess verläuft in beinah jedem postsowjetischen Staat nicht ohne Probleme. In Georgien, der Ukraine und Kirgisien gipfelten diese in Revolutionen. Eine Konferenz, die diese Woche in Almaty stattfand, versuchte eine Zwischenbilanz nach über 15 Jahren Unabhängigkeit von Russland zu ziehen. Die internationale Konferenz trug den Titel „Die Dynamik politischer Prozesse in Zentralasien” und wurde vom Almatyer Institut für moderne Politik (IIMP), der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem Europäischen Forum und der Zeitschrift „Pravila Igry” organisiert. Die Analysen der Teilnehmer beschränkten sich jedoch auf die Situation in Russland, Kasachstan und Kirgisien, wobei letzteres als abschreckendes Beispiel herhalten musste: „Die Krise in Kirgisien ist noch lange nicht vorbei”, sagte der Politanalyst Alexander Knjasew. Gleb Pawlowski, Präsident der Stiftung für effektive Politik in Moskau, ging noch einen Schritt weiter: „Die Revolutionen in Kirgisien, der Ukraine und Georgien hatten das Ziel, die Wahlen zu manipulieren.” Niemand der Anwesenden widersprach. Auch Dariga Nasarbajewa, Vorsitzende der Parlamentsfraktion „Almak”, sagte, es gebe Kräfte, die versuchen, die Demokratie zu destabilisieren und nannte in diesem Zusammenhang die farbigen Revolutionen.

Charismatische Leader nötig

Die Friedrich-Ebert-Stiftung lege ihren Fokus auf die Entwicklung der Demokratien in Zentralasien, sagte Elvira Pak, Leiterin des Almatyer Büros. „Die Entwicklung ist bis jetzt noch nicht homogen, aber wir sehen Kasachstan als die treibende Kraft in diesem Prozess, dessen Indikatoren vor allem die Sicherung der Menschenrechte und demokratische Wahlen sind”, führt sie aus. Dass Kasachstan eine Vorzeigerolle in Zentralasien einnimmt, darin waren sich alle Teilnehmer einig. Ljudmila Adilowa von der Staatlichen Russischen Universität für Humanwissenschaften sieht den Grund hierfür vor allem in der Person des Präsidenten: „Kasachstan ist deshalb führend, weil es einen charismatischen, starken Führer hat.” Andranik Migranjan, Professor an der Moskauer Staatlichen Universität für internationale Beziehungen, sprach sich ebenfalls für das System einer präsidialen Herrschaft aus. „Institutionelle Reformen sind immer gefährlich, der Präsident muss alle exekutive Macht in sich vereinen, um diese vorsichtig durchzuführen”, erklärte er und brachte das anschauliche Beispiel des Staates als eines Kranken, dem man gerade wegen seines Zustands nicht die Beine amputieren dürfe. Dass Reformen dennoch wichtig sind, bekräftigte Dariga Nasarbajewa: „Es gibt in Kasachstan bereits eine Arbeitsgruppe, die einen Plan zur weiteren ökonomischen und demokratischen Entwicklung ausarbeitet. Gerade im wirtschaftlichen und sozialen Bereich sind noch Verbesserungen nötig.”

Eliten als Risikofaktor

Migranjan sprach aber auch die grundlegenden Probleme der postsowjetischen Staaten an, wobei er die baltischen Staaten ausnahm: „Das Fehlen einer starken Opposition und die schwache Zivilgesellschaft begünstigen es, dass sich ein Einzelner sehr lange an der Macht halten kann.” Als möglichen gesellschaftlichen Stabilisierungsfaktor nannte Kadir Malikow vom Kirgisischen Institut für strategische und soziale Studien die Religion. Seiner Meinung nach sollte sich Kasachstan mehr zum Islam hinwenden und diese Werte in der Gesellschaft kommunizieren. Ein Staat brauche eine Ideologie, über die er sich definieren könne, was in Russland das Nationalbewusstsein sei, müsse in Kasachstan der Islam werden. Artjom Chatschaturjan wies darauf hin, dass „westliche Einrichtungen nicht passend” sind für slawische Länder. Den herrschenden Eliten kreidete Sabit Schusupow vom Institut für soziologische und politische Studien vor allem die mangelnde Bereitschaft zu Reformen an. Diese Eliten seien ein Risikofaktor für die Stabilität eines Landes, vor allem wenn es in dem betreffenden Staat auch eine mächtige Gegenelite gebe. Andrea Schmitz von der Stiftung „Wissenschaft und Politik” in Berlin fand in ihrem Redebeitrag klare Worte: „Demokratie bedeutet Machtverzicht des Einzelnen zugunsten von Rechtstaatlichkeit. Nasarbajew sorgt im Moment für Stabilität. Doch was passiert, wenn er abtritt? Wer wird dieses Machtvakuum füllen?”

18/11/05

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