Über viele Ecken waren deutsche Firmen verflochten. Unter Rot-Grün änderte sich dies. Der Umbau der lähmenden und intransparenten Deutschland AG ist fast abgeschlossen – die Kasachstan Co. KG scheint einen anderen Weg zu gehen.

Über viele Ecken waren deutsche Firmen verflochten. Unter Rot-Grün änderte sich dies. Der Umbau der lähmenden und intransparenten Deutschland AG ist fast abgeschlossen – die Kasachstan Co. KG scheint einen anderen Weg zu gehen.

Über Wirtschaftsfragen lässt sich streiten. Frage man drei Ökonomen, so erhalte man vier Antworten, so ein Bonmot. Einhelligkeit herrscht, wenn es um einen wirtschaftspolitischen Erfolg der rot-grünen Bundesregierung geht. In wenigen Jahren gelang es, die lähmende und intransparente Deutschland AG  eine enge direkte Überkreuzverflechtung von Konzernen und Großbanken  zu modernisieren. Kasachstans Volkswirtschaft scheint indes die alte Deutschland AG kopieren zu wollen. Mehr noch, von ehemaligen Kombinaten ausgehend, scheint sich die zukünftige familienbasierte Kasachstan GmbH und Co. KG zu formieren. Eine Co. KG, in der persönliche Beziehungen besondere Bedeutung genießen und die zunehmend gegen ausländische Investoren spielt.

Vor allem der Einfluss des Präsidenten und seiner Vertrauten seit der Wendezeit scheint die oligarchische Kasachstan Co. KG zu fördern. Eine Co. KG mit Gründerfamilie Nasarbajew und Patronagestruktur, in der ein Dutzend Firmen 80 Prozent der inländischen Wertschöpfung kontrolliert und die Präsidentenfamilie enge personelle und wirtschaftliche Verbindungen mit, je nach Schätzung, 30 bis 50 Konzernen pflegt. Internationaler Währungsfonds, Europas Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) oder ausländische Regierungen, die Anfang der 1990 noch Gehör fanden und Kasachstan als die dynamischste, marktwirtschaftliche Volkswirtschaft der GUS bezeichneten, sind heute kritisch gegenüber den Entwicklungen im Lande. Denn seit Ende der 1990er Jahre zeichnen sich kaum mehr Fortschritte im Bereich Marktliberalisierung und Unternehmensrestrukturierung ab. Stattdessen zeigen sich sogar gegenläufige Tendenzen zu großskaligen Oligopolen oder Monopolen mit intransparenter Eigentümerstruktur. Der Eigenkapitalmarkt gilt immer noch als wenig transpartent – der kasachstanische Steppenadler befindet sich nicht mehr im Steigflug. Seit Ende der 1990er Jahre rutscht das Land im internationalen Vergleich beständig ab.

Der kasachische Steppenadler im Sinkflug

Im weltweiten Index der wirtschaftlichen Freiheit der Heritage-Stiftung liegt Kasachstan auf dem 130. Platz – ähnlich die Platzierung im Korruptionsindex von Transparency International. Miserable Bewertungen erhält Kasachstan im Heritage-Index in den Bereichen Auslandsinvestitionen, Eigentumsrechte, Regulierung und informelle Markt- und Wirtschaftsstrukturen. Das ökonomische Umfeld wird als größtenteils von Unfreiheit geprägt klassifiziert. Als eine sogenannte Rentenökonomie, in der Machteliten einen hohen Anteil an Rohstoffeinnahmen vereinnahmen. Kasachstan tut sich schwer, der vom britischen Premier ins Leben gerufenen EITI-Initiative beizutreten, denn sie will Transparenz von Rohstoffeinnahmen sichern.

Auch gewichtige politische Gegenspieler müssen in Kasachstan über enge Wirtschaftskontakte verfügen. Paradebeispiel ist die Kazkommertsbank, die je nach personalpolitischer Wetterlage eher auf Präsidentenkurs oder regierungskritisch ist. Eine polit-ökonomische Makrokonstellation der Rivalität in Führungsetagen, die ausländische Investitionen einen Umweg machen lässt. Kleine und mittelständische Firmen –  auch Großinvestoren abseits des Ölsektors – scheuen Engagements. Beträchtliche Greenfield-Direktinvestitionen, Indikator von Investorenvertrauen und ökonomischer Transparenz, hat Kasachstan in den letzten Jahren kaum angezogen. Nach Regierungsschätzungen verfügt selbst die heimische Bevölkerung über zwei bis drei Milliarden US-Dollar sogenannter versteckter Reserven, die die Kasachstan Co. KG meiden.

Der Anfang vom Ende der Deutschland AG

Für die entgegengerichtete Entflechtung der deutschen Volkswirtschaft legte eine Gesetzesnovelle zum Jahresende 1999 den Grundstein. Finanzminister Hans Eichel kündigte im Zuge einer Unternehmenssteuerreform und in Zeiten boomender Aktienmärkte an, dass Verkaufserlöse inländischer Firmenbeteiligungen steuerfrei seien. Für Banken und Industriekonglomerate ein Anreiz, langgehegte Beteiligungen zu versilbern. Damit wandelte sich das schön geredete, auf lange Frist eher lähmende und intransparente Firmennetzwerk der Deutschland AG in eine wettbewerbsorientierte Wirtschaftsstruktur. Das Ausmaß der Entflechtung belegt eine jüngst veröffentliche Studie des Kölner Max-Planck-Instituts.

Bis in die 1980er Jahre galten Kapitalbeteiligungen zwischen Finanzkonzernen und Industriekonglomeraten in Deutschland als Konstante und Erfolgsmodell. Die Schaltstellen der Macht lagen in den Konzernzentralen von Allianz, Deutscher Bank und Münchner Rück. Vorstände und Aufsichtsräte der Republik waren ein eng vernetzter Zirkel, der gern unter sich blieb. Man traf sich zu Gesellschaftsanlässen wie Festspielen, Wohltätigkeitsbällen oder Golfturnieren. Politiker suchten die Nähe zu solchen Netzwerken. Ein wenig scherzhaft bezeichnete sich Gerhard Schröder einstmals als „Vorstandsvorsitzender der Deutschland AG“.

Die deutsche Wirtschaft gehörte bis in die 1990er de facto sich selbst. Dies hielt Wettbewerber auf Distanz und schützte vor Übernahmen, ausländische Investoren hatten kaum eine Chance, einen deutschen Großkonzern zu übernehmen. Steigender Konkurrenzdruck der Modernisierung und Globalisierung plus Anforderungen internationaler Investoren und Investmentgesellschaften änderten die Rahmenbedingungen. Ebenso schärfere internationale Eigenkapitalrichtlinien für Banken. Kapital- und Aufsichtsratsnetzwerke der Deutschland AG waren dem neuen Umfeld wenig gewachsen. In der Deutschland AG schob man sich Geschäfte zu und konservierte ineffiziente Firmenstrukturen. Deutsche Konzerne agierten zu langsam, ihr Management konnte sich durch Beteiligung befreundeter Wirtschaftsführer und strategische Kungelei zuviel Spielraum und Investitionen abseits harter Kostenkalkulation leisten.

Lange galt die Deutsche Bank, in Gründertagen Geburtshelfer der Daimler-Benz AG,  als strategischer und personalpolitischer Strippenzieher in Stuttgart. Im Jahre 1975 war die Bank mit fast 30 Prozent an dem Automobilbauer beteiligt. Ende August diesen Jahres verkaufte die Frankfurter Großbank 35 Millionen DaimlerChrysler Aktien im Wert von 1,4 Milliarden Euro, erzielte so einen Gewinn von 300 Millionen und hält nur noch circa sieben Prozent des Aktienkapitals. Die Deutsche Bank verkaufte gemäß Firmenangaben in den letzten Jahren Beteiligungen im Gesamtwert von rund sechs Milliarden Euro. Einst war ihr Vorstandsvorsitzender in über 30 Aufsichtsräten vertreten – heute bekleidet er vier Mandate.

Der größere Streubesitz des deutschen Aktienkapitals ermöglicht nun marktliche Kontrolle und feindliche Übernahmen. „Die muffigen Zeiten der Deutschland AG sind vorbei und kommen nie wieder“, so Jürgen Kurz, Sprecher der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, in der Süddeutschen Zeitung. Die FAZ kommentierte: „Konkurrieren und nicht mehr Kungeln heißt das neue Credo“ – auch wenn die CDU ankündigte, eine von ihr geführte Regierung werde Erlöse aus dem Verkauf von Kapitalbeteiligungen wieder besteuern.

Der neugestärkte Bundesadler

Die Deutschland AG ist Geschichte. Jüngste Zahlen belegen, dass damit Ansehen und Attraktivität der deutschen Volkswirtschaft im Ausland gestiegen ist. Statistiken der Deutschen Bundesbank bestätigen, dass in den letzten Quartalen ausländische Investoren so viele deutsche Aktien und Anleihen erwarben wie lange nicht mehr. Das britische Wirtschaftsmagazin Economist widmete Ende Juli das Titelblatt einer Ausgabe den international beachteten deutschen Reformerfolgen. Es zeigte einen muskelbepackten Bundesadler  das Gleichnis vom kranken Mann in Europa scheint Geschichte.

Im Gegensatz zu Deutschland fühlen sich ausländische Investoren auf dem Spielfeld der Kasachstan Co. KG gemäß aktueller Länderstudien des FAZ-Instituts oder des Economist durch den „rustikalen Umgang“ ins Abseits gestellt, selbst Globalplayer der Ölindustrie. Schillernde Negativbeispiele sind die Goldindustrie oder das interventionistische Politgerangel um das Kashgan-Ölfeld. Im ersten Fall arrangierte die EBRD eine Finanzierung unter Beteiligung ausländischer Branchengrößen. Zum Zuge kamen unbekannte Firmen mit dubioser Eigentümerstruktur und persönlichen Kontakten zur Politelite. Im Falle Kashgan sorgte eine umstrittene rückwirkende Gesetzesänderung für eine neue Eigentümerstruktur  zu Gunsten der kasachstanischen Co. KG und zu Ungunsten des internationalen AGIP-Konsortiums. Die seit 2003 gültigen kasachstanischen Rahmengesetzte bezüglich Auslandsinvestitionen und unsichere Eigentümerrechte verstärken das Mißtrauen.

Alte Deutschland AG versus neue Kasachstan Co. KG

Der direkte Vergleich der alten Deutschland AG mit der interventionistischen Kasachstan Co. KG hinkt im Maßstab etwas, wie schon die Rechtsformbezeichung als Spiegelbild der unterschiedlichen Qualität persönlicher Bindungen zeigt. Das Kernproblem ist ähnlich gelagert: Einen Kreis von einflussreichen Wirtschaftsführern wird es immer und überall geben, die Frage nach ihrer Kontrolle kann jedoch unterschiedlich beantwortet werden. Die Deutschland AG hat sich erfolgreich gewandelt, persönliche Netzwerke als Kontrollinstrument abgebaut, sich dem Markt geöffnet und an Attraktivität gewonnen.

Die sich oligarchisierende Kasachstan Co. KG, mit enger Vernetzung von Politik und Wirtschaft, scheint der verstaubten Devise „Von Russland lernen heißt siegen lernen“ zu folgen. Diesmal indes auf eigene Verantwortung. Trotz der derzeit noch positiven makroökonomischen Kennzahlen zwischen ökonomischer Freiheit, Transparenz und wirtschaftlichem Wohlstand respektive Pro-Kopf-Einkommen besteht auf lange Frist ein enger Zusammenhang. Zumal die direkte Konkurrenz China und Russland diesbezüglich schon leicht vorne liegt.

09/09/05

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